Eine Nacht mit Urs Leierer: Sex, Drugs und Rock’n’Roll?
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Blue-Balls-Direktor Urs Leierer verkörpert den coolen Typen: schlurft jeden Abend in lässiges Schwarz gewandet auf die KKL-Bühnen und kündigt die hippsten Stars an. Schlürft der Blue-Balls-Boss dazwischen Hochprozentiges und feiert nach den Konzerten mit den Schönen und Reichen des Festivals? Das wollten wir genau wissen: Auf zur Nacht der Spurensuche.
Sex, Drugs und Rock’n’Roll: Das erhoffen wir uns hinter den Kulissen mit dem Blue-Balls-Boss Urs Leierer (53). Also los, wir stürzen uns in eine lange Nacht mit dem Chef des neuntägigen Festivals. 19 Uhr ist Treffpunkt beim KKL, mit saurer Miene tigert Leierer herum. Irgendwas mit reservierten Tickets scheint schiefgelaufen zu sein.
(Bild: hae)
Doch das will der Mann auf Adrenalin nicht kommentieren, schliesslich muss er gleich auf der Dachterrasse lächeln: beim Sponsoren-Apéro. Wichtige Leute eines Bier- und eines Champagnerhändlers sollen hofiert werden. Sie wollen mit dem Macher dieses grandiosen Festivals anstossen. Also her mit dem Cüpli! «Die verdienen das, schliesslich schiessen sie viel Geld in unseren Konzertreigen ein», erklärt Leierer.
Der Schatten
Wie ein Schatten folgt Beat Kienholz dem Chef. Er war langjähriger Festival-Fotograf und ein Freund seit Gründertagen des Blue Balls, der Leierer immer mal wieder Zeichen gibt. So hilft er, dass alles wie am Schnürchen läuft. Beispielsweise um 19.51 Uhr, ein paar Minuten bevor im KKL das Blues-Konzert der Legenden Taj Mahal und Keb Mo startet: «Zeit für die Ansage», sagt Kienholz und hält Leierer auf der Dachterrasse die Handyuhr vors Gesicht.
«Das ist mein Baby, Mann!»
Urs Leierer, Blue-Balls-Gründer
Also geht’s mit dem Lift flugs nach unten. Hier ein Handshake, dort ein Zunicken: Alle kennen den Mann in wallendem Schwarz, der es sich nicht nehmen lässt, alle Stars persönlich anzukünden. Klar, denn nach harten Jahren hat sich das Blue Balls heute als das grosse Sommerfest der Innerschweizer etabliert. Leierer: «Das ist mein Baby, Mann!»
(Bild: Beat Kienholz)
Und weg ist er. Taucht auf den Brettern des Weissen Saales mit Mahal und Mo auf, um dann eine halbe Stunde später den neuen Elvis im Luzerner Saal zu begrüssen: «Ladies and Gentlemen, please welcome: John Newman!»
«Bitte einen grossen Applaus für Urs!»
John Newman, der neue Elvis
So geht es hin und her, Leierer fliegt förmlich durch die verwinkelten Gänge des KKL. Und bekommt gar nicht mit, als das Energiebündel John Newman sich bedankt, dass er nach Luzern kommen durfte. Newman zum euphorisierten KKL-Publikum: «Bitte einen grossen Applaus für Urs!»
(Bild: hae)
Leierer steht zwar die letzte halbe Stunde des packenden Auftritts ganz hinten im Saal, aber immer wieder kommen Bekannte vorbei und begrüssen ihn. Und auch der eingeladene Veranstalter des Zürcher Edel-Festivals «Live at Sunset» will sich mit ihm austauschen. Leierer: «Das sind wichtige Erfahrungen im zusehends härter werdenden Musikgeschäft.»
«Ich bin hier zum Arbeiten!»
Kann Urs Leierer denn auch manchmal ein Konzert geniessen? «No way», schüttelt er den Kopf, «ich bin hier zum Arbeiten!» Kaum einer wisse, wie intensiv diese neun Tage für ihn seien. Deshalb nimmt der Blue-Balls-Boss sich nach dem Festival, wenn er dann das grosse Debriefing gemacht hat, drei Wochen verdiente Auszeit. Hängen in der Provence ist dann angesagt.
(Bild: hae)
Doch hier im KKL ist nichts mit Hängen – noch gilt es hellwach zu sein. Und Probleme zu bewältigen. Sei das mit Bussen, die im Stau stecken. Oder Musikern wie John Newmans Keyboarder, der dermassen Rückenschmerzen hat, dass sofort ein Physiotherapeut her muss. Und viel warten muss Leierer auch – das heisst auch viel rauchen. «So viel wie das ganze Jahr nicht!»
400 Helfer koordinieren
Kein Wunder, steht Urs Leierer unter Strom, schliesslich hat er 48 Wochen lang diese neun Musiktage vorbereitet. Jetzt ist er zudem für 400 Helfer verantwortlich, die 15’000 ehrenamtliche Stunden leisten. Im Vorfeld galt es 1’000 Logiernächte für die rund 500 Künstler zu organisieren. «Viele Gründe, dass ich nicht richtig schlafen kann», so Leierer. Dazu findet er eh kaum Zeit, denn vor 4 Uhr in der Früh kommt er nicht in seine Suite im Schweizerhof. Und ab 10 Uhr läutet sein Handy eh wieder konstant. Sex, Drugs und Rock’n’Roll? – Von wegen, ein Knochenjob!
(Bild: hae)
Kaum sind die Konzerte gegen 24 Uhr vorbei, geht’s zurück ins Direktorenbüro im 4. Stock, wo die fleissige Pressebetreuerin Stephanie Stöckli immer noch emsig in die Tasten haut. Ein «Tagesschau»-Team war zur Eröffnung hier, für den kommenden Tag hat sich «10 vor 10» angemeldet. Die wollen natürlich umfassend betreut werden.
Falten auf der Stirn
Urs Leierer lässt sich aufs schwarze Sofa fallen – wenige Minuten später treibt es ihn schon wieder um, Falten auf der Stirn. Lassen wir den Blue-Balls-Boss doch Schönes denken: «Welches waren die denkwürdigsten Konzerte über die Jahre?» – Sofort heitert sich Leierers Miene auf. «2014: Ed Sheeran sang bei uns vor 2’000 Fans in intimstem Rahmen. 2018 wird er gleich zweimal hintereinander das Letzigrund-Stadion füllen, dann werden es 80’000 Fans sein. Da