Luzerner Musiker Tizian von Arx ist doppelt zurück

Gegen den biederen Beigeschmack im Schweizer Pop

«Im Minimum ein Augenzwinkern»: Sänger Tizian von Arx.

(Bild: jwy)

Er sorgte für sarkastischen Pop, scharfen Rock und tanzbare Konzerte – dann wurde es ruhig. Jetzt ist Sänger Tizian von Arx zurück, und das doppelt: Mit One Lucky Sperm hat er ein neues Album am Start. Und mit 7 Dollar Taxi schleift er an neuen Songs.

7 Dollar Taxi: Das ist die Band, die vor 15 Jahren dafür sorgte, dass das grosse Revival der Gitarrenbands auch in Luzern ankam. Sie mussten sich hinter den damals tonangebenden Franz Ferdinand oder The Strokes nicht verstecken.

Ihre kurzen Songs waren frischer, tanzbarer und heisser als der Rest, die Liveshows der «Taxis» waren scharf, präzise und von fesselnder Energie. «Do the Robot» ist immer noch einer der besten Songs, den Rock-Luzern bis dato zu bieten hat. Das «Magazin» des «Tages-Anzeiger» meinte einmal: «7 Dollar Taxi klingt wie Franz Ferdinand, nur besser.»

Mit ihrem zweiten Album war 2012 der Sprung nach England zum Greifen nah, scheiterte aber nach zermürbenden Verhandlungen und falschen Versprechen doch noch. Doch es tat dem Erfolg der vier «Lieblingskids», wie sie genannt wurden, keinen Abbruch.

Der Kopf von 7 Dollar Taxi ist Tizian von Arx. Um den 31-jährigen Frontmann wurde es in den letzten Jahren ruhig. Doch jetzt ist er zurück. Nach vier Jahren Arbeit veröffentlicht er das zweite Album seiner Soloband One Lucky Sperm. Und er liefert den Pophit, auf den die Leuchtenstadt lange gewartet hat. Auch mit 7 Dollar Taxi ist er zurück im Studio für das vierte Album. Zeit für ein paar Fragen.

zentralplus: Tizian von Arx, Sie waren von der Bildfläche verschwunden in den letzten Jahren. Stimmt der Eindruck?

Tizian von Arx: Ja, ich habe viel mit anderen Bands im Studio gearbeitet. Das ist ein Job, der mir extrem Spass macht. Nebenher hatte ich vier Knieoperationen, Beziehungen gingen auseinander und die Jahre sind irgendwie extrem schnell vorübergegangen. 2014 haben wir mit 7 Dollar Taxi das letzte Album herausgegeben und danach viel gespielt. Aber 2016 und 2017 kam viel anderes dazwischen.

zentralplus: Musik haben Sie aber immer gemacht?

von Arx: Ja, doch eigene Musik zu machen, ist viel anstrengender, als fremde Musik zu produzieren. Der kreative Prozess ist zu 100 Prozent von dir abhängig, das muss man durchziehen können.

«Wir haben immer noch keinen Stil, aber doch einen roten Faden.»

zentralplus: Es ist viel passiert: Das klingt nach Material für neue Songs.

von Arx: Das ist definitiv so (lacht). Jetzt mache ich dafür nur Musik und erlebe nichts. Dann braucht es irgendwann wieder die Zeit, in der ich etwas erlebe.

zentralplus: Nun sind Sie zurück mit dem zweiten Album von One Lucky Sperm. Ist Ihr Soloprojekt Ihr Tummelfeld?

von Arx: Ja, es gibt bei diesem Projekt keinen Sound, den ich nicht brauchen kann, kein Sample, das nicht funktioniert. Wobei das erste Album mehr Stileinflüsse hatte und noch chaotischer war. Jetzt haben wir uns zwar immer noch nicht auf einen Stil festgelegt, aber doch einen roten Faden durchs Album.

Das neue Album

«Cream Fresh» von One Lucky Sperm erscheint am Freitag, 13. April. Plattentaufe: Mi, 9. Mai, Schüür Luzern.

