Neues Luzerner Theater

Freies Theater wünscht mehr Reibungsfläche im Neubau

Im neu projektierten Haus von Santer/Ilner (hier im Seitenriss) soll auch das freie Theater einen Platz haben, finden Marco Sieber (links) und Adrian Albisser. (Bild: zvg/Christine Weber)

Intensiveren Dialog zwischen institutioneller und freier Theaterszene: Dies soll der kleine Saal im Projekt «überall» bieten. Die SP macht sich stark dafür. Marco Sieber, ein Vertreter der freien Theaterszene, sucht die Reibung mit institutionellen Theaterschaffenden.

Sie bespielen keine eigenen Bühnen und bestehen oft aus kleineren Ensembles. Auf ein fixes Betriebsbudget mit Staatsgarantie können sie nicht bauen. Die freie Theaterszene ist finanziell deutlich schlechter gestellt als die institutionellen Häuser. Häufig auf Co-Produktionen angewiesen, nutzen sie die Nachteile oft zum kreativen Vorteil für unkonventionelle Projekte.

Mehrmals geäussert und noch nicht eingelöst

Die SP der Stadt Luzern fordert nun, dass die freie Theaterszene einen Platz findet im Betriebskonzept des neuen Luzerner Theaters. Der vorgesehene zweite Saal mit Platz für 350 Personen böte sich laut Medienmitteilung der SP dafür an. Der Saal müsse sein Versprechen einlösen und der freien Theaterszene dienen und darüber hinaus weitere kulturelle Nutzungen ermöglichen.

«Nun wollen wir eine stärkere Durchmischung zwischen diesen beiden unterschiedlichen Arten von Theaterbetrieb.»

Adrian Albisser, Grossstadtrat SP Luzern

Dass das Betriebskonzept für das neue Mehrspartenhaus erst noch zu erarbeiten ist, sei ihm bewusst, so Grossstadtrat Adrian Albisser auf Anfrage. Die SP pocht darauf, weil ein ähnliches Versprechen für die Luzerner Musikszene in der Diskussion zum neuen Kultur- und Kongresszentrum (KKL) in den 90er-Jahren mit dem Luzerner Saal nicht eingelöst worden sei. Bekanntlich wird dieser heute für diverse Veranstaltungen wie zum Beispiel Popkonzerte genutzt. Lokale Veranstalter inklusive der freien Theaterszene haben wenig Interesse an diesem Saal und können sich die Miete dieses Spielorts nicht leisten.

SP will bessere Durchmischung der Luzerner Theaterszenen

«Nun wollen wir eine stärkere Durchmischung zwischen diesen beiden unterschiedlichen Arten von Theaterbetrieb», äussert er sich. «Räumlich liegen die Spielstätten dieser beiden Szenen viel zu weit auseinander.» Zum Wettbewerb hat die SP eine positive Haltung.

Der Entwurf sei gewagt. Doch überzeuge er bei detaillierter Betrachtung durch eine geschickte Anordnung der Innenräume. Hinzu komme, dass dem bauhistorischen Kontext, also Altbau mitsamt seiner Geschichte, mit dem Entwurf Rechnung getragen wird (zentralplus berichtete).

«Wir wie auch der institutionelle Theaterbetrieb können von mehr Reibungsfläche nur profitieren.»

Marco Sieber, ein Vertreter der freien Theaterszene

Kritisch äussert sich die SP zum Restaurationsbetrieb, der im Dachgeschoss vorgesehen ist. Dieser müsse kleiner ausfallen und im Gegenzug gelte es, die Offenheit des Theaters für alle noch stärker herauszuarbeiten, auch mit baulichen Massnahmen.

Freie Szene in Jurierung integriert

Die freie Theaterszene sei seit der Debatte um die Realisation des Salle Modulable in die Diskussion um die Zukunft des Theaters in Luzern eingebunden, bekräftigt Marco Sieber auf Anfrage. Er ist als Produzent, Schauspieler und Vorstandsmitglied der Regionalgruppe Zentralschweiz von t. Schweiz, dem Berufsverband des freien Theaters, tätig.

«Die Meinungen über die Zukunft des Luzerner Theaters sind auch in der freien Theaterszene sehr unterschiedlich», sagt Sieber. «Doch unterstützen wir das Projekt grundsätzlich.» So war Manuel Kühne explizit als Vertreter der freien Szene in den Jurierungsprozess eingebunden. «Ob, wie und in welcher Art die freie Szene in Zukunft jedoch im neuen Luzerner Theater stattfinden wird, hängt vom zukünftigen Betriebskonzept ab.» Dieses muss nun erst noch erarbeitet werden.

Auch er sieht hier Chancen: «Wir wie auch der institutionelle Theaterbetrieb können von mehr Reibungsfläche nur profitieren.» Die dafür förderliche Nähe ergebe sich automatisch, wenn die freie Szene einen der künftigen Säle als Spielstätte nutzen darf.

Sieber unterstreicht: «In Inhalt und Anspruch wie auch in unserem professionellen Selbstverständnis bewegen wir uns auf Augenhöhe mit den institutionellen Theaterschaffenden.» Zugleich betont er aber auch den wesentlichen Unterschied: «Wir haben einfach bei weitem nicht dieselben Mittel.» Das gelte ganz besonders für Werbung und Infrastruktur.

Unterschiedliche finanzielle Mittel haben Folgen

Darin sieht er denn auch die Haupthürden für eine verstärkte Integration der freien Szene im Betrieb des neuen Luzerner Theaters. Bereits heute arbeite die freie Szene intensiv mit anderen Institutionen zusammen, wichtige Partnerhäuser sind je nach Produktion und Stück der Südpol oder das Kleintheater Luzern.

«Was für ein Theater wollen wir in Zukunft in Luzern sehen? Das muss und soll die Öffentlichkeit interessieren.»

Marco Sieber

Doch betont Marco Sieber auch: «Unsere Theaterprojekte sind oft nur dank Kooperation mit eben diesen Partnerhäusern realisierbar. Wir müssen Räume kostenlos nutzen können.» Sprich: Wenn die freie Szene einen Platz haben soll im neuen Luzerner Theater, müssten auch hier entsprechende Möglichkeiten gewährleistet sein.

Jetzt muss die Diskussion über Inhalte starten

Sowohl SP-Grossstadtrat Adrian Albisser als auch Marco Sieber freuen sich nun auf eine verstärkte inhaltliche Diskussion. «Für uns ist es vor allem entscheidend, dass sich zeitgenössisches Theaterschaffen in Luzern weiterentwickeln kann», hebt Albisser hervor. Dass es einen Neubau braucht, sei über alle Parteien hinweg unbestritten. «Wichtig ist jetzt, dass die breite Bevölkerung an der Diskussion partizipieren kann.»

Marco Sieber unterstützt die Stossrichtung der SP. Er will inhaltliche Fragen aber auch offen und ohne Scheuklappen diskutieren können. «Was für ein Theater wollen wir in Zukunft in Luzern sehen? Das muss und soll die Öffentlichkeit interessieren.» Wie es sich für einen freien Theaterschaffenden gehört, scheut er auch vor radikalen Fragestellungen nicht zurück.

Ein Beispiel dafür: «Brauchen wir heute noch feste Ensembles respektive starre Intendanzstrukturen, die alle vier Jahre wechseln? Oder benötigen wir nicht mehr Flexibilität, wie das andernorts an Theatern bereits umgesetzt wird.»

Das klingt spannend.

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Verwendete Quellen
  • Projektwettbewerb Neues Luzerner Theater
  • Telefonat mit Marco Sieber, Vertreter der freien Theaterszene
  • Telefonat mit Adrian Albisser, SP-Grossstadtrat
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 05.01.2023, 10:45 Uhr

    Die sogenannte „freie Szene“ meldet sich seit Jahrzehnten immer genau dann zu Wort, wenn sie merkt, dass das Thema „Theater“ gerade wieder etwas betriebsamer als bei Normalnull besprochen wird. Was wollen die denn? Sie sind ja eine freie Szene und damit eigenverantwortlich für das, was in ihrem Zuständigkeitsbereich geboten wird, von Programmierung über Besetzung bis zur Werbung und Organisation der Örtlichkeiten. Es gibt für sie also kaum etwas zu fordern. Viele von ihnen sehen das auch so und haben zum Beispiel auch schon ihre Spielstätten selber errichtet.
    Dass die SP jetzt wieder auf den Zug aufsteigt und ohne grosse Fachkenntnis oder überflüssiges Wissen um Privatinitiative die Gelegenheit wittert, irgend einen Bereich unter staatliche Fürsorge zu stellen, war zu erwarten. Wer da alles gepampert werden muss! Es dürfte noch eine Weile dauern, bis sämtliche Anspruchsgruppen abgearbeitet sind, welche die SP nach dem Verlust des Proletariats für sich zusammenzukratzen und in eine Opferrolle zu drängen versucht.

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  • Profilfoto von Vreni
    Vreni, 05.01.2023, 08:01 Uhr

    Siegerprojekt dürfte bei der Abstimmung durchfallen

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  • Profilfoto von Kritischer Blick
    Kritischer Blick, 05.01.2023, 07:23 Uhr

    Wäre es nicht sinnvoller gewesen, zuerst die Diskussion über die Inhalte des Luzerner Theaters zu führen und die Art des Theaterbetriebs (Betriebskonzept) zu definieren und anschliessend diese Rahmenbedingungen beim Wettbewerb den Architekten für die Ausarbeitung einer Lösung mit auf den Weg zu geben?

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    • Profilfoto von Peter Bitterli
      Peter Bitterli, 05.01.2023, 16:16 Uhr

      „Kritischer Blick“ stellt eine Ja/Nein-Frage, Bitterli antwortet mit „Nein“. Der Fragesteller liefert keine Begründung für seine Frage. Der Antworter ebensowenig. Letzteres ist mit Bestimmtheit der Grund, dass die Zensurbehörde die Antwort nicht publiziert. Ungleiche Ellen.
      Lassen Sie doch die Antwort drin und warten Sie ab, was sich allenfalls entwickelt. Mit Dreingrätschen kann ja nichts entstehen.

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