Headbangende Musiker – in Nostalgie verfallene Besucher im Luzerner Sedel
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«Intoxika» rockten munter drauflos.
(Bild: Susanna Stalder)21 Bands öffneten am Samstagabend ihre Zellen im Luzerner Sedel, dem ehemaligen Gefängnis. Die Konzerte fanden gleichzeitig auf allen Etagen statt. Musiker headbangten, der Sedel verwandelte sich in ein dröhnendes, brummendes und vibrierendes Gebäude.
Düster wie eine trutzige Mittelalterburg empfing einen der Sedel in früheren Zeiten. Von Punk und Rebellion beherrscht, die hungrigen Musikpilger saugte er in seinen Schlund, kaute sie durch und spuckte sie gewöhnlich frühmorgens ausgelaugt wieder aus. Zugegeben, es handelt sich hierbei auch um eine nostalgische Erinnerung.
Feuer spuckender Rock ‹n› Roller
Die Zellenkonzerte fanden gleichzeitig auf allen Etagen statt, vor teilweise sehr kleinen und überschaubaren, aber fasziniert zuhörenden Interessengruppen. Im dritten Stock «rock ’n› rollte» ein bärtiger Gitarrist, zog das Publikum in seinen Bann. Er schien Feuer und Wut zu spucken.
Gleich nach dem Eingang, im ersten Stock, lieferten sich die zwei Blondköpfe von «Intoxika» ein gegenseitiges musikalisches Duell. Ein zügiger und eingängiger Rock. Einen Stock weiter oben tobten sich vier Mannen älteren Jahrgangs aus, sauber gespielter Hard-Rock mit vollem Elan – als stünden sie vor einem tausendköpfigen Publikum und nicht vor drei Nasen.
Bei «So what» gab der Sänger alles, sein Kumpel mit durchtrainiertem Rücken bearbeitete das Schlagzeug mit Blick zum See. Es könnte aber auch eine andere Band gewesen sein, das Programm erschloss sich einem nicht von alleine.
Halbe Anteilnahme, halber Mond
In ein paar Zellen war an ein Durchkommen nicht zu denken. Es dröhnte, brummte und heulte aus allen Ecken. «Geheadbangt» wurde von Seiten der Musiker auf Teufel komm raus. Die Schlange parkierter Autos schien ihre Mannschaft jedoch mirakulös anderswo ausgespuckt zu haben: Die mickrige Anzahl Sedelgänger stand noch um 23 Uhr in gewohnter Manier, grösstenteils eher gelangweilt, in den düsteren Gängen herum.
Mit der hierzulande gewohnten «Hände-im-Hosensack-Attitude» nuckelte man an Vollmondbieren. Der höchste Ausdruck von Enthusiasmus ob des Gehörten äusserte sich in verhaltenem Kopfnicken, Kniewippen oder Fussklopfen. Selbst der Mond schaute nur halb vom Himmel, um dem Bier die Kraft zu rauben.
Verhaltene Stimmung
Die Künstler gaben ihr Bestes. Anders die Besucher, die eher verhalten waren. Eine Stimmung wollte nicht so richtig aufkommen. Dies lag wohl auch daran, dass sich die Konzerte über mehrere Korridore und Geschosse verteilten. Vielleicht warteten die Ausgänger auch einfach nur die Sperrstunde ab, um zu Konserven statt Lokalbands abzugehen.
Vermutlich schmissen die Schweine und Kühe im benachbarten Stall eine wirklich wilde Party und tanzten zu den brummenden Klängen aus dem Gefängnis – der heraufgewehte Geruch liess zumindest darauf schliessen –, bis zumindest dort der Schweiss von der Decke tropfte.
Weitere Einblicke in das Proberaumfestival erhalten Sie in der Bildergalerie:
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Stilleben einer musikalisch belebten Gefängniszelle. (Bild: Susanna Stalder)
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Die Quotenregelung scheint im Sedel nicht angekommen zu sein. (Bild: Susanna Stalder)
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Ganz oben heizte der Feuermeister tüchtig ein. (Bild: Susanna Stalder)
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Auch ältere Jahrgänge rockten voll drauflos. (Bild: Susanna Stalder)
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Auch ein Rücken kann entzücken. (Bild: Susanna Stalder)
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Röhren, was das Zeug hält. (Bild: Susanna Stalder)
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