One Lucky Sperm sind: Tizian von Arx (Vocals, Gitarre, Bass, Ukulele, Keys), Ralph Zöllig (Keys), Jwan Steiner (Drums, Percussion) 

zentralplus: Apropos «wir»: Sie haben mit Ralph Zöllig und Jwan Steiner für One Lucky Sperm nun eine feste Band am Start. Warum?

von Arx: Ich wollte nicht mehr der Solomusiker mit beliebigen Musikern sein. Das ist für die neuen Songs auch nötig, wenn wir sie live spielen wollen. Jeder von uns spielt im Minimum vier Sachen, das bekommst du mit zwei Proben vor dem Konzert nicht auf die Reihe. Wenn nun jemand krank ist, fällt der Gig aus. Das ist mir viel sympathischer, wir sind jetzt mehr eine Familie. Aber beide haben schon vorher mitgespielt.

zentralplus: Man hat immer noch das Bild von Ihnen mit der Ukulele im Kopf, trifft das noch zu?

von Arx: Ukulele spiele ich immer noch in einigen Songs, aber es steht nicht mehr so im Vordergrund. Eigentlich ist es ein doofes Instrument, eher ein Gimmick. Wenn man damit Krach macht, ist es lustig. Zudem sieht es witzig aus.

«Es muss frisch sein»: One Lucky Sperm mit Jwan Steiner (links), Tizian von Arx (Mitte) und Ralph Zöllig.

«Es muss frisch sein»: One Lucky Sperm mit Jwan Steiner (links), Tizian von Arx (Mitte) und Ralph Zöllig.

(Bild: zvg/Marco Sieber)

zentralplus: Mein erster Gedanke bei der neuen Scheibe: eine Sommerplatte. «Summer», «Sun» und «Mood» in den Liedtiteln zeugen davon.

von Arx: Stimmt. Das sind halt Poptitel. Es ist schwierig, Titel zu finden, die es nicht schon gibt. Das ist auch nicht mein Anspruch. Gewisse Songs wurden auch in grauen Regenzeiten geschrieben, ich habe kein objektives Gefühl bei den Songs. Bei mir lösen sie etwas ganz anderes aus – es hat auch dunklere Songs drauf wie «Kookie Baker», den ich mit Rapper Pablo Vögtli eingespielt habe, einem guten Kollegen von mir. Im Vergleich mit ihm muss man sich nochmals mehr Mühe geben, damit man nicht schwach tönt (lacht). Dieser Typ hat zu viel Energie vor dem Mikrofon.

«Ich stehe dazu: Wir machen Pop.»

zentralplus: Sie gehen ernsthaft an die Musik, aber die Songs haben immer Ironie und Witz. Ein Widerspruch?

von Arx: Es ist im Minimum ein Augenzwinkern drin, in jedem Song. Ich kann keine 100 Prozent ernsten Songs schreiben, das kapiere ich nicht (lacht). Ich nehme meine Arbeit ernst, aber mich selber nicht allzu sehr. Es hat in den Texten überall ironische und sarkastische Stellen. Teilweise auch tiefgreifende oder banale Sachen, ich sehe da keine Grenze. Es muss einfach etwas Frisches haben.

zentralplus: Wieso sagt kaum einer in Luzern: Ich mache Pop?

von Arx: Das wollte schon vor 15 Jahren niemand, aber ich stehe dazu: Wir machen Pop. In der Schweiz hat Pop einen biederen Beigeschmack. Man denkt sofort an 77 Bombay Street oder Marc Sway. Das ist alles so flachgefräst und permanent ist die Handbremse angezogen. Ich finde es spannender, wenn man seine Grenzen auslotet und überschreitet, anstatt ein möglichst breites Publikum zu erreichen.

zentralplus: Aber Sie wollen ja sicher auch viele Leute erreichen?

von Arx: Pop kommt von populär, vom Volk. Er definiert sich dadurch, dass man viele Leute erreichen kann. Aber wenn man es zu fest versucht, wirkt es oft plump, das will ich nicht.

«Jetzt mache ich gerade Musik und erlebe nichts», sagt Sänger Tizian von Arx.

«Jetzt mache ich gerade Musik und erlebe nichts», sagt Sänger Tizian von Arx.

