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Der französische Künstler Blo an der Talkshow «Meet the Artists» am Donnerstagabend am Blue Balls.
(Bild: cha)Die Auftritte am Blue Balls in der Stadt Luzern begeistern die Massen. Nicht so jedoch das «Meet the Artists». Leere Ränge im KKL, von Dialekt triefendes Englisch und peinliche Stimmung begleiten jeweils die tägliche «Talkshow». Eine verpasste Chance?
Eines vornweg: Das Blue-Balls-Festival ist aussergewöhnlich. Während knapp eineinhalb Wochen lebt die Stadt. Internationale Musiker beehren Luzern und sind zum Greifen nah. Das Programm ist extrem vielseitig und auch bildende Kunst findet seinen Platz an diesem Festival. Respekt an dieser Stelle den Organisatoren – und auch ein herzliches Dankeschön für diese Bereicherung. Alle Jahre wieder.
Allerdings: Da gibt es doch einen Programmpunkt am Blue-Balls-Festival, dessen Idee zwar schön und gut ist, die Umsetzung jedoch jedes Mal Gänsehaut beschert. Das «Meet the Artists». Dabei sollen die Zuschauer jeweils einen intimeren Einblick in das Leben der Künstler erhalten. Ich begebe mich ein weiteres Mal in die Höhle der schlechten Aussprache und der schmerzhaften grammatikalischen Satzstellungen.
Schon vor dem Start enttäuscht
Der Saal ist spärlich gefüllt. Gerade mal gegen die zwanzig Personen sind fünf Minuten vor Beginn der «Talkshow» anwesend. Bis zum Start begeben sich immer wieder eine Handvoll Gäste auf die vorderen zehn Sitzreihen. Hinter mir gönnt sich ein Paar ein Gläschen Rotwein. Zwei jüngere Frauen neben mir scheinen aufgeregt. Mit einem Ohr bekomme ich mit, dass sie das erste Mal am «Meet the Artists» sind. Sie wundern sich über die steife Atmosphäre – sprechen bereits vor dem Start von einer «Enttäuschung».
Mit ein paar Minuten Verspätung tritt der Moderator Hannes Hug auf die Bühne. Mit brachialer Gewalt schleudert er Witz und Charme in Richtung Publikum, was nicht immer ganz bei den Lachmuskeln ankommt. Hug unterbricht das müde Kichern aus dem Publikum mit der sehr viel versprechenden Frage: «Wer spricht gut Englisch?»
Absehbare Antworten auf 08/15-Fragen
Die Ungeduld auf den Rängen ist spürbar. Endlich holt Hannes Hug die ersten Gäste des Abends – die Berner Senkrechtstarter Lo & Leduc – auf die Bühne. Fürs Erste wird in Schweizerdeutsch geplaudert, die Ohren bleiben erst einmal verschont. Hauptthema für Hug sind Autopannen, deren zwei die Berner Künstler letztens hatten. Und natürlich auch die tonnenweise Fans, die sich plötzlich «über Nacht vermehrt» hätten. Die beiden Musiker beantworten schön brav die Fragen, geben sich locker und entspannt.
So weit, so gut, und auch einigermassen unterhaltsam. Doch ab sofort ist Englisch die Amtssprache. Der britische Musiker David Gray betritt die Bühne, begrüsst das Publikum mit etwas heiserer Stimme. Bereits bei der ersten Frage von Hannes Hug, was für ein Typ David denn als kleiner Junge so gewesen sei, schalte ich ab. Bin ich der Einzige, den das nicht interessiert? Glücklicherweise ist David Gray in Plauderlaune. Er redet und redet, während Hug beinahe hilflos daneben sitzt, lächelt und nickt. Nach einem fünfzehnminütigen Monolog des britischen Musikers muss ihn Hannes Hug von der Bühne schicken, die Zeit ist um. Mit dem Musiker verlassen auch die Gäste reihenweise den Saal.
«How did you did that?»
Hannes Hug, Moderator des «Meet the Artists»
Wirre Fragen sorgen für peinliche Stimmung
Halbzeit. Hug bittet die Geschwister Angus & Julia Stone zu sich. Waren die Fragen bisher teilweise gut recherchiert, verlieren sie nun an Relevanz. «Kommt es dir darauf an, wo ihr gerade seid, wenn ihr auf Tour seid?», will der Moderator wissen. Die Geschwister schauen sich etwas verloren an, ehe Hug mit schärferem Geschütz auffährt. «Ist es einfach, Musik zu machen, wenn man schon immer Musik gemacht hat?»
Angus Stone ist unruhig. Nervös dreht er sich im Stuhl hin und her. Nach der letzten extrem tiefgründigen Frage – «Your audience isn’t an audience. It’s your guests. How did you did that?» –, herrscht fast peinliche Stimmung im Saal.
Klouser tu de meikrofoun, pliis
Das «Treffen mit den Künstlern» neigt sich langsam dem Ende zu. Beim letzten Gast ist Hannes Hug sprachlich sogar fast ein bisschen überlegen. Der französische Künstler Blo betritt die Bühne. Weitere Gäste verlassen den Saal, bis noch etwa eine Handvoll Personen brav stillsitzt.
Während der Künstler auf Hugs Geheiss malt, weckt der Moderator das Publikum mit CDs auf, die er in die Ränge wirft. Hoffnungsvoll warte ich darauf, dass er mir dieses Quadrat aus Plastik an den Schädel wirft, damit der Spuk endlich vorbei ist. Doch weit gefehlt. Blo hat fertig gemalt, Hannes Hug ist mit seinem Latein am Ende. Und die Gäste mit ihrer Geduld.
Super Idee mit schlechter Umsetzung
Ich finde das «Meet the Artists» weder «förig» noch blöd oder lächerlich. Die Idee dieses Programmpunktes am Blue Balls ist schlichtweg grandios. Die Umsetzung ist jedoch enttäuschend. Als Fan einen kurzen Einblick ins Leben eines Künstlers zu erhalten und anschliessend gleich noch dessen Konzert anzuhören, wer würde schon nicht freiwillig dorthin gehen? Schliesslich werden kostenlose Tickets jeweils vorher unter den Leuten verteilt.
Eine verpasste Chance? Ein Festival, das auf einem solch hohen Niveau internationale Stars nach Luzern holt und dann beim «Meet the Artists» fast laienhaft wirkt. Das müsste nicht sein. Man hat sich im Nachhinein nie wirklich so gefühlt, als hätte man die «Artists» getroffen. Wäre die Umsetzung gelungen, wären nicht nur mehr Gäste im Saal. Ich – und ich wage zu sagen, auch andere – wären sogar bereit, dafür zu zahlen.