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Rammstein-Sänger Till Lindemann gab den martialischen Verführer, das Publikum machte mit (Bild: zvg).
Das Konzert von Rammstein am «Allmend Rockt» war die grösste Rockshow in der Geschichte der Zentralschweiz – und auch die düsterste. Ein Abend mit Sadomaso-Ästhetik, Pyroshows und brachialer Verführung. zentralplus war dabei.
Mit einem Knall und viel Rauch eröffneten Rammstein am Samstagabend auf der Luzerner Allmend ihr Konzert. Eine riesige rote Wolke schwebte über der Bühne langsam in den Himmel. Die ersten schweren Gitarren setzten ein. Zusammen mit dem Pilatus im Hintergrund wäre es ein idyllischer Konzertauftakt gewesen.
Hätte da nicht Sänger Till Lindemann in schwarzer Lederkluft, weiss geschminktem Gesicht und schwarzen Augenrändern auf der Bühne gestanden. Der gleich zu Beginn mit weit aufgerissenen Augen seine Zunge obszön weit aus dem Mund schnalzen liess und das Mikrofon mit Penetrationsbewegungen zu seinem Glied führte. Eine Teufelsgestalt inmitten des romantischen Bergpanoramas. Rammstein waren von Anfang an zu einhundert Prozent da.
Ein Gratis-Konzert für die Nachbarn
Noch wenige Tage zuvor hatte die Stadt Luzern behördlich korrekt in einer Medienmitteilung gewarnt: «Anwohner müssen mit erhöhten Lärmemissionen rund um die Luzerner Allmend rechnen. Laut wird es während den Konzerten am Freitag von 15.30 bis 23 Uhr sowie am Samstag von 13.15 bis 23 Uhr.» Die Angestellten der Stadtverwaltung sollten recht behalten (insgesamt gingen während des Festivals ein Dutzend Lärmklagen bei der Polizei ein).
Rammstein dröhnten am Samstagabend so laut durch die Allmend, dass ein Gespräch mit dem Konzertnachbarn nicht mehr möglich war. So soll ein Rockkonzert sein. Freude ob so vielen Dezibel dürften die Bewohner in den Allmend-Hochhaus-Türmen auf ihren Balkonen gehabt haben: ein Gratis-Konzert auf ihren Gratis-Logen.
Muskelbepacktes Alphatier, unterwürfiges Publikum
Rund 50’000, für ein Festival eher ältere Besucher (Ü30 bis Ü40) kamen am Samstag ans «Allmend Rockt». Wie sich zeigte, waren sie fast alle wegen Rammstein da. Sowohl bei der Band Apocalyptica als auch bei Slayer am Nachmittag war die Stimmung äusserst verhalten. Bei Rammstein änderte sich das schlagartig.
Schon erstaunlich, wie kraftvoll und martialisch die Bühnenpräsenz von Lindemann ist. Ein muskelbepacktes Alphatier, das mit seinem rollenden «R» die Texte in die Köpfe der Konzertbesucher hämmerte. Und die Masse sang ergeben, erstaunlich textsicher und schon fast unterwürfig mit ihm mit: «Die Lanze muss im Fleisch ertrinken, Fisch und Mann zur Tiefe sinken. Wo die schwarze Seele wohnt, ist kein Licht am Horizont.»
Sadomaso-Spiele auf der Bühne
Neben der Musik ist auch die Bühnenshow bei einem Rammstein-Konzert zentral. Mal schossen meterhohe Flammen auf und neben der Bühne in die Höhe, mal feuerte Lindemann, der ausgebildete Pyrotechniker, einen Feuerwerksbogen mit sprühenden Funken ab. Und dann gab es noch die Szene mit Lindemann und Christian Lorenz, dem Keyboarder der Band, der ein Sadomaso-Kostüm mit Halskette und Leine trug. Lindemann packte ihn an der Leine und zog ihn in eine Art Wagen, fuhr mit ihm zur Bühnendecke und sprühte Funken auf ihn.
Rammstein sind schauderhaft und schön, abstossend und verführerisch. «Ich will eure Stimmen hören, ich will die Ruhe stören, ich will, dass ihr mich gut seht, ich will, dass ihr mich versteht, ich will eure Phantasie», forderte Lindemann in «Ich will» vom Publikum. Schaute man sich um, hatte er sie voll und ganz in seinem Bann. Schrecken für die Masse funktioniert auch im Jahr 2016 ganz gut.
«Leider geil»
Am Ende des Konzerts wurde es dann noch richtig intim. Die Band versammelte sich am Bühnenrand und spielte das wundervoll ruhige Stück «Ohne dich». Till Lindemann sang: «Ohne dich kann ich nicht sein. Mit dir bin ich auch allein.» Der Rammstein-Sänger änderte die allerletzten Zeilen ein wenig ab, von «ohne dich» in «ohne euch». Es sollte ein Kompliment ans Publikum sein, das die Band lautstark feierte.
Mit einem «Leider geil. Vielen Dank. Merci» traten Lindemann und die anderen Bandmitglieder nach 90 Minuten von der Bühne, hinab in die Dunkelheit. Weg waren die Teufelsgestalten, vorbei die Reise zur schwarzen Seele. Zurück blieb die Bergidylle.
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