Die Exil-Schweizerin singt im Südpol

Evelinn Trouble ist erwachsen geworden

Evelinn Trouble überzeugt mit psychedelischem Rock.

(Bild: Marcel Hörler)

Für eine Woche residiert Evelinn Trouble mit Band im Südpol und gewährt mit einem exklusiven Konzert am Donnerstagabend Einblicke in ihr aktuelles Musikschaffen. Mit viel Schalk und ohne Socken zieht sie dabei das Publikum in ihren Bann.

Seit zehn Jahren gibt es Evelinn Trouble. Das Enfant Terrible der Schweizer Musikszene, wie sie vom Südpol im Vorfeld ihres Residenzkonzerts benannt wird, fordert heraus, provoziert, aber wird auch erwachsen, wie sie selbst sagt. In den letzten zehn Jahren hat sie musikalisch viel ausprobiert, experimentiert und in den grossen Metropolen New York und London gelebt. Seit letztem September wohnt sie in Berlin.

Durch die Musik hatte sie auch immer einen starken Bezug zu Luzern. Sie spielte Solo Gigs in illegalen Bars und Zwischennutzungen – die einen oder anderen erinnern sich bestimmt an das Konzert im Hotel Schiff – und kam dadurch mit der Luzerner Musikszene, vor allem den Jazzern, in Kontakt. «Die Kulturhäuser und Festivals in Luzern haben einen eigenen Style und Geschmack, eine gute Programmation. Das finde ich recht aussergewöhnlich», verrät Evelinn nach dem Konzert. Das von einer Musikerin zu hören, die bereits auf allen angesagten Bühnen der Schweiz gespielt hat, und die mit Sophie Hunger auf Tournee war, ist mehr als eine leere Worthülse. Trotz dem hippen Angebot in der Stadt, betont sie, besuchen jedoch weniger Menschen die Veranstaltungen. So lockte auch das «Unusual Weather Phenomena Project» von Thom Luz, in dem sie mitwirkte, nur wenige Besucher in den Südpol, wohingegen in der Gessenerallee in Zürich vor ausverkauften Rängen gespielt wurde.

Von der Pfeilspitze getroffen

Das Publikum an diesem Abend im Club des Südpol ist in erster Linie wegen des psychedelischen und zunehmend von synthetischer Leichtigkeit geprägten Rock von Evelinn Trouble hier. Das spürt man. Dafür eignet sich der dunkle Raum, welcher durch eine satte Akustik überzeugt. Die dreiköpfige Band besteht aus Flo Götte am Bass, Olivier Zurkirchen an den Keys und Paul Amereller an den Drums (bis im letzten Herbst spielte an dieser Position Domi Chansorn). Deren Präsenz auf der Bühne wird unterstützt durch ein abgestimmtes Lichtspiel und ein zentral positioniertes Bühnenelement im Hintergrund der Band: ein überdimensionierte Fächer der Künstlerin Magdalena Baranya.

Wie schon Nils Frahm, der während seines Konzerts im Mai 2015 im Südpol ohne Schuhe spielte, entledigt sich Evelinn ihrer Schuhe und wirft ihre Socken gleich hinterher. Das ist die Rohheit einer emanzipierten Musikerin, die es versteht, mit einer Portion Schalk und einer zuweilen epischen Theatralik das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Mit dem Song «Touching Air» aus ihrem aktuellen Album «Arrowhead» schafft sie eine angeregte Stimmung im Raum. Inspiration für den Albumtitel war ein Traum, in dem sie von einer Pfeilspitze getroffen wird und gezwungen ist, mit abgebrochener Pfeilspitze im Kopf und Schminke überdeckt Konzerte zu spielen. Die Songs vom Album zeugen denn auch von dieser Stimmung der Verwirrung.

Daneben gewährt sie mit «Fools» auch Einblicke in das noch nicht veröffentlichte Album mit dem derzeitigen Arbeitstitel «Hope Music». Ein vielversprechender, aber auch zynischer Titel für ein Album, das an den heilenden Pop von Michael Jackson erinnert. Dementsprechend wirkt ihr Reenactment von «Heal the World» und ein älterer Zuschauer kommentiert, dass dieser Song gut auf die Bühne eines Open Airs passen würde, und macht damit deutlich, dass hier auch einiges an Pop mit im Spiel ist.

Mit der Hoffnung auf eine bessere Welt

Die Hoffnung in die junge Generation, ihre Generation, ist in den Songs nicht zu überhören – «In Hopes of a Brighter Tomorrow», wie es auch auf ihrer Webseite heisst. Die Schweiz sei für sie ein schwieriges Land, das sich vom Weltgeschehen lieber draussenhalten will, betont sie und wenn sie jeweils zurückkomme, dann fühle sie sich, als wäre sie in einem Käfig. An diesem Abend ist auch der Club im Südpol ein Käfig. Aber einer, der sich verdammt gut anfühlt. Denn wenn Evelinn auf der Bühne steht, wird klar, dass diese Künstlerin nicht Musik macht, um zu gefallen – und das ist gut so.

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