Neuer Studiengang

Hochschule Luzern macht Schweizer Filme «grüner»

Licht, Kamera, grosse Teams: Filmproduktionen sind Energiefresser. HSLU-Projektleiter Florian Krautkrämer hat darum einen neuen Studiengang ins Leben gerufen. (Bild: Brands People / Unsplash / HSLU)

Nachhaltigkeit wird in der Filmbranche immer wichtiger. Weil die Schweiz hinterherhinkt, lanciert die Hochschule Luzern eine neue Ausbildung für Green Consultants. zentralplus hat nachgefragt, was deren Job ist.

Viele, die schon einmal den Abspann eines Filmes ganz durchgeschaut haben, fragen sich: «Was machen all diese Leute eigentlich?» Zugegeben, für branchenfremde Naturen mögen all die Posten wie Gaffer, Grip, Best Boy und dergleichen verwirrlich wirken – und ehrlicherweise blickt auch der Autor, der sich selbst in dieser Szene bewegt, nicht überall durch.

Aber eines kann man glauben: Keiner von diesen Filmschaffenden steht nur tatenlos rum. Im Zuge der immer wichtiger werdenden Nachhaltigkeit treibt die Hochschule Luzern (HSLU) nun ein weiteres Berufsfeld voran: die Green Consultants.

Filme sind Energieschleudern

Die Filmindustrie ist ein energieintensiver Sektor. In Los Angeles war sie 2016 beispielsweise die Industrie mit dem höchsten Ausstoss an CO2, wie die Hochschule Luzern in einer Mitteilung schreibt. Denn oft sind Hunderte Personen nur schon bei den teils über Wochen und Monate andauernden Dreharbeiten beschäftigt (zentralplus berichtete).

Diese müssen an die verschiedenen Drehorte transportiert werden, dazu kommt noch lastwagenweise Material. Von Strom für Kameraequipment, Beleuchtung und andere Gerätschaften ganz zu schweigen. Auch in der Vorbereitung und der Postproduktion, also der Nachbearbeitung, sind Filme wahre Energiefresser.

Energie kostet auch das Abspielen: Das Streaming einer populären Netflix-Serie kann an zehn Tagen allein in den USA so viel Energie verbrauchen wie Ruanda in einem Jahr, so die Zahlen der HSLU weiter. Darum setzt sich die europäische Filmindustrie seit ein paar Jahren stärker dafür ein, den Energieverbrauch von Filmproduktionen zu senken.

Der Einsatzbereich eines Green Consultant

Damit diese Massnahmen in einem so komplexen Umfeld wie einer Filmproduktion auch sachgerecht umgesetzt werden können, gibt es neuerdings Green Consultants. Diese beraten die Produktion bei der Vorbereitung, sind auf dem Set dabei und stehen auch im Anschluss für die Postproduktion zur Verfügung. Ein Vorreiter in der Ausbildung dieser Consultants – zu Deutsch: Berater – ist die HSLU.

«Ein Green Consultant soll die Produktion in allen Bereichen unterstützen und nicht aufhalten.»

Florian Krautkrämer, Programmleiter der HSLU

Was konkret macht ein Green Consultant? Programmleiter Florian Krautkrämer von der HSLU erläutert: «Sie stellen sicher, dass die ganze Produktion eines Filmes ökologischen Standards entspricht und der CO2-Abdruck gesenkt wird.»

Das reicht von der Planung der Unterkünfte und Transportwege – einer der Hauptfaktoren im Energieverbrauch eines Filmdrehs – bis zur Vermeidung von Einweggeschirr beim Catering und der Verwendung von recyclebaren Materialien beim Kulissenbau.

