Serie Kulturräume auf dem Land: Stadtcafé Sursee

Hier erhält die Kultur ein Schaufenster mitten im Städtli

Früher für die grosse Fensterfront getadelt, heute Charaktermerkmal des Stadtcafés.

(Bild: zvg)

Es wird gelacht, getrunken und geplaudert – und die Augen der Gäste sind eben auch auf die Aktivitäten von Kulturschaffenden gerichtet. Das Stadtcafé Sursee versteht sich seit Jahren als Plattform für Kleinkunst. Auch die Prominenz lässt sich ab und an blicken. Und kürzlich wurde das Lokal gar ausgezeichnet.

Niederschwellig und transparent: Das Stadtcafé Sursee ist ein Ort, an dem Gastronomie und Kultur ineinander fliessen. Wir befinden uns mitten auf dem Surseer Rathausplatz. Das Café ist geprägt von der hohen Fensterfront, die vor zwei Jahrzehnten noch als Schaufenster für Damenkleider im ehemaligen Modehaus diente. Der Gast befindet sich zugleich drinnen und draussen – denn während er in der Wärme vor einer Tasse Espresso sitzt, schweift sein Blick durch die Fensterfront und nimmt die Geschehnisse im Städtli wahr.

«Das Stadtcafé ist mein Juwel», sagt Ursula Koller (48), die gemeinsam mit Stefan Bättig Pächterin ist. Sie habe zwei Kinder, doch das Lokal sei zweifelsohne auch «ihr Baby».

Ein Auftrag und eine Herzenssache

Rund 300 kulturelle Veranstaltungen fanden bis anhin im Stadtcafé statt. Namhafte Persönlichkeiten wie Emil Steinberger, Mike Müller, Stefan Gubser und Franz Hohler traten bereits auf. «Es ist die Charaktereigenschaft der Kleinkunst, die gerade Emil so angesprochen hat», sagt Tom Giger, der Kulturkoordinator. Aber auch weniger bekannte Künstler finden im Stadtcafé eine Plattform. In den letzten 18 Jahren hat sich der Ort zu einem Kulturcafé der Region gemausert. Eine breite Palette an kulturellen Veranstaltungen findet hier Platz: Comedy, Vernissagen, Konzerte und Gespräche.

«Es ist wichtig, der Kultur Raum zu geben, sie zu fördern und mitzugestalten.»

Tom Giger, Kulturkoordinator des Stadtcafés Sursee

Das Stadtcafé sei ein Gastronomiebetrieb, der sich als aktive kulturelle Plattform verstehe, so Tom Giger. Kulturelle Veranstaltungen durchführen zu können, sei äusserst aufwendig und teuer – damit hole man kein Geld ein. Denn im besten Fall sei es ein Nullsummenspiel. Bis zu 25’000 Franken stellt das Café jährlich für kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung.

«Es ist wichtig, der Kultur Raum zu geben, sie zu fördern und mitzugestalten», meint Tom Giger, der seit rund 15 Jahren das Veranstaltungsprogramm verantwortet. Das Café wolle einem Kulturauftrag nachgehen. Und dies sei eine anspruchsvolle Aufgabe, aber eben auch eine Herzensangelegenheit des Stadtcafés.

Das Stadtcafé wurde vom Heimatschutz als eines der 50 schönsten Cafés der Schweiz ausgewählt. Und am 1. Januar durfte es den Kulturpreis der Stadt Sursee empfangen.

Tom Giger, der Kulturkordinatoor und Ursula Koller, die Pächterin des Stadtcafé Sursee.

Tom Giger, der Kulturkoordinator, und Ursula Koller, die Pächterin des Stadtcafés Sursee.

(Bild: ida)

Niedrige Hemmschwelle

Gibt es Unterschiede, die Ursula Koller und Tom Giger zwischen Kultur auf dem Land und in der Stadt wahrnehmen? «Bei uns auf dem Land spürt man schon eine gewisse Nähe, eine Intimität zwischen Künstler und Publikum», sagt der 52-jährige Tom Giger.

Und Ursula Koller erzählt, dass die Hemmschwelle für den Austausch untereinander tiefer sei, weil das Stadtcafé hauptsächlich ein Gastronomiebetrieb ist. Nach dem Auftritt eines Künstlers stehe dieser selbst an der Bar und trinke sein Bier. Gäste können offene Gespräche mit den Künstlern führen. «Man merkt es schon, dass die Leute miteinander zu reden beginnen.»

«Kulturelle Veranstaltungen werden auf dem Land mehr geschätzt, weil man hier weniger angebotsverwöhnt ist.»

