So startete das Steinhauser Open Air in die Jubiläumsausgabe

Feuriger Flamenco-Jazz und kalter Regengusss zum Waldstock-Auftakt

Steiner & Madlaina sind immer öfter im Radio zu hören. (Bild: Laura Livers)

Ein Jahr drauf gewartet, seit Mittwoch ist es wieder so weit: Es ist Waldstock-Zeit! Und das zum zwanzigsten Mal. Die festivalfreudigen Zuger strömten in Scharen auf den Hügel zwischen Baar und Steinhausen. Zum Auftakt bekamen sie eine breite musikalische Palette geboten.

Es ist zwar erst Donnerstag und kurz nach Türöffnung. Doch der Veloparkplatz ist bereits voll – zum Jubiläum hat das Waldstock nämlich zu einem nachmittäglichen Jassturnier geladen. Ausserdem wurde am Mittwoch bis in die frühen Morgenstunden gefeiert. Dementsprechend zeigte sich auch die Stimmung auf dem Platz leicht verkatert. Die letzten Jasser sitzen noch an den Tischen, die restlichen Besucher haben es sich auf den unzähligen Strohballen, Bänken, Stühlen oder direkt auf dem Boden gemütlich gemacht.

Hommage an die Whiskeytassen

Dann beginnt der Abend, wie gewohnt, in der KubaBar mit Mr. Marbel’s Puddle Stompers. Ihren Stil nennt die Band rund um Leader Mr. C. J. Marble «Jug Music». Jug bezieht sich auf die Whiskeytassen, welche in den 1920er-Jahren in Kentucky von den Bands als Perkussionsinstrumente verwendet wurden.

Für das Waldstock hat die Band ihre stilgetreuen, selbstgebauten Instrumente zu Hause gelassen. Mitgebracht haben sie dafür einen Hauch Mittlerer Westen der USA. Mit Gitarre, Banjo, Schlagzeug und Keys spielt die Band mal bluesig, mal Americana-angehaucht, mit einer guten Portion Dreck und Rauheit. Hinter der Band zeigt sich das Panorama ungewohnt klar – Bergkette reiht sich an Bergkette, dahinter der blaue Himmel. Dazu Musik, die von den amerikanischen Weiten spricht und dazu verleitet, den 1.-August-Kater auf der Wiese liegend zu verbringen. Mit dem Ausruhen ist es aber schnell vorbei, denn als nächstes stehen Steiner & Madlaina auf der Bühne.

Das Publikum muss geweckt werden

Das Duo um die beiden Zürcherinnen Nora Steiner und Madlaina Pollina tauchte vor gut zwei Jahren in der hiesigen Poplandschaft auf und legte seither einen steilen Aufstieg hin. Mit Songs wie «Das Schöne Leben» oder «Wenn du mir glaubst» sind sie im Radio mittlerweile omnipräsent. So verwundert es auch nicht, dass am Schluss bis in die hinterste Reihe mitgesungen wurde.

Der Sieger des Jassturniers wird gekürt. (Bild: Laura Livers)

Aber der Reihe nach: Es ist 19 Uhr, das Duo betritt mit seiner Konzertband die Bühne und beginnt wie gewohnt sein Set. Nach zwei Songs sind sie alle warmgespielt, das Publikum noch nicht ganz. Vielleicht ist es noch ein wenig zu früh am Abend, vielleicht ist der Kater noch nicht ganz weg. Der Funke will jedenfalls noch nicht überspringen. Steiner & Madlaina lassen sich davon nicht beirren, vermutlich kennen sie solche Situationen bereits.

Mit jeder Ansage holen sie das Publikum ein bisschen näher, mit jedem Lied wecken sie ein paar Leute mehr, und sich selbst gleich mit. Die letzte Viertelstunde wird in Höchstform gespielt: Jede Zeile sitzt, jede Pointe trifft und Publikum und Musikerinnen kreieren einen Feedbackloop, mit dem sie sich immer noch ein bisschen weiter treiben. Und dann ist der Spass vorbei, obwohl es gefühlt erst jetzt richtig losgehen sollte. Aber so läuft es an Festivals, wenn der Slot bis 20 Uhr geht, dann ist um 20 Uhr Schluss, denn die nächste Band steht bereits in den Startlöchern.

Band ist gleich alt wie das Waldstock

Die Nächsten, das sind Antibalas aus Brooklyn. Die Band feiert – wie das Waldstock – ihren 20. Geburtstag dieses Jahr. Die Band ist im Afrobeat verwurzelt, stammt der Leadsänger doch aus Nigeria und kam als Kind in Lagos zur Musik. Die elfköpfige Band ist ein eingespieltes Team. Das verwundert nicht, wenn man ihre Bandbiografie liest: Antibalas spielten schon als Support für James Brown, waren zu Gast bei «Saturday Night Live» und kollaborierten mit The Roots und Mark Ronson.

Antibalas feiern wie das Waldstock das 20-Jährige. (Bild: Laura Livers)

Der Platz vor der Hauptbühne füllt sich mehr und mehr, die Menge zieht sich bis zum Technikerturm. Eine kurze Nachfrage bei Sicherheitschef Roger Wicki zeigt: knapp 1300 Besucher sind am Waldstock. «Fast ausverkauft. Das ist für einen Donnerstag doch eher ungewöhnlich», sagt er.

Währenddessen ist das Publikum vom leichten Kopfnicken zu bewegten Füssen und Hüften übergegangen. Antibalas gefallen, wie der Blick ins Publikum zeigt. Die Call-and-Response-Einlagen werden mitgesungen und auch ältere Semester, welche am Waldstock eher an den Tischen zu finden sind, lassen sich zu einem Tanz vor der Bühne hinreissen. Untermalt von Trance-anmutenden Mustern geht die Sonne unter und im Hintergrund sind Feuerwerke von überallher zu sehen.

Abschied für den Programmchef

Wie immer am Waldstock beginnt nach Sonnenuntergang der Film. Am Donnerstag waren das zwölf Kurzfilme zwischen zwei und etwa zehn Minuten Länge. Auf der Suche nach etwas zu Essen läuft uns Programmchef Beno Staub über den Weg. Die Jubiläumsausgabe ist seine letzte – zumindest in dieser Position. «Es schwingt schon viel Wehmut mit, wenn ich so über das Gelände laufe. Aber nach acht Jahren war es an der Zeit, das Zepter weiterzureichen», erzählt er.

Jenny and the Mexicats rundeten den Donnerstag ab. (Bild: Laura Livers)

«Mein Nachfolger war dieses Jahr bei der Planung bereits dabei. Jetzt nach zwei Tagen Festivalbetrieb kann ich aus vollem Herzen sagen: Das Waldstock ist bei ihm in guten Händen. Das beruhigt.» Laufend wird Staub von vorbeigehenden Festivalbesuchern begrüsst. Man kennt sich am Waldstock.

Ein feuriger Abschluss

So ein Festival zu übergeben, sei nie einfach: «Unsere Technikcrew ist da natürlich Gold wert. Als Alteingesessene wissen sie, wie der Laden läuft und denken im Vorfeld immer mit, was die Übergabe extrem angenehm gemacht hat.» Und was tut Beno Staub nun mit seiner neu gewonnenen Freizeit? «Keine Ahnung», lacht er. «Erst mal dieses Kapitel abschliessen und rausspüren, wie viel Zeit und Platz im Kopf dadurch frei wird», so seine Devise.

Das Programm

Programm Freitag (Türöffnung 16 Uhr): The Black Heidis, Mata Maka Tribe, Billie Bird, Stahlberger, Raving Iran (Film), Bokito, Bukahara

Programm Samstag (Türöffnung 12 Uhr): Kindernachmittag, Daniel Korber, Hannes vo Wald, Into Oreleans, Bänz Friedli, Native Young, Fantastic Mr. Fox (Film), Klaus Johann Grobe, Afriquoi

Tickets sind noch bei Türöffnung an der Abendkasse erhältlich – de schneller isch de gschwinder.

Die Kurzfilme sind mittlerweile vorbei und die letzte Band des Abends betritt die Bühne: Jenny and the Mexicats. Die mexikanisch-englisch-spanische Combo spielt Musik zwischen Cumbia und Flamenco-Jazz und bieten den verbliebenen Besuchern einen würdigen Abschluss. Feurig und mit viel Energie heizen sie dem Publikum ein. Es wird getanzt – neben und auf der Bühne –, mitgesungen, mitgefeiert.

Ein wenig abseits packen einige Besucher ihre Salsa-Künste aus und als die Band merkt, dass viele im Publikum auch ein bisschen Spanisch sprechen, geht die Party erst recht los. Mittendrin beginnt es zu regnen und ein kalter Wind weht über das Gelände. Aber frei nach dem Motto «Wenn schon nass, dann richtig!», bleiben die Besucher vor der Bühne und fressen der Trompeterin und Leadsängerin Jenny Bell aus der Hand. Um ein Uhr ist auch dieses Konzert zu Ende und ein Grossteil macht sich auf den Nachhauseweg. Es gilt Energie zu sparen, denn die Party namens Waldstock Open Air dauert noch zwei weitere Tage.

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