Rezension «Näbenusse» im Burgbachkeller Zug

Juranebel im Burgbachkeller

Christian Schmid liest aus seinem Buch «Näbenusse» im Burgbachkeller in Zug.

(Bild: hed)

Wortmächtig und in breitem Berndeutsch las der Mundartspezialist und Autor Christian Schmid am Freitagabend im Zuger Burgbachkeller aus seinen Büchern «Näbenusse» und «Blas mer i d Schue» vor. Ein Abend mit Geschichten von einem, der Grenzen nicht übertritt, sondern auf ihnen ausruht.

Der Mitbegründer der SRF-Mundartsendung Schnabelweid Christian Schmid erzählt in seinem neu auf Berndeutsch erschienenen Buch «Näbenusse» von seinen Kindheitserinnerungen. Schmid wuchs im Grenzort Les Bornes im Kanton Jura als Sohn eines Grenzwächters auf. Auf vielfältige und spielerische Art und Weise bewegt sich Schmid nicht nur zwischen den Landes-, Sprach- und Altersgrenzen, sondern harrt gerne auch auf der Grenze aus und reflektiert ihr Dasein.

Als kleiner Junge auf einem Grenzstein sitzend geniesst er das Gefühl der Gleichzeitigkeit, sowohl in der Schweiz als auch in Frankreich zu sein. Schmid steht gerne auf der Grenze, am Rande, im Dazwischen, und sieht darin keine Gefahr oder Bedrohung, sondern eine Chance und eine Möglichkeit. Daraus begründet er auch sein Verständnis von Heimat, das nichts mit der «Herzinsel in der Mitte Europas» zu tun hat, sondern vielmehr mit dem Rande, dem Übrigen und den Grenzerfahrungen.

Musikalische Grenzgänge

Nicht nur Christian Schmid bewegt sich erzählerisch gerne im Dazwischen, auch sein musikalischer Begleiter Christoph Greuter mag den Mix zwischen Altem und Neuem, Traditionellem und Modernem, schweizerischer Volksmusik und amerikanischem Folk-Sound. Gekonnt greift er in die Saiten; mal gefühlvoll und harmonisch an einer alten Halszither zupfend, mal swingend und rauchig im Bottleneck-Stil auf einer kupfernen Resonatorgitarre. Greuter sorgt sowohl für die musikalische Verbindung der Geschichten als auch für deren stimmungsvolle Begleitung. Mit spielerisch leichten Tempiwechseln, Rhythmusvariationen und einer akzentuierten und gleitenden Dynamik tritt er in einen Dialog mit Schmid. Die Grenzen zwischen Musik und Sprache werden vermischt hin zu einem genialen Stimmungsbild.

Sinnliche Stimmungsbilder

Mit der bildhaften Erzählweise Schmids und der lautmalerischen Begleitung Greuters gelingt es den beiden, das Publikum zu fesseln und gemeinsam ganz in die Welt des «Berner Kongos» einzutauchen. Die sinnliche Prägnanz der rauen jurassischen Natur vermag Schmid in seiner äusserst detailreichen, pointierten und gefühlvollen Sprache zu vermitteln. Der graue, kalte und alles überdeckende Nebel scheint sich nicht nur in den Nacken des kleinen Jungen Schmid einzukriechen, sondern lässt auch das Publikum ein wenig tschudderen und frösteln. Mit den surrealen Maultrommelklängen Greuters scheint der Nebel sich sogar im Burgbachkeller auszubreiten.

Auch Schmids Erinnerung an den Dreschtag und an den alles übertönenden Lärm der rumpelnden und ratternden Dreschmaschine wird durch Greuters Gitarrenbegleitung zum Leben erweckt. Christian Schmid erzählt dabei nicht nur sehr unterhaltsam und zuweilen komisch, sondern eröffnet auch kritische Räume zur Reflexion. Dass diese Dreschmaschine nun auch den Menschen den Takt vorgibt und das Tenn zu einer heissen, staubigen Hölle verwandelt, lässt er nicht unbetont. So müsse der Krieg sein, dachte er als kleiner Junge.

Sprachakrobatik auf hohem Niveau

Schmids sensibles Gespür für sprachliche Feinheiten scheint bereits in seiner Kindheit präsent gewesen zu sein. In einer deutschsprachigen Familie in einem welschen Dorf aufwachsend, fragt er schon als Junge nach den unterschiedlich gewordenen Ausdrucksweisen der beiden Sprachen. Wieso beispielsweise im Französischen das Allgemeine vor dem Genauen komme, während im Deutschen dies gerade umgekehrt sei; der tee noir wird zum Schwarztee, das feuille verte zum grünen Blatt. Vermische man nun die Regeln, werde plötzlich aus dem Blumenkohl ein «Chöli Blueme». Diese Sprachsensibilität hat Schmid durch sein ganzes Leben begleitet. In seinem Buch «Blas mer i d Schueh», woraus er ebenfalls vorliest, geht er auf die Herkunft und Entstehung unterschiedlicher Redewendungen ein. Als Kostprobe klärt er uns darüber auf, was hinter «ufpasse wine Häftlimacher», «öperem e Bär ufbinde» und «das geit uf kei Chuehuut» steckt. Obwohl gewisse Ausdrücke wie zum Beispiel «Häftlimacher» heutzutage überhaupt keine Verwendung mehr haben, hat die Redewendung sich über sämtliche Zeitgrenzen hinaus durchgesetzt. Sprachlich zeigt Schmid unverkennbar, dass Grenzen von Menschen gemacht sind und keineswegs als starre Gefüge schon immer da waren.

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