Die neue Zuger Denkmalpflegerin im Porträt

Karin Artho gibt der Zuger Baukultur ein Gesicht

Die Zuger Denkmalpflegerin Karin Artho vor dem Bommerhüttli in Unterägeri. (Bild: Jan Rucki)

Zug hat ein reiches baukulturelles Erbe. Seit diesem Mai ist Karin Artho dafür zuständig. «Zug ist viel mehr als ein langweiliger Wirtschaftskanton», sagt die Zuger Denkmalpflegerin. Das bauliche Erbe zu vermitteln und zu bewahren, ist eine ihrer zentralen Aufgaben.

Moderne Glasfassaden verstecken sich hinter jahrhundertealten Holzbalken. Wo einst Kühe frassen und Heu in der Tenne lag, steht heute ein Schreibtisch in einem wohnlichen Ambiente. Es sieht nach Homeoffice aus. Wenige Zimmer weiter wurde einst ein kräftiges «Buurezmorge» gegessen. Seit Oktober lebt hier eine Familie ihren Alltag.

Karin Artho ist sichtlich stolz auf das Gebäude, das sie uns zeigt. Artho ist seit diesem Mai Leiterin des Zuger Amts für Denkmalpflege und Archäologie (zentralplus berichtete). Sie hat uns ins Bommerhüttli geführt, ein historisches und unter Denkmalschutz gestelltes Haus in Unterägeri. Jahrelang war es ungenutzt, ehe das alte Bauernhaus mit angebautem Stall nach einer umfassenden Sanierung so gestaltet wurde, dass es heute wieder bewohnbar ist.

«Ich habe zwar noch kein Lieblingsobjekt», erklärt uns die neue Zuger Denkmalpflegerin, «doch dieses Haus ist ein gelungenes Beispiel für den Erhalt eines historischen Gebäudes.»

Zug: Wirtschaftskanton mit grossem kulturellem Erbe

Artho lebt die Kultur des Erhaltens, Reparierens und Präsentierens historischer Bauwerke leidenschaftlich. Für sie haben diese Bauten einen grossen gesellschaftlichen Wert. Die in Unterägeri aufgewachsene Kunsthistorikerin lebt nach verschiedenen Zwischenstopps seit einiger Zeit mit ihrer Familie in der Stadt Zürich.

Nach ihrem letzten Job beim Schweizer Heimatschutz, bei dem sie für das Dossier des Wakker-Preises zuständig war und zuletzt das Heimatschutzzentrum in der Villa Patumbah leitete, ist sie nun beruflich nach Zug zurückgekehrt. Seit Mai dieses Jahres leitet sie hier das Amt für Denkmalpflege und Archäologie.

«Die Bevölkerung ist sich des Kulturguts in Zug zum Teil gar nicht bewusst.»

Karin Artho, Leiterin Archäologie und Denkmalpflege Kanton Zug

«Zug ist viel mehr als nur ein langweiliger Wirtschaftskanton, wie er vielleicht von aussen häufig wahrgenommen wird», meint Artho. «Wir haben ein grosses kulturelles Erbe mit einer erstaunlichen Vielfalt. Das macht meine Arbeit spannend. Die Bevölkerung ist sich des Kulturguts in Zug zum Teil gar nicht bewusst», sagt Artho.

Aus diesem Grund begreift sie das Vermitteln des baukulturellen Erbes im Kanton Zug als einen wichtigen Teil ihrer Arbeit. «Schliesslich ist das Bekanntmachen des historischen Wertes unserer Gebäude eine Bringschuld. Sie gehört zu unserer Aufgabe.»

Diese Aufgabe ist eine der Herausforderungen, die Artho seit ihrem Amtsantritt angeht. «Dieses abgelegene Bauernhaus hier in Unterägeri ist jetzt vielleicht nicht eines, das viel Publizität erlangt. Doch bei zentraler gelegenen Gebäuden, deren Sanierung wir begleiten, wollen wir vermehrt Baustellenplakate anbringen mit Informationen über die Geschichte des Objekts und die laufenden Renovationsarbeiten.»

