Salzgeber legte kleinen Striptease aufs Parkett

Gänsehaut, Swing und Humor mit der Brassband Luzern

Emotion pur: Dirigent Michael Bach von der Brassband Bürgermusik im KKL während des Konzerts.

(Bild: zvg)

Am Samstagabend lud die Brassband Bürgermusik Luzern zu ihrer Konzertgala in der vollen Salle Blanche des KKLs. Unter der Leitung von Michael Bach und Patrick Ottiger und moderiert von einem freizügigen Rainer Maria Salzgeber bewiesen die Musiker einmal mehr, wieso sie zur nationalen und internationalen Spitze gehören.

Ganz nach dem Motto «Geht nicht? Gibt’s nicht!» schien Michael Bach dieses Jahr das Programm zusammengestellt zu haben – mit gutem Recht, denn seine Brassband gehört zu den Besten der Welt.

2014 gewann sie die Europameisterschaft in Schottland, der Ruf ihrer Konzertgala im KKL hallt weit über die Kantonsgrenzen hinaus. Innovativ, dynamisch, jung und alt zugleich bespielt die Formation eine breite musikalische Palette.

Hohes musikalisches Niveau

Was konstant bleibt, ist das hohe musikalische Niveau der ausgewählt besten Schweizer Brassmusiker und ihrer talentierten Dirigenten. Die BML Talents sind laut ihrem Leiter Patrick Ottiger «ein Gefäss, aus dem sich die Brassband bei Bedarf was nehmen kann», also ein Talentpool und Zukunftshoffnung der Schweizer Brassmusik. Nur die besten Jugendlichen schaffen es in diesen Pool, wo sie von Ottiger mit grosser Leidenschaft gefördert werden.

Mit Rainer Maria Salzgeber konnte die Bürgermusik einen renommierten und sicheren Moderator verpflichten, der jedes Stück mit Anekdoten und Hintergrundinformationen ans nächste knüpfte und so einen Zugang zur Musik schuf, der sie gleich noch mal lebendiger wirken liess.

Sport und Musik als Konzertthema

Der Abend begann mit einem fulminanten Eröffnungsstück, «Home of Legends» von Paul Lovatt-Cooper. Mit typisch bretterndem, mitreissendem Klang schöpfte die Formation das Potential der Brassmusik aus, die ersten Füsse im Publikum begannen zu wippen.

Danach war Salzgeber an der Reihe und führte, ganz ungewohnt im edlen Samtanzug mit Fliege, das Thema des Abends ein: Sport und Musik. Der Moderator zeigte auf, wie viele Parallelen zwischen den Disziplinen bestehen: Ausdauer, Teamgeist und Präzision verlangen beide.

Musikalischer Nachruf für die Opfer von Hillsborough

Wer jetzt dachte, die Assoziation zwischen Sport und Musik sei etwas an den Haaren herbeigezogen und beruhe nur auf Salzgebers Hintergrund, lag falsch, denn das Programm brachte die Themenbereiche in einen stimmigen, überzeugenden Einklang. Dies geschah etwa mit dem «Epitaph for Hillsborough».

Blau, blau, blau: Die Brassband Luzern bei ihrem Konzert mit farblichem Hintergrund.

Blau, blau, blau: Die Brassband Luzern bei ihrem Konzert mit farblichem Hintergrund.

(Bild: zvg)

Das berührende Stück von Peter Meechan ist ein musikalischer Nachruf für die 96 Todesopfer und 766 Verletzten der grössten Fussballtragödie Englands, und die Ruhe nach Ausklingen des letzten Tons war vollkommen. Gänsehaut pur. Bei «Olympic Fanfare and Theme» von John Williams fühlte man sich direkt nach Pyeong Chang katapultiert, und auch mit «Aristotle’s Air» von Christopher Bond wurde der rote Faden von Salzgeber gekonnt weitergesponnen, denn was verbindet die Olympischen Spiele und Aristoteles? Richtig, Griechenland.