(Bild: jwy)

zentralplus: Den Radios scheint die Vorabsingle «20-Hour Flight» zu gefallen.

von Arx: Ja, sie wird oft gespielt, seit Ende Januar haben wir täglich Airplay auf SRF 3, das tut gut und es ist heutzutage eine der wenigen Einkommensquelle, denn es ist schwierig geworden, an Konzerte mit schönen Gagen zu kommen. Und ich habe das erste Mal in meinem Leben Airplay auf Radio Pilatus und Sunshine, das finde ich krass.

zentralplus: Auch das Video sieht nach viel Spass aus.

von Arx: Das war eine harte Übung, weil wir mega Zeitdruck hatten. Unsere erste Idee war ein Video im Flugzeug im Verkehrshaus. Die fand Regisseur Luzius Wespe schlecht. Er wollte schon immer mal ein Tanzvideo machen, also liessen wir ihm diesen Freiraum. Wir organisierten Tänzerinnen, übten mit Raphaela Zurkinden, die eine Tanzschule hat, eine Choreo ein und nähten die Kostüme.

Wir haben an drei Locations gedreht und waren etwa 30 Leute vor Ort: Drohnenflieger, Kameraleute, Regisseur, Produzent, Schminkerinnen … ein Riesenaufwand, aber ich bin sehr zufrieden. Es gebe keinen Moment, in dem man sich fremdschämen müsse, sagte Pablo Vögtli (lacht).

Hier das Video zu «20-Hour Flight»:

 

zentralplus: Kommen junge Leute eigentlich noch an Konzerte mit Gitarre und Gesang?

von Arx: Im Moment ist es mega schwierig, Konzerte an Land zu ziehen. Vor 15 Jahren gab es noch regelmässig Abende, an denen vier Bands spielten. Und jeder in meinem Umfeld hatte eine Band. Aber vielleicht haben wir den Tiefpunkt erreicht und es geht wieder aufwärts. Denn der Hauptgrund, wieso wir Musik machen, sind die Konzerte. Wir proben unser Liveset seit Oktober.

zentralplus: Hilft Ihr Ruf als Rampensau?

von Arx: In Luzern vielleicht, aber wenn du ein paar Jahre nicht mehr so unterwegs warst, musst du von vorne anfangen. Aber es hat sicher Vorteile. Ich glaube nicht, dass SRF 3 uns ins Programm genommen hätte ohne den Namen 7 Dollar Taxi.

«Mehr Punk – und grosse Rockgesten.»

zentralplus: Mit 7 Dollar Taxi sind Sie jetzt auch wieder im Studio?

von Arx: Wir sind am Proben und Arrangieren für die zweite Hälfte des Albums, die wir im Sommer aufnehmen. Die erste Hälfte haben wir bereits eingespielt. Dann dauert es wohl nochmals ein Jahr, bis es herauskommt, Sommer oder Herbst 2019.

zentralplus: Was darf man erwarten?

von Arx: Wir möchten einen Kontrast zu One Lucky Sperm setzen, indem wir mehr rocken, mit mehr verzerrten Gitarren. Wir haben bei den letzten beiden Alben wohl den einen oder anderen Song in ein Radiogwändli gekleidet. Nun wollen wir einfach gute Rockmusik spielen, die vor allem live funktioniert. Wir haben auch das erste Mal das meiste komplett live eingespielt.

zentralplus: Back to the Roots also?

von Arx: Ja, mehr Punk – und grosse Rockgesten.

zentralplus: Ist es befreiend, wenn man nicht mehr den grossen Durchbruch anstrebt?

von Arx: Wir wissen jetzt, was es dazu braucht. Wenn du nicht mega Glück hast und zur richtigen Zeit am richtigen Ort bist, dann musst du richtig viel Geld investieren. Mit 20’000 Franken kommst du da nirgends hin. Es wäre immer noch schön, in Deutschland gespielt zu werden, aber es steht nicht im Vordergrund. Wir tun einfach das, was wir am besten können: eine gute, druckvolle Rockband zu sein.

So wie damals mit «Do the Robot»:

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