Ursula Koller, Pächterin des Stadtcafés

«Das Publikum untereinander ist bestimmt auch ein wenig vertrauter», so Giger. Dafür sei man auf dem kleinstädtischen Land kritischer beim Eintrittspreis. Geld werde auf dem Land etwas weniger schnell ausgegeben. Einem Eintritt in Höhe von 30 Franken stehe man auf dem Land zurückhaltender gegenüber als in der Stadt.

Jedoch seien ihre Gäste besonders eines: dankbar. «Kulturelle Veranstaltungen werden auf dem Land mehr geschätzt, weil man hier weniger angebotsverwöhnt ist», meint Ursula Koller.

Serie: Kultur abseits der Stadt

In einer Serie stellt zentralplus Luzerner Kulturräume vor, die von Städtern oft links liegengelassen werden. Zu Unrecht, denn die Kultur auf dem Land ist lebendig, vielfältig und findet an charmanten Orten statt.

Die nächsten drei Veranstaltungen im Stadtcafé Sursee: Samstag, 21. April: Konzert mit «Langue Erotique». Bis zum Sonntag, 8. April, gibt es die Ausstellung «G-Sicht» von Pius Galliker zu sehen. Vom 16. April bis 27. Mai zeigt die Luzerner Bildhauerin Irène Fröhlich-Wiener ihre Werke im Stadtcafé.

Ansonsten gibt es keine markanten Unterschiede: «Sursee selbst hat eine städtische Ader», sagt Koller. Auch durch die offene Fensterfront, die durch den ehemaligen Kleiderladen gegeben sei, habe man ein städtisches Ambiente erschaffen können. Einst für die Schaufenster getadelt worden – sprach man gar von einem «Aquarium» –, heute als Charaktermerkmal wohl kaum mehr wegzudenken.

Vom Kleiderladen zum (Kultur-)Café

Wo heute Bier gezapft, Kaffee getrunken und geplaudert wird, wurden früher Damenkleider anprobiert und verkauft. Kurt Heimann führte am Rathausplatz 13 sein Modehaus. Bis er etwas Neues wollte – und die Idee eines Buch-Cafés in seinem Kopf umherschwirrten. Auch Wetz’ Wesen trieb es ins Stadtcafé. Als Provisorium nutzte er drei Monate lang das Lokal, um seine Kunst ausstellen zu können und nebenbei ein provisorisches Café zu führen.

Jazzige Klänge inmitten des Städtlis in Sursee.

Jazzige Klänge inmitten des Städtlis in Sursee.

(Bild: zvg)

Als der Vermieter Kurt Heimann realisierte, dass dieses Konzept Früchte trägt, suchte er neue Pächter, die dieses Projekt realisierten. So wurde Ursula Koller angeschrieben, die damals auf Weltreise in Vietnam war. Zuerst habe sie die Anfrage abgelehnt, denn Koller arbeitete in Marketing und Verkauf bei Calida. Sie sei selbst überrascht, dass sie den Schritt als Gastro-Quereinsteiger doch noch gewagt habe. «Mein erstes Bier habe ich am Tag der Eröffnung gezapft», gibt sie heute lachend zu.

«Leute lassen sich auf dem Land von Dingen begeistern, die man an grösseren Orten vielleicht schon kennt.»

Ursula Koller

Das Stadtcafé sei in einem spannenden Moment – nämlich um die Jahrtausendwende – eröffnet worden. «Es war zu der Zeit, als die Leute an die Bar kamen und einen ‹Latta Maccinata – oder wie heisst das?› bestellten.» Und genau das war der Vorteil: «Leute lassen sich von Dingen begeistern, die man an grösseren Orten vielleicht schon kennt», sagt Ursula Koller.

Nur ein Wermutstropfen bleibt …

Ein bunt gemischtes Publikum geht im Lokal ein und aus. Dennoch gäbe es ein paar treue Seelen. Sowohl im Gastrobetrieb als auch bei den kulturellen Veranstaltungen zählt das Stadtcafé jeweils viele Stammgäste: «Wir wissen genau, der seinen Kaffee ohne Zucker will und die nebenan mit zwei Rahm.»

Nur ein Wermutstropfen bleibt: Leute vom Land wie auch Städter gehen im Lokal ein und aus. Dennoch sei es schwieriger, Leute aus der Stadt anzulocken. Denn in der Stadt gäbe es ein noch grösseres Kulturangebot und viele würden sich die Frage stellen, weshalb man nun die weite Fahrt aufs Land in Kauf nehmen müsse. Im Stadtcafé Sursee finde man die Antwort darauf, meinen Ursula Koller und Tom Giger.

Das Stadtcafé auf dem Surseer Rathausplatz.

Das Stadtcafé auf dem Surseer Rathausplatz.

(Bild: ida)

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