Ein Wirbelwind in Orchesterform

Nach der Pause waren die BML Talents an der Reihe. Die positiv überraschend grosse Formation aus jungen Blechbläsern und Perkussionisten riss die KKL-Besucher buchstäblich fast vom Hocker mit ihrem Medley aus verschiedenen Unterhaltungsstücken, die Ottiger (Zitat) «zusammenverwurstelt» hat.

«Die jungen Wilden waren tätschgeil.»

Mattia Klaus, Principal Cornet der Talents

Das «Best of Hercab & Kongolela» von G. Troversi und J.M. Forde platzte vor Dynamik, und zwar buchstäblich: Die Talents gingen mit dem Rhythmus in die Knie, fegten samt Instrument über die Bühne und immer wieder blitzte ein Lachen auf einem ihrer Gesichter auf. Kein Wunder, denn die Energie ihres Dirigenten suchte seinesgleichen. Um es wie mit Mattia Klaus, dem Principal Cornet der Talents, zu sagen: «Die jungen Wilden waren tätschgeil.»

Dass sie auch anders können, bewiesen sie alsdann mit «Wanderer above the Sea of Fog» von Ben Hollings. Das sphärisch beeindruckende Stück ist eine Hommage an das gleichnamige Gemälde aus dem 19. Jahrhundert von Caspar David Friedrich, und wer dieses kannte, konnte die musikalische Interpretation der Bildstimmung mit Haut und Haar spüren.

Salzgeber zieht in der Salle Blanche blank

Was beide Ensembles am Samstagabend vereinte, war ihre Affinität zum Humor. Und dieser war niemals notwendiger Lückenfüller, sondern stets Ergänzung zu den hervorragenden musikalischen Leistungen auf der KKL-Bühne.

Als Michael Bach zwei seiner Trompeter zu Enio Morricones ikonischem «The Good, the Bad and the Ugly» als Cowboy und Mexikaner in einem Stand-off inszenierte, dem am Ende der Dirigent selbst dramatisch zum Opfer fiel, fragte Salzgeber daraufhin: «Braucht’s das in einem Konzert?».

Rainer Maria Salzgeber moderierte gekonnt durch das Konzert.

Rainer Maria Salzgeber moderierte gekonnt durch das Konzert.

(Bild: zvg)

Und die Antwort darauf ist wohl nein, braucht’s nicht, hat aber auch nicht gestört, weil nicht die Verkleideten, sondern die Musik im Vordergrund blieb. Ausserdem konnte sich Salzgeber auch nicht ganz rausnehmen, was humoristisches Ornat betraf.

Um von einer russischen Ouvertüre zum Epitaph von Hillsborough überzuleiten, wählte er Liverpool und legte dazu einen kleinen Striptease hin, sehr zum Leidwesen seiner Frau und zur Belustigung der Zuschauer.

Programm kommt ungezwungen daher

Es ist ja mit dem Bestreben, das Publikum und insbesondere junges Publikum begeistern zu wollen, oftmals so eine Sache. Zu sehr biedern sich manche Orchester an und vergessen dabei, ihre Musik zu zelebrieren. Anders bei der BML. Ihr Programm kommt ungezwungen daher, wechselt zwischen klassischeren Brassband-Klängen und Filmmusik und wird auch mal experimentell – aber nicht zu experimentell. Und die jungen Wilden der «Talents» gewinnen das Publikum ohnehin spielend mit ihrer Leichtigkeit, Begeisterung und ihrem Können für sich.

Highlights setzen am Samstagabend der stoische, aber augenzwinkernde Solist und Publikumsliebling Duri Cathomen, der nie Instrumentalunterricht besuchte und jetzt einer der besten Blechbläser der Schweiz ist, Barry Manilows unvergessliches «Copacabana» und die elektrifizierende Energie der Jungtalente.

Salzgebers Moderationen hätten anfangs kürzer sein dürfen, fügten sich aber bald angenehm ins Konzert ein. Insgesamt präsentierte die BML ein wohl durchdachtes, vielfältiges und unterhaltsames Programm, stimmte nachdenkliche Töne an und spielte entfesselnde Melodien, die wahre Begeisterungsstürme im Saal auslösten.

Man ist geneigt, sich das Konzert für nächstes Jahr in der Agenda vorzumerken.

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