Die Schweiz hinkt (noch) hinterher

«Ein Green Consultant soll die Produktion in allen Bereichen unterstützen und nicht aufhalten», stellt Krautkrämer klar. Es geht nicht darum, den Dreh zu unterbrechen, weil eine Lampe zu viel im Einsatz ist, sondern darum, bereits im Vorfeld allfällige Faktoren zu erkennen und zu beachten. Beispielsweise, ob neue energiesparende Lampen auf dem Markt sind, oder welche Autovermietung Elektroautos für den Transport anbietet.

«Deutschland ist in dem Bereich weiter als die Schweiz.»

Das braucht ziemlich viel Fachwissen und bringt viel Verantwortung für eine Person mit sich. «Man muss nicht in allen Bereichen ein Spezialist sein», erklärt Krautkrämer. «Die Consultants sollen einfach wissen, worauf sie achten müssen, welche Faktoren relevant sind und wie und wo sie an die nötigen Informationen herankommen.»

Ausserdem sollen sie Buch führen. Während der gesamten Produktion sammeln sie alle nötigen Daten, damit später nachvollzogen werden kann, wie sich die CO2-Werte über die Jahre verändert haben. Eine Praxis, die in der Schweiz noch nicht lange Usus ist.

«Deutschland ist in dem Bereich weiter als die Schweiz», bestätigt Florian Krautkrämer, der bei der deutschen Filmförderung gearbeitet hat und da schon mit der Thematik in Berührung kam. «Darum wollte ich einen solchen Studiengang auch in Luzern anbieten», so der Professor für Design und Kunst. Mit dem Angebot hat die HSLU eine Premiere im Programm: «Wir sind schweizweit die Ersten, die eine zertifizierte Ausbildung in dem Bereich anbieten.»

Green Consultants gibt’s ab Juni

Der neue Studiengang CAS Green Consultant der HSLU, der ab Juni 2022 angeboten wird, dauert rund 12 Tage und verteilt sich auf ein halbes Jahr. Primär richtet er sich an Filmschaffende, die bereits Set-Erfahrung haben und sich nun weiterentwickeln möchten.

Aber auch Neulinge sind willkommen, vorausgesetzt, sie bringen themenverwandte Erfahrungen mit sich. «Beispielsweise Leute aus der Eventbranche, der Kinobranche oder auch einfach solche, die sich für Nachhaltigkeit interessieren.»

Die Studentinnen erwartet eine generelle Einführung in die verschiedenen Teilbereiche einer Filmproduktion und eine Vertiefung in die einzelnen Departements wie Kamera, Kostüm oder Catering. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Bedienen von sogenannten CO2-Rechnern. Diese dienen dazu, im Vorfeld Emissionen zu errechnen, die dann im Nachgang überprüft und analysiert werden.

Ein zeitgenössisches Bedürfnis

Krautkrämer freut sich auf die Lancierung «seines» Studiengangs. Zumal sich die Schweizer Filmbranche zwar noch langsam, aber doch stetig dem Thema annähert. «Seit rund zwei Jahren kommen beim Schweizer ‹Tatort› CO2-Rechner zum Einsatz.» Künftig soll dank der Ausbildung vermehrt auf die Nachhaltigkeit von Filmproduktionen im europäischen Raum eingegangen werden.

Somit reagiert die Filmbranche auf ein weiteres zeitgenössisches Bedürfnis. Vor einigen Jahren hat die Branche im Zuge der #MeToo-Debatte die Position des «Intimacy Coordinators» gestärkt.

Diese Person stellt am Filmset sicher, dass sich die Schauspielerinnen und Schauspieler beim Dreh einer Sex- oder Liebesszene wohlfühlen. Eine solche Ausbildung wird die HSLU in naher Zukunft zwar nicht anbieten, Krautkrämer kann sich aber vorstellen, das Green-Consultant-Programm bei Erfolg auszubauen. «Beispielsweise in die Bereiche Green Management oder Green Cinemas.»

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Florian Krautkrämer, Projektleiter HSLU
  • Medienmitteilung der Hochschule Luzern vom 19. November 2021
  • Website der HSLU
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