Arno Camenisch gastierte in der Zuger Shedhalle

Geschichten, zu absurd für das Leben

Schlagzeuger Julian Sartorius unterstützt den Autoren Arno Camenisch bei seinem Auftritt.

(Bild: keg)

Arno Camenisch las und performte in der Shedhalle in Zug aus seinem neuen Band «Die Launen des Alltags». Mit Perkussionist Julian Satorius wurde dies zu einem rhythmischen Roadtrip durch Liebesabenteuer. Leider blieben die Geschichten an diesem Donnerstag zu oft in der Ironie stecken.

Das Spannendste seien die Anfänge und die Enden, alles dazwischen müsse man aushalten. Das zeigt der Bündner Dichter und Mundart-Poet Arno Camenisch mit seiner neuen Geschichtensammlung am Donnerstagabend in Zug. «Die Launen des Alltags», so das feine Büchlein, versammelt Kurzgeschichten von der Liebe, wie sie bei abenteuerlichen Vespafahrten anfangen und ebenso stürmisch unter Balkonen enden. Wie sie einen plötzlich packen und rasch wieder fallen lassen. Dazwischen: viele Pannen und Verwirrungen.

Dass bei Camenisch die Geschichten auf der Strasse liegen, dass man sie nur finden und nicht erfinden müsse, wie er sagt, zeigen die vielen Unfälle und Zufälle – es fällt eben so, wie es fällt. Und das ist meist, was einem am Ende niemand glaubt, dass sich etwa der Zug verfahren hat oder ein Mann einem Dieb hilft, den eigenen Fernseher zu stehlen.

Mit Leichtigkeit, viel Rhythmus und Bündner Charme bezaubert Camenisch die gut gefüllte Shedhalle. Julian Sartorius schafft dazu den entsprechenden Klangraum, ob mit feinem Xylophon zu den Liebeserklärungen, heftigen Trommeln zu Reiserouten oder hohlen Geräuschen zu den vielen unverhofften Einbrüchen des Schicksals.

Meister der Formen und Variation

«Dass es am lustigsten in der Muttersprache ist», bekommt das Publikum ebenso vorgeführt. Camenisch liest neben Deutsch nicht nur auf Romanisch, sondern auch auf Französisch, ab und zu gemischt. Er zeigt dabei, dass er ein Meister der Formen und der Variation ist. Es gibt nicht nur Geschichten, sondern auch gereimte Hintergrundinfos, Spoken-Word-Texte und Gedichte, oft fast gerappt.

«Man zündet sich am besten eine Zigi an, wartet ab und schaut, was passiert.»

Camenischs Geschichten sind kurze Boxenstops auf einem Parcours von kleinen Schicksalen und Umwegen. Sie zeigen, dass das eine immer zum anderen führt und alles irgendwie in Verbindung steht. Er dreht und wendet die Worte und Bilder, und dabei die Ansichten, von denen es immer mindestens zwei gibt.

So etwa der Mann mit seinen zwei Passionen: dem Sammeln von Heiligenstatuen und Kruzifixen – und Pornofilmen, die aber nur geschaut werden können, wenn die Heiligenstatuen verdeckt und die Kruzifixe abgehängt sind. Oder das ehemalige Puff mit Pariser Charme, das mittlerweile auch Lesungen veranstaltet und von wo es den Erzähler zum abgebrochenen Auspuff führt, der den Heimweg auf der Autobahn beendet.

Dann, rät Camenisch, zündet man sich am besten eine Zigi an, wartet ab und schaut, was passiert. Bestenfalls läuft einem ein heimliches Bond-Girl über den Weg, knackt das Auto auf, wo man die Schlüssel eingesperrt hat und rettet einen aus der Panne.

Jede Geschichte von Arno Camenisch endet mit einem Paukenschlag.

Jede Geschichte von Arno Camenisch endet mit einem Paukenschlag.

(Bild: keg)

Cliffhanger und Phrasen

Arno Camenisch skizziert Kreisläufe, von Anfängen zu den Enden und wieder zurück, und zeigt, wie das Leben spielt und dass es eben nicht so bequem ist wie das Sofa. An Cliffhangern und Phrasen zeigt der Bündner so, wie vieldeutig Sprache sein kann.

Seine unglaublichen Geschichten scheinen fast zu absurd für das Leben. Daran scheitert Camenisch letztlich auch.

Seine kurzen Texte erzählen von unglaublichen Geschichten, die fast zu absurd für das Leben scheinen. Daran scheitert Camenisch letztlich aber auch, denn jede Geschichte endet mit einem Paukenschlag in Comedyformat und hebt sich damit selbst wieder auf. Es wird gelacht, auf die Schenkel geklopft und weitergegangen.

Buchhinweis

Arno Camenisch: «Die Launen des Tages» – Geschichten von unterwegs, Engeler-Verlag, 2016, 96 Seiten

Hängen bleiben die Bilder – etwa ein nervöser Verliebter, der angetrunken auf eine Kreiselmitte fährt und einen Unfall verursacht, für den aber ein anderer in die Mangel genommen wird, da es zu unrealistisch ist – doch sie bleiben in ihrer Ironie stecken und reichen nicht über die Situationskomik hinaus. Das ist schade, denn kräftig sind sie allemal. Doch leider sind die Geschichten zu sehr auf den Stammtischkommentar des Erzählers angelegt, dass etwa die Nacktwanderer in Appenzell etwa «scho nid ganz butzt» seien. Damit schrammt Camenisch immer wieder an der Grenze zur Plattitüde entlang.

Ein unterhaltsamer Abend in der Shedhalle ist es dennoch. Sartorius’ Perkussionseinlagen geben den Geschichten Tempo und Lebendigkeit. Und Camenisch gelingt mit Schalk und Witz ein gekonnter Transfer seiner Geschichten nach Zug, wo all die Pannen des Alltags auch passieren könnten.

Sartorius’ Perkussionseinlagen geben den Geschichten von Camenisch Tempo und Lebendigkeit.

Sartorius’ Perkussionseinlagen geben den Geschichten von Camenisch Tempo und Lebendigkeit.

(Bild: keg)

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