Denkmalpflege führt Altes mit Sorgfalt in die Gegenwart

Wir machen einen Rundgang durch das Haus, in dem seit Oktober letzten Jahres eine Ostschweizer Familie lebt. Das Bommerhüttli gehört der hiesigen Korperation und wurde 2021 unter Begleitung der Zuger Denkmalpflege sorgfältig instand gestellt, nachdem es in sich selbst zu zerfallen gedroht hatte. Mit viel Sorgfalt, Bewusstsein und auch Innovation wurde Historisches mit der Moderne verbunden.

«Was zeichnet dieses Haus mit angebautem Stall aus? Worin manifestiert sich seine Einzigartigkeit? Das mussten wir zuerst herausfinden. Ein Wohnhaus mit Stall unter einem Dach ist im Zugerland eine Seltenheit. Und beim Untersuchen des Holzes stellten wir fest, dass es sich um einen der ältesten dokumentierten Ställe in der Zentralschweiz handelt», so Artho.

«Wir wollen keine Museumsobjekte, die niemand anfassen darf.»

Karin Artho, Leiterin Archäologie und Denkmalpflege Kanton Zug

Ein Haus muss als endliche Ressource begriffen werden. Davon ist Artho überzeugt. «Wenn es weg ist, ist es weg», heisst es. Doch Altes soll nicht wie ein Museumsstück konserviert werden. Die Denkmalpflegerin findet, dass Baudenkmäler im Alltag der Bevölkerung einen Platz haben müssen. 

«Wir wollen keine Museumsobjekte, die niemand anfassen darf. Die Häuser, die unter Denkmalschutz stehen, sollen belebt und genutzt werden. Ihre Geschichte soll nicht konserviert, sondern weitergeschrieben werden. Ähnlich wie in einem Geschichtsbuch, in dem Kapitel hinzukommen, doch bestimmt keines gelöscht wird.»

Authentizität spielt eine wichtige Rolle. «Man kann den Wert von etwas Altem nicht durch etwas Neues ersetzen. In der historischen Substanz liegt der Zeugniswert. Aber man kann das Alte mit Sorgfalt in die Gegenwart führen. Hierfür braucht es den Willen, sich auf das Baudenkmal einzulassen und nach Lösungen zu suchen, welche die Bedürfnisse der Eigentümer und jene des Denkmals unter einen Hut bringen.»

Gehören Solaranlagen auf Baudenkmäler?

Arthos Aufgabe ist wichtig. Nicht zuletzt erfüllt sie mit ihrer Aufgabe einen gesetzlichen Auftrag. Und die 54-Jährige weiss, was sie will. Dennoch ist die Aufgabe der Denkmalpflege keine einfache, denn nicht alle Eigentümer sehen für ihre historischen Bauten eine Zukunft. Auch kommen immer wieder neue Herausforderungen wie jene der Klima- und Energiekrise hinzu.

«Ob Solaranlagen auf Teufel komm raus auch auf Dächer von Baudenkmälern oder Altstadthäusern gehören, bezweifle ich.»

Karin Artho, Leiterin Archäologie und Denkmalpflege Kanton Zug

«Für mich ist klar, dass wir wegkommen müssen von fossilen Rohstoffen, hin zu erneuerbaren Energien. Ob Solaranlagen auf Teufel komm raus auch auf Dächer von Baudenkmälern oder Altstadthäusern gehören, bezweifle ich jedoch. Mit der aktuellen Dringlichkeit besteht die Gefahr, den Blick fürs grosse Ganze zu verlieren.» Artho sieht hier die Gemeinden in der Pflicht: «Mit einer klugen Energie- und Solarstrategie könnten diese den Weg vorgeben, um trotz deren Ausbau die Schönheit ihrer Orte zu erhalten.»

Karin Artho gibt dem baukulturellen Erbe des Kantons Zug ein Gesicht. Die Diskussionen rund um Baudenkmäler sind zwar oft langwierig und hitzig, finden in ihren Augen aber noch immer zu selten statt.

Und darin sieht Artho ihre Kernaufgabe der nächsten Jahre: im Ankurbeln der Diskussion über historische Bauwerke und in der Frage, was wir den nachfolgenden Generationen hinterlassen wollen. Denn wenn es nach Artho geht, transportiert das baukulturelle Erbe des Kantons Zug Werte, die heute wichtiger sind denn je.

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