«Dida» stellt Familienleben in den Fokus

Luzerner Filmemacher-Paar räumt mit neuer Doku Preise ab

Sind mit ihrem neuen Film «Dida» auf Erfolgskurs: Corina Schwingruber Ilić und Nikola Ilić. (Bild: cbu)

Im Dokumentarfilm «Dida» beleuchtet das Luzerner Filmemacher-Paar Corina Schwingruber Ilić und Nikola Ilić eine intime Auseinandersetzung mit der eigenen Mutter. Die Produktion war für das Duo in vielerlei Hinsicht eine grosse Herausforderung.

Der Dokumentarfilm «Dida» erzählt die Geschichte von Nikola Ilić, der vor rund 15 Jahren seine Heimat in Serbien verliess und seinem Herzen in die Schweiz folgte. In Luzern arbeitet er seither mit seiner Frau Corina als Filmemacher. In seiner alten Heimat leben noch seine Grossmutter und die Mutter, bei denen er aufgewachsenen ist. Seine Mutter, Dida, hat eine Lernschwäche, kann nicht mit Geld umgehen und war nie fähig alleine zu leben. Also kümmerten sich Nikola und seine Grossmutter um sie. Doch als die Grossmutter plötzlich stirbt, wird er immer öfter in seiner alten Heimat gebraucht.

Nikola Ilić ist hin- und hergerissen. Zwischen seiner Mutter und seiner Frau, Verantwortung und Freiheit. Zwischen Serbien und der Schweiz. Und kulturellen und moralischen Fragen.

In ruhigen Bildern und mit subtilen Klängen der Luzerner Musikerin Heidi Happy erzählt das Ehepaar Ilić eine intime Familiengeschichte. So persönlich wie sie ist, so betroffen macht sie auch. Weil die Botschaft dahinter jeden treffen kann: Welche Verantwortung tragen Kinder, wenn die Eltern auf sie angewiesen sind?

Neuland für Luzerner Filmemacher-Paar

Mit «Dida» beschreitet das mehrfach ausgezeichnete Ehepaar gleich in zweifacher Hinsicht Neuland. Es ist zum einen ihr erster Langfilm und zum anderen treten sie beide zum ersten Mal selbst vor die Kamera. Aus den stillen Beobachtern sind Protagonisten geworden. «Ich habe es gehasst», gibt Co-Regisseur Nikola Ilić unumwunden zu, als zentralplus ihn und Ehefrau Corina auf einen Kaffee trifft. Die Motivation, selbst mitzumachen, sei nicht gross gewesen, aber ein notwendiges Übel. Keine Probleme mit dem Rampenlicht hatte hingegen seine Mutter Dida. «Sie hat es genossen und hatte viel Spass dabei.»

Während acht Jahren haben die beiden Filmschaffenden an die 200 Stunden Material gedreht. Daraus einen abendfüllenden Film zu zimmern, sei eine Mammutaufgabe gewesen. «Wir haben rund zwei Jahre allein am Schnitt gearbeitet», sagt Corina Schwingruber Ilić. Die Struktur des Filmes sei auch erst in dieser Phase zusammengekommen. Dramaturgie, Off-Kommentar, Länge – während der Dreharbeiten seien das noch keine Themen gewesen, über die man gross nachgedacht hatte.

«Ich wollte auf diese Art und Weise meine Mutter kennenlernen, bevor sie stirbt.»

Nikola Ilić

Auch der eigentliche Inhalt habe sich erst im Laufe der Jahre herausgeschält. Zu Beginn stand nämlich eine Krebsdiagnose bei Dida im Vordergrund. «Corina war der Meinung, wir sollten den weiteren Verlauf der Ereignisse filmisch festhalten», erinnert sich Nikola. «Nicht mit dem Hintergedanken, einen Dokumentarfilm daraus zu machen, sondern einfach für uns privat.»

Die Idee fand er gut. «Ich wollte auf diese Art meine Mutter kennenlernen, bevor sie stirbt.» Dida besiegt jedoch den Krebs und das Ehepaar entscheidet sich dazu, die Kameras weiterhin laufen zu lassen. Der Fokuswechsel geschah drei Jahre später mit dem Tod der Grossmutter. Denn ab dann musste Nikola nicht nur sein eigenes Leben stemmen, sondern auch das seiner Mutter.

Im Dauerfokus des Films

Die ganze Produktion war ein Kraftakt. «Wir haben zwischenzeitlich noch andere Kurzfilme gemacht, aber ‹Dida› schwang immer mit. War im Hinterkopf immer präsent.» Die Belastung stieg, Nikola stiess an seine Grenzen. «Ich wollte den Film mehrmals abbrechen.» Heute aber ist er stolz, durchgehalten zu haben. Und dass der Film bisher so gut ankommt, sorgt für zusätzliche Bestätigung. «Dida» hat bereits zahlreiche Anerkennungen erhalten und ist derzeit im Rennen um den Schweizer Filmpreis (zentralplus berichtete). «Ich habe zuerst nicht so an den Film geglaubt. Mittlerweile hat sich das geändert.»

Wie aber geht es den beiden jetzt, wo die Kamera weg ist und der Kinostart unmittelbar bevorsteht? «Wir sind wie befreit von diesem Film», sagt Corina Schwingruber Ilić. «Aber es fühlt sich etwas ungewöhnlich an, so ganz ohne Kamera, die uns unter die Lupe nimmt.» Nikola fügt an: «Vermissen werden wir es aber beide nicht.»

«2014 haben wir unseren ersten gemeinsamen Film gemacht. Weil wir andere Vorstellungen hatten, stritten wir ziemlich oft.»

Corina Schwingruber Ilić

Dass der Film in Solothurn an den Filmtagen lief, hat eine Geschichte abgerundet, die vor rund 15 Jahren ihren Anfang genommen hat. «2006 haben wir beide an den Solothurner Filmtagen an der Bar gearbeitet und davon geschwärmt, hier mal einen Film zu zeigen. Diesen Januar war es dann so weit», erzählt Corina Schwingruber Ilić.

Trotz Krach ein funktionierendes Duo

Nun gibt es viele Regie-Duos, die seit Jahren zusammen agieren. Darunter beispielsweise die Coen-Brüder («No Country for Old Men», «Burn after Reading») oder die Wachowski-Schwestern («Matrix», «Cloud Atlas»). Aber Ehepaare sind doch eher selten. Bei den Ilićs hat's denn auch eine Weile gedauert, bis die kreative Zusammenarbeit funktioniert hat.

«2014 haben wir unseren ersten gemeinsamen Film gemacht. Weil wir kreativ andere Vorstellungen hatten, stritten wir ziemlich oft», erinnert sich Corina Schwingruber Ilić. Zunächst wollte das Ehepaar keine weiteren gemeinsamen Filme mehr stemmen. Ihr Werk «An der Ecke» gewann jedoch an den internationalen Kurzfilmtagen Winterthur den Preis für den besten Film. Trotz Krach funktionierten die beiden offenbar sehr gut zusammen.

Nikola Ilić fährt fort: «Bei den nächsten Projekten haben wir die Aufgaben im Vorfeld klar verteilt.» Bei «Dida» beispielsweise war er hauptsächlich für die Dreharbeiten verantwortlich, sie für die Arbeit am Schnitt. Seither läuft es. So gut, dass sie schauen müssen, «nicht die ganze Zeit über Filme zu sprechen», wie die Regisseurin lächelnd ergänzt.

Andere Länder, andere Kulturen. Nikola Ilić (hinten rechts) muss sich im kulturellen Spagat üben. (Bild: Dschoint Ventschr Filmproduktion)

Erfolg ist keine Selbstverständlichkeit

Zwar leben die beiden Kreativen mittlerweile von der Filmemacherei, als selbstverständlich nehmen sie das aber nicht. «Ich rechne jederzeit damit, wieder einen ‹richtigen› Job suchen zu müssen», sagt Schwingruber Ilić weiter. «Aber bisher ist noch immer rechtzeitig ein Preis oder ein Projekt samt Finanzierung reingekommen.»

So sind denn auch beide wieder an neuen Filmen dran. «Derzeit holen wir die liegengebliebenen Corona-Projekte nach. Jeder von uns arbeitet auch an eigenen Filmen. Und wir haben noch ein Projekt in Planung, bei dem wir wieder Co-Regie machen.»

Dabei sind sie auch auf die Unterstützung von Stiftungen und Produzenten von anderen Kantonen, wie beispielsweise der Zürcherin Franziska Soder («Loving Highsmith») oder der Baslerin Stella Händler («Love will come later») angewiesen. «Wir hätten ohne ausserkantonale Unterstützung fast keinen unserer Filme machen können», sagt Corina Schwingruber Ilić.

Zwar sei es gut, gebe es in der Zentralschweiz eine Filmförderung, diese bilde aber schweizweit gesehen eher das Schlusslicht. Ein Umstand, den auch die Zentralschweizer Politik erkannt hat (zentralplus berichtete). Auch im privaten Sektor tut sich was. So haben beispielsweise Filmbegeisterte aus Zug einen Verein gegründet, der lokales Filmschaffen vermehrt unterstützen soll (zentralplus berichtete).

Über «Dida»

Der 78 Minuten lange Dokumentarfilm «Dida» läuft ab dem 24. März in den Schweizer Kinos. Am 20. März findet um 11 Uhr im Kino Bourbaki eine Vorpremiere in Anwesenheit des Regie-Duos statt.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Nikola Ilić und Corina Schwingruber Ilić
  • Webseite Kino Bourbaki
  • Webseite des Verleihers
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