Baarer Fotograf erhält «Swiss Press Photo Award»

Andreas Busslinger zeigt die Schweiz, fernab von Klischees

Das Rotkreuzer Hochhaus Aglaya aus der Vertikale. (Bild: Andreas Busslinger)

Andreas Busslinger wollte die Schweiz so zeigen, wie man sie noch nie gesehen hatte. Das zahlt sich nun aus. Der Baarer wird mit dem «Swiss Press Photo Award» ausgezeichnet.

Preise hat der Fotograf Andreas Busslinger schon einige gewonnen. Doch jener, der ihn kommende Woche erwartet, ist ein besonderer. «Der ‹Swiss Press Photo Award› ist nicht nur sehr bekannt; es handelt sich auch um einen Preis, der unter Profis vergeben wird. Für mich als Autodidakt ist das eine Ehre», sagt Busslinger.

«Kommt natürlich dazu, dass der Preis eine schöne Anerkennung meiner Arbeit und meines Bildbandes ist.» Der 65-Jährige zeigt auf das riesige, schwere Buch «Vertikale Sicht», das vor ihm auf dem Salontisch liegt. Es beinhaltet 176 Fotos aus der Schweiz, welche allesamt aus der Luft geschossen wurden.

Die Fotos wurden zu 100 Prozent vertikal aufgenommen

Den Preis erhält Busslinger jedoch nicht für dieses umfangreiche Werk, das er selbst verlegt hat, sondern für eine zwölfseitige Publikation in der «Schweizer Familie», die im vergangenen November veröffentlicht wurde und in der zehn dieser vertikalen Bilder gezeigt wurden (zentralplus berichtete).

Ein renommierter Preis

Für die zehn Fotos im Artikel «Die Schweiz von oben gibt Rätsel auf»,
der im November in der «Schweizer Familie» erschien, wird Andreas Busslinger am 28. April mit dem 2. Platz des «Swiss Press Photo Award» im Bereich «Alltag» ausgezeichnet.

Busslinger fotografiert auch regelmässig für zentralplus.

«Das Besondere daran ist, dass die Fotos zu 100 Prozent vertikal aufgenommen wurden und dadurch beinahe zweidimensional wirken. Entsprechend wird oft auf den ersten Blick nur schwer erkennbar, was man überhaupt auf den Bildern sieht und wo sie aufgenommen wurden.»

So etwa bei den wellenförmigen Spuren, die sich vom braun-rauem Untergrund abheben. Weil es Busslinger von oben fotografiert hat, wird der Betrachterin nicht bewusst, dass das Bild einen steilen Schneehang zeigt. Der Saharastaub darauf trügt das Auge zusätzlich. Viele der Fotos lassen einen ausserdem glauben, es handle sich nicht um Fotografien, sondern um Gemälde.

Zwei Jahre arbeitete der Fotograf am Buch

Vor drei Jahren liess sich Busslinger frühpensionieren. Davor fotografierte er nebenberuflich. Dass der Baarer mehr Zeit hat, machte schnell die Runde. «Die Fotoaufträge nehmen stetig zu», sagt er.

Dennoch nahm sich der ehemalige Lehrer bei der Pensionierung vor, vor allem Projekte umzusetzen, auf die er Lust hat. Und das tat er denn auch. Zwei Jahre lang arbeitete Busslinger jeweils zwei Tage in der Woche an seinem Buch, das vergangenen Herbst erschien.

«Ich fuhr, flog und lief durch die ganze Schweiz, um spezielle Bilder aufnehmen zu können.» Dabei sei er radikal gewesen. «Nur die Senkrechte interessierte mich. Überhaupt war mir wichtig, dass ich die Schweiz auf keinen Fall klischiert wiedergebe. Ich will die Leute zum Staunen bringen.»

«Dieses Land ist sehr engräumig. Es gibt kaum ein Bild, auf dem nicht irgendeine Spur von Zivilisation zu sehen ist.»

Andreas Busslinger, Baarer Fotograf

Busslinger hat eine Schwäche für luftige Höhen. Seit Jahrzehnten ist der Zuger passionierter Paraglider. Unzählige Bilder sind auf seinen Flügen auf der ganzen Welt bereits entstanden. «Die meisten Fotos des aktuellen Buches entstanden jedoch mit der Drohne. Vom Gleitschirm aus ist es schwierig, wirklich vertikale Bilder zu machen, da die eigenen Beine im Weg sind.»

