Tschüss Wohnig: Zuger Zwischennutzung macht dicht

«Ich bin froh, dass wir jetzt eine Pause machen können»

Die Terasse vor der Wohnung muss auch wieder weg – sie besteht aber zum Glück aus gemieteten Paletten. Darauf: Patrick Bützer mit Holzkumpel.

(Bild: fam)

Ein knappes Jahr lang konnte man sich in der «Wohnig» austoben – und hat das auch getan. Jetzt geht die Zwischennutzung zu Ende. Deren Urheber, Patrick Bützer, findet das ganz oke. Und hat schon neue Pläne.

Hier wohnt eigentlich keiner. Trotzdem heisst es: «D’ Wohnig». Und so siehts auch aus, im Erdgeschoss des kleinen Nagelhauses hinter dem Zuger Bahnhof. Zumindest im Wohnzimmer steht eine Couch, Lampen, Regal, Terasse, Blumen, Aussicht auf den Parkplatz, Innensicht auf eines der spannendsten Kulturprojekte in Zug in der letzten Zeit. Und jetzt ist bald fertig d’Wohnig. Ende September machen Patrick Bützer und sein Team zum letzten Mal die Türe zu. Schmeissen die begeisterten Co-Worker raus, die sich hier niedergelassen und sowas wie einen urbanen Arbeits-Konspirations-Befruchtungs-Biotop gebildet haben.

«Den Sommer über war die Wohnung sehr belebt», sagt Bützer, «es war eigentlich immer jemand da: Fürs Coworking, aber auch eine Sängergruppe, fürs Qi Gong, Kochen, nächste Woche kommt die Piratenpartei und macht hier digitale Selbstverteidigungskurse. Das passt alles in die Wohnung.» Zug wird etwas unurbaner, wenn die Wohnung verschwindet. Aber das Projekt ist ausgereift und abgeschlossen, einerseits, und andererseits wird das Haus Ende Jahr abgerissen. Deshalb: Schluss, aus, fertig. «Ich bin froh, dass wir jetzt eine Pause machen können», sagt Bützer, «bevor wir etwas neues anfangen.»

Alles planlos und spontan

Die Wohnung war ein voller Erfolg, findet er. «Es war eine unglaubliche Zeit. Was da alles entstanden ist! Und auch weitergehen wird. Es gibt viele kleine Dinge, die hier ihren Anfang genommen haben.» Und ein grosses, nämlich Bützers Kernthema: Vernetzung. Akteure zusammenbringen. Leute, die was tun wollen. Ein Jahr lang hat die Zwischennutzung hinter dem Zuger Bahnhof Projekte und Ideen hervorgebracht. Und Leute versammelt: Bei Kochabenden, Konzerten, Kunstaktionen, Klein-Unternehmer-Events. «Es war immer wieder erstaunlich, wer alles den Weg in die Wohnung gefunden hat», sagt Bützer, «eine ganz breite Schicht von Leuten. Politiker waren da, Kulturschaffende, Konsumenten, Nachbarn.» Alles relativ planlos und spontan, ohne fixe Agenda. Der Monatsplan, den jemand fein säuberlich an die Wand gemalt hat, reicht nur bis März. Klar: Wo viel passiert, verschwindet auch vieles unfertig in der Versenkung. «Das macht überhaupt nichts», sagt Bützer, «es gehört auch ein wenig dazu, dass sowas hier Platz hatte.»

«Man muss einfach immer dranbleiben, dann passiert auch etwas»

Patrick Bützer

Mit den Nachbarn hatte sich die Wohnung gut arrangiert, Beschwerden gabs nur eine. Obwohls auch mal laut wurde, bei Konzerten auf der Terasse. «Da haben uns die Nachbarn im Nachhinein gesagt, sie hätten gar nicht kapiert, dass das Konzert bei uns stattgefunden hatte – sie dachten das wäre am See gewesen.» Zwischen den Bürogebäuden und dem Wohnhaus hineingequetscht ist die Wohnung akustisch so verwirrend, dass aller Schall von überall her reflektiert wird. «Das haben sie schade gefunden  – sie wären sonst gerne auch gekommen.» D’Wohnig zeigt: Es geht in Zug, man kann über längere Zeit einen ganz normalen Raum mitten in der Stadt als Treffpunkt nutzen, als Freiraum und als Kunstprojekt.

Geld verdienen angesagt

«Das Gerede davon, dass es in Zug zu wenige Räume gibt, ist einfach falsch», sagt Bützer. Es gäbe ganz viele Räume, man müsse sie nur aktiv nutzen und etwas damit unternehmen. Ein neues Projekt könnte eine bessere Koordination der bestehenden Räume und leer stehenden Büroräumlichkeiten sein, sagt er. «Nur schon all die Türme in der Altstadt etwa, den Zytturm oder den Pulverturm. Oder die Kirchen: Die City-Kirche macht ja auch sehr coole Sachen», sagt Bützer. «Zum Beispiel den Power-Nap in der Kirche über Mittag.» Für Bützer ist klar: Es gibt noch viele Möglichkeiten zur Zusammenarbeit, und die will er auch ausloten. «Man muss einfach immer dranbleiben, dann passiert auch etwas», sagt er.

Aber jetzt ist erstmal Geld verdienen angesagt – das Engagement für die Wohnung war ehrenamtlich. Die Idee der Wohnung bleibt der Stadt aber erhalten – nicht nur in den Köpfen all derer, die da waren. Sondern auch ganz konkret im «Paettern», der Ausstellungsfläche Bützers für lokale Erzeugnisse direkt beim Bahnhof. «Eigentlich ist das Konzept genau dasselbe wie bei der Wohnig. Einfach hat es hier in der Wohnung besser funktioniert» sagt Bützer. Das Paettern wirke zu fest wie ein Laden. «Das schürt ganz andere Erwartungen bei den Leuten.» Sein nächstes Projekt: Ron Orp Zug aufzubauen (zentralplus berichtete). Und dann weiterschauen. «Es gibt noch viele spannende Leute in Zug», sagt Bützer. «Es ist so eine spezielle Stadt.»

Patrick Bützer mit Holzkumpel vor der Wohnig.

Patrick Bützer mit Holzkumpel vor der Wohnig.

(Bild: fam)

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