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Ralf Schlatter und Anna Katharina Rickert als Gutmensch und Schöngeist.
(Bild: Christian Reichenbach)Die Produktion «Mary» des Duos Schön & Gut hält uns als poetische und politische Satire im Luzerner Kleintheater den Spiegel vor. Die Einbürgerungsgeschichte zielt mit schwarzem Humor treffsicher dorthin, wo es weh tut. Und bietet damit weit mehr als Klamauk: sozialkritisches liberales Kabarett auf höchstem Niveau.
Eine Kreiseleinweihung, eine Viehschau, eine Gemeindefusion und nun also eine Einbürgerung. Auch im neusten Stück des Kabarettduos Schön & Gut verwandelt sich ein vermeintlich unspektakulärer Akt im beschaulichen Grosshöchstetten innert Kürze in einen Schauplatz menschlicher Abgründe, Ängste und Verstrickungen.
Die Lettin Agneta – den Besuchern früherer Stücke sind die meisten Protagonisten bereits bekannt – befindet sich auf dem Weg zum Schweizer Pass und wird von Herrn Schön in ihrem Vorhaben unterstützt. Dem steht Peter Kellenberger gegenüber, der Gemeindepräsident von Grosshöchstetten. Als Schweizer «Bünzlibürger» will er Agneta, nachdem sie ihn seiner Meinung nach enttäuscht hat, die Chance auf den Schweizer Pass verwehren.
Er versucht sein Ziel mit allen Mitteln zu erreichen und scheut auch nicht vor einer falschen Anschuldigung des Diebstahls zurück. Die einzigen Fürsprecher, die Agneta bleiben, sind Herr Gut und Frau Schön sowie die zwei unparteiischen Meisen, die manchmal auch gerne Spatzen wären, um von den Dächern zu pfeifen.
Die Situation spitzt sich zu, als die Amerikanerin Mary auftaucht. Herr Kellenberger wittert die Möglichkeit, mit der Einbürgerung von Mary sowohl Agneta als auch Herrn Gut loszuwerden. Denn nebst der Einbürgerung der Lettin will er verhindern, dass Herr Gut seine pleite gegangene Metzgerei in ein Zentrum für Asylsuchende umwandelt: «Gerettete Kinder statt geschnetzelter Rinder». Ob das gelingt, sei an dieser Stelle nicht verraten.
Zwei Darsteller, zehn Charaktere
«Mary» überzeugt mit einer grandiosen Fülle an Sprachwitzen. Anna-Katharina Rickert und Ralf Schlatter spielen mit verschiedenen Dialekten und Sprachfehlern ebenso virtuos wie mit den Vorurteilen der Schweizer.
Hinter dem Namen Schön & Gut stehen Anna-Katharina Rickert und Ralf Schlatter, die seit 2003 mit ihrem poetischen und politischen Kabarett auf den Kleinkunstbühnen stehen. Mit ihrem neuen Programm «Mary» gastieren sie diesen Dezember zweimal im Kleintheater Luzern: Freitag, 9. Dezember um 20 Uhr, und Samstag, 10. Dezember um 20 Uhr. Preis: 36 Franken.
Den beiden Kabarettisten gelingt es, mit den einfachsten Mitteln zehn verschiedene Charaktere darzustellen. Sie schrecken auch nicht davor zurück, die Rollen zu tauschen. So verkörpert Anna-Katharina Rickert zu Beginn die Agneta. Diese Rolle unterscheidet sich von jener der Frau Gut nur durch das Tragen eines Kopftuches. Fulminant insbesondere auch, wie Ralf Schlatter mit dem Kopftuch und dem gleichen Sprachfehler in Sekunden zu Agneta werden kann.
Die Vielfalt ebenso wie der Wortwitz suchen in der hiesigen Kunstszene ihresgleichen. Die Witze sind subtil, die Sprüche teilweise so clever, dass Momente vergehen, bevor das Publikum diese mit Gelächter quittiert. Die falsche Reihenfolge von Worten in einem Satz führen nicht nur dazu, dass die Lettin Agneta nicht zur Eidgenossin wird, sondern machen aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten auch das Land der unmöglichen Begrenztheiten.
Nicht alle ertragen den Humor
«Sind die hohen Berge, auf welche wir doch alle so stolz sind, nicht auch erst durch den hohen Druck von aussen entstanden?» Die beiden Künstler halten uns zu Recht vor, dass wir den hiesigen Meisen gerne einen Meisenknödel raushängen – die Armen in der Dritten Welt jedoch mit unserem Fleischkonsum einer Grundlage berauben, um sich selber zu ernähren.
Sicher wollen manche von uns dies weder wahrhaben noch im Theater sehen. Manch einer der Zuschauer fühlt sich bei der ersten der drei Aufführungen im Kleintheater (siehe Box) von den Anspielungen derart vor den Kopf gestossen, dass es nach der Pause mehr freie Sitze hat als zu Beginn der Vorstellung. Politischer Humor kann jene, die ihm nicht offen gegenüberstehen, kränken. Bedauerlich, dass dies auch in einer Demokratie wie der unseren vorkommt.
Nicht zweifeln lässt sich jedoch an der Qualität der Darbietung, die sich zwar in Sachen Humor meist im tiefschwarzen Bereich befindet, aber den Nagel immer auf den Kopf trifft. So schaffen es die beiden Kabarettisten, uns auf die Probleme der Gegenwart aufmerksam zu machen. Und dabei beschränken sie sich nicht nur auf die Ausländerfrage, sondern greifen viele weitere aktuelle Probleme auf. Es handelt sich bei diesem Stück um keinen einfachen Klamauk. Nein, es ist sozialkritisches liberales Kabarett auf höchster Stufe.