Ausserdem erlaube es die Drohne, deutlich flexibler zu sein. «Es ist schwierig, im Flachland – etwa in Basel – Fotos vom Gleitschirm aus zu machen, denn man kann nirgends aus der Nähe starten.»

Andreas Busslinger. (Bild: zvg)

Aus «Wüstem» Ästhetisches gemacht

Bewusst hat der Fotograf unter anderem Szenen festgehalten, die von unten gesehen nicht sonderlich ansprechend sind: also etwa Parkplätze, Baustellen oder Strassenkreuzungen. «Was als Fussgänger oft hässlich wirkt, wird aus der Luft faszinierend.» Er erzählt weiter: «In der Vertikale wird die Welt ausserdem oft geometrisch. Die Strasse wird zum Strich, der Baum zum Punkt. Entsprechend habe ich das Buch gegliedert. Die Kapitel heissen unter anderem Punkt, Linie, Fläche oder Malerei.»

«Wenn ein Feld gerade frisch gegüllt wurde, sorgte das für schöne Details.»

Während Busslinger durch die Schweiz reiste, wurde ihm eine Tatsache besonders bewusst: «Dieses Land ist sehr engräumig. Es gibt kaum ein Bild, auf dem nicht irgendeine Spur von Zivilisation zu sehen ist.» Doch es ist unter anderem genau diese Zivilisation, die dafür sorgte, dass der 65-Jährige zu spannenden Bildern kam. «Wenn ein Feld gerade frisch gegüllt wurde oder ein Bauer mit dem Traktor das Heu verzettelte, sorgte das für schöne Details.»

Im Rahmen dieser Arbeit entstanden Tausende Bilder. «Ich hatte das Glück, dass der Filmemacher und Kunsterzieher Clemens Steiger das Buchkonzept entwarf und die Bildauswahl kuratierte.» Er begleitete Busslinger zudem oft und dokumentierte die Entstehung in einem kurzen Dokumentarfilm.

Die Vertikale bleibt für Busslinger auch weiterhin wichtig

Auch nach Abschluss des Buches «Vertikale Sicht» will Busslinger bei dieser Art von Fotografie bleiben. Er ist sichtlich fasziniert davon, zückt sein Handy und zeigt Fotos von Salinen in Sizilien, die er während seiner letzten Ferien mit der Drohne aufgenommen hat. «Die kommt sowieso fast immer mit, wenn ich das Haus verlasse.»

Busslinger gibt zu bedenken: «Ein Foto aus der Vertikale aufzunehmen, ist viel aufwendiger. Wenn ich für ein gängiges Foto eine Viertelstunde brauche, benötige ich hierfür über eine Stunde», sagt er und zeigt auf eines der Salinenbilder.

«Mein Auge ist heute viel geschulter. Das kann man nicht einfach so schnell lernen.»

Vor einigen Jahren war Busslinger noch einer von wenigen Drohnenfotografen in der Umgebung. Das hat sich mittlerweile geändert. «Diese Exklusivität ist mittlerweile verloren gegangen.» Er nimmt es sportlich: «Ich weiss, was hinter einer guten Fotografie steckt und dass es viel Übung braucht, um weiterzukommen. Mein Auge ist heute viel geschulter. Das kann man nicht einfach so schnell lernen.»

KI als Bedrohung der Fotografie?

Apropos Verlust von Exklusivität: Kürzlich sollte ein Berliner Fotograf mit einem Retroporträt zweier Frauen die «Sony World Photography Awards» gewinnen. Dass das Bild teilweise mit künstlicher Intelligenz kreiert worden war, sei den Verantwortlichen des Preises nicht ausreichend deutlich gemacht worden. Zwar lehnte der Fotograf Boris Eldagsen den Preis ab. Dennoch wurde die Diskussion um KI in der Fotografie dadurch befeuert.

Busslinger sagt zum Thema: «Wenn ich anfange, meine Gleitschirmbilder mit KI zu verändern, kann ich gleich aufhören. Ich kann mir zwar vorstellen, dass das für IT-Freaks interessant sein kann. Als Fotograf habe ich wenig Begeisterung dafür übrig. Ich will die Welt so zeigen, wie sie ist, und keine Fiktion. Das ist auch eine Frage des Stolzes.»

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Andreas Busslinger
  • «Spiegel»-Artikel zu KI-Fall
  • Website Andreas Busslinger
  • Website Swiss Press Award
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