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Zuckerwatte, Putschi-Auto und Wurst mit Senf: Es ist Chilbi-Ziit. Wer für einmal etwas Kleines, Ausgefallenes sucht, der wird im Luzerner Stadtteil Reussbühl fündig. Warum ist die Chilbi dort einen Besuch wert?
Ganz ehrlich, der Autor war bis jetzt noch nie an der Chilbi Reussbühl. Dabei bietet diese kleine, herzige Veranstaltung viel. Dieser Stadtteil von Luzern versprüht jährlich gegen Ende September einen richtigen Dorfcharme. Das merken wir von der ersten Sekunde unseres Besuchs auf dem Gelände an.
«Ciao, ich bin der Markus. Willst du ein Bier?» Mit diesen Worten begrüsst uns Markus Nogara. Er ist einer der vielen freiwilligen Helfer, welche die kleine Quartier-Chilbi möglich machen. Wir lehnen das «Leu Bräu-Bier», das Nogara selbst braut, aus arbeitstechnischen Gründen dankend ab.
Aber auch ohne Alkohol kommst du auf dem Chilbi-Platz schnell mit allen ins Gespräch. «Die Chilbi basiert auf ganz viel Freiwilligenarbeit im Quartier. Heute kommt beispielsweise die Pfadi vorbei und hilft, das grosse Zelt aufzustellen», erklärt Nogara.
Emotionen und Herz einer Schaustell-Legende für Chilbi
Aufgestellt wird die Chilbi Reussbühl auf dem Kiesplatz neben dem Schulhaus Ruopigen. Auch Seppi Moser stellt seine Bude an dem Tag auf. Eigentlich müsste er gar nicht mehr anpacken, denn die Schaustell-Legende hat mit 60 Jahren all seine Bahnen verkauft.
Er sucht sich nun vor der definitiven Pensionierung nur noch seine Lieblingsplätze aus. «Ich bin zwar Bürger der Stadt Luzern, aber ein Reussbühler im Herzen.» Das OK unterstütze er gerne tatkräftig, da er sehe, dass die Jungen viel Energie für eine gute Sache investierten.
Seppi Moser ist die gute Seele der Chilbi Reussbühl. Wenn etwas schiefgeht, zeigt sich seine jahrzehntelange Erfahrung. «Am Donnerstagmorgen hat ein Fahrgeschäft wegen einer Panne kurzfristig abgesagt», berichtet Moser. «Ich habe meine Beziehungen spielen lassen und konnte ein anderes Fahrgeschäft auftreiben. Wir haben also einen guten Ersatz.» Ohne ihn scheint es wirklich nicht zu gehen. «Der Friedhof ist voll mit Leuten, die einst sagten: ‹Ohne mich geht es nicht›», meint Moser dazu.
Auch wenn die Schweizer Schaustellgemeinschaft ohne Seppi Moser so unvorstellbar ist wie Tennis ohne Federer, seine Entscheidung steht. «Nächstes Jahr helfe ich noch. Danach gehe ich noch an die Määs, und dann ist wirklich Schluss.» Seppi Moser plant seine definitive Pensionierung. «Ich spüre den Rücken, 48 Jahre lang habe ich Bahnen aufgestellt. Irgendwann knackt's einfach. Dann musst du schlau sein und aufhören.»
Was Seppi Moser zu seiner Zukunft sagt und wie er sich an die Vergangenheit erinnert, siehst du im Video.
Eine kleine Chilbi mit grosser Geschichte
Eine Frau aus dem Quartier spricht Seppi Moser an. «Herr Moser, eigentlich müssten Sie mir etwas von Ihrem Stand gratis geben. Meine Eltern haben damals stets Ihren Stand leergekauft», meint sie mit einem grossen Lächeln. Auch wenn die Dame das mehr als Witz meinte, zögert Moser nicht lange und schenkt ihr eine Tüte Magenbrot. «Für die Kundentreue – dieses Magenbrot ist heute frisch gemacht», sagt er. Die Dame strahlt und besteht auf ein Selfie mit der Schaustell-Legende.
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Diese Szene lässt uns in die Vergangenheit eintauchen. Die Chilbi Reussbühl existiert schon sehr lange. Wie lange genau, kann auf dem Platz gerade niemand sagen. «Sicher um die 60 Jahre», meint Seppi Moser. Früher wurde diese in der Täschmatt aufgestellt. «Die Dorf-Chilbi stand auf dem Parkplatz. Da wo heute die Bibliothek ist, hat die Frauengemeinschaft beispielsweise eine Kaffeestube betrieben.»
Als dann die Chilbi «nach oben» wechselte, war die Skepsis gegenüber dem neuen Platz gross. «Damals gab es hier nichts. Die Häuser existierten noch nicht. Die Region und die Chilbi haben sich aber wirklich gut entwickelt.»
Seppi Moser erinnert sich noch an die Schaukeln, die früher als Attraktion aufgestellt wurden. Seine Augen leuchten, als er uns von dieser Zeit berichtet. Es ist spürbar, dass er definitiv schöne Erinnerungen an seine Arbeit mit in die Pensionierung nehmen wird.
Drei Tage Programm für Reussbühl
Los geht es am Freitag um 19 Uhr mit der Chilbi Reussbühl. «Jeder, der am Freitag kommt, darf 15 Minuten lang gratis mit einer Bahn fahren», sagt Nogara. Am Samstag geht es um 15 Uhr los und am Sonntag gibt es ab 10.30 Uhr einen Chilbi-Gottesdienst. Essen gibt es ab 11.30 Uhr und die Bahnen sind ab 13 Uhr noch einmal in Betrieb. Hier gibt es alle Informationen.
Wer genau hinter der Chilbi Reussbühl steckt und was du alles erleben kannst? Markus Nogara sagt es dir im Video.
- Reportage vor Ort
- Website Chilbi Reussbühl
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