Nina Steinemann: Multitalent der Kunstszene

«Luzern verliert seine Ecken und Kanten»

Nina Steinemann, das Multitalent der Luzerner Kunstszene, bei der Arbeit. (Bild: jav)

Nina Steinemann kann Kunst. Und diese macht sie auf den verschiedensten Ebenen, auf den verschiedensten Bühnen und oft auch parallel. Im Interview mit zentral+ erklärt sie, warum sie nicht anders kann, was ihr in Luzern fehlt, und wie sich eine eigentlich vorbildliche Kulturpolitik auch negativ auswirken kann.

Bühnenbildnerin, Kostümbildnerin, Puppenbauerin, Schauspielerin, Requisiteurin, Künstlerin – wer Nina Steinemann googelt, stösst auf eine Vielzahl von verschiedenen Bezeichnungen. Doch damit ist noch nicht einmal alles gesagt. Denn derzeit macht die 35-jährige Luzernerin auch noch eine Töpferlehre. Viele kennen sie jedoch als Schauspielerin aus dem blutrünstigen «Splätterlitheater». Oft hat die ausgebildete Textildesignerin fünf bis sechs Projekte parallel laufen.

zentral+: Wie arbeitest Du?
Steinemann: Mein Beruf als Ausstatterin ist sehr vielseitig. Da arbeite ich gerade an einer Illustration und zwei Stunden später entwerfe ich Puppen für ein Theater. Anschliessend gehe ich los und kaufe ein Schlauchboot für einen Werbedreh. Zur Zeit kommt noch meine Lehre hinzu. Und am Wochenende stehe ich mit dem Splätterlitheater auf der Bühne. Diese Vielseitigkeit liegt mir auch sehr, das war bereits als Kind der Fall. Ich interessierte mich für sehr viele verschiedene Dinge, ein Hobby allein war zu wenig. Sie lacht.

zentral+: Da du in so vielen verschiedenen Bereichen arbeitest: Wie würdest Du übergreifend deinen Stil beschreiben?
Steinemann: Man könnte den Stil als «trashig» bezeichnen, ohne ihn in eine Schublade stecken zu wollen. Wichtig ist mir bei meiner Arbeit vor allem die Inspiration, die sich oft aus weitläufigen Recherchen ergibt.

zentral+: Wo machst Du den Unterschied zwischen Laien- und Profi-Kunst?
Steinemann: Das muss jeder für sich selbst definieren können. Ich finde: Kunst ist Leidenschaft, die nichts mit dem monetären Wert zu tun hat.

«Man geht weniger das Risiko ein, auch mal mit etwas auf die Nase zu fallen.»

zentral+: Welches Problem hat die Luzerner Kulturpolitik?
Steinemann: Nachdem ich durch ein Atelierstipendium fünf Monate in Chicago verbracht habe, muss ich jetzt sagen: Finanzielle Unterstützung für Kultur von Seiten der Stadt und des Kantons sind keine Selbstverständlichkeit. Dort gibt es fast keine Stipendien. Andererseits gibt es deshalb viel mehr Eigeninitiative. Jeden Freitag fanden Ausstellungen, Konzerte, Modenschauen statt, improvisiert in privaten Wohnungen und Ateliers – es lief immer etwas. Das macht die ganze Szene lebendiger. Und aus der Eigeninitiative resultieren wilde Subkulturen, die man in Luzern zum Beispiel weniger antrifft.

Luzern hat sehr viele Möglichkeiten, viele Orte um Kultur zu konsumieren, aber wir sind vielleicht etwas angepasster. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde der Luzerner Kultur durch das «Dossiers einreichen» ein wenig die Flügel gestutzt. So als gehe die kreative Neugier etwas verloren und man gehe weniger das Risiko ein, auch mal mit etwas auf die Nase zu fallen. Es ist toll für Kunst- und Kulturschaffende, dass wir diese Möglichkeiten und Subventionen haben, aber vielleicht machen die den kreativen Macher-Geist manchmal etwas angepasst.

«Sie sollen diese Salle Modulable bauen und das ganze Drama rundherum abschliessen.»

zentral+: Was wünschst Du dir für Luzern?
Steinemann: Ich habe einmal gehört, Luzern werde in einigen Jahren zur Schlafstadt von Zürich werden. Und mittlerweile habe ich das Gefühl, es geht bereits in diese Richtung. Luzern ist schön, ruhig und nett, und es verliert seine Ecken und Kanten. Deshalb wünsche ich mir für Luzern mehr Ecken und Kanten. Weniger Angepasstheit.

zentral+: Was sagst Du zum Stichwort Salle Modulable?
Steinemann: Ich finde, zu diesem Thema wurde bereits so viel gesagt und geschrieben. Sie sollen diese Salle Modulable bauen und das ganze Drama rundherum abschliessen.

zentral+: Was wird in Luzern zu wenig wahrgenommen beziehungsweise unterschätzt?
Steinemann: Beispielsweise die Memphisto-Konzerte. Da spüre ich so richtig das Herzblut. Diese Leute investieren Zeit, Geld und Schweiss in eine Sache, hinter welcher sie stehen. Das merkt man. Und es ist dann auch nicht so wichtig, ob am Schluss zehn oder hundert Leute dabei waren.

«Es geht dann darum im Rampenlicht zu stehen und nicht darum, etwas Inhaltliches zu leisten.»

zentral+: Tiefe Zuschauerzahlen sind bei kulturellen Veranstaltungen ja immer wieder Thema. Kommen zehn Leute, dann rentiert es doch kaum?
Steinemann: So ist es. Aber Kunst soll auch die verschiedensten Bereiche abdecken – und manche sprechen ein kleineres Publikum an. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Kunst weniger wichtig ist, sondern vielleicht gerade das Gegenteil.

Vielleicht haben die Leute heute manchmal auch eine Überdosis an Kultur, oder das Interesse für eine bestimmte Thematik fehlt. Es kann aber auch einfach ein Generationenwechsel sein. Neue Interessen und neue Vorstellungen. Schlimm finde ich es nur, wenn es gar nicht mehr um die Inhalte geht. Wenn Kinder nur noch berühmt werden wollen – wofür ist egal. Es geht dann darum im Rampenlicht zu stehen und nicht darum, etwas Inhaltliches zu leisten.

zentral+: Was kannst Du eigentlich nicht?
Steinemann: Das Normale. Sie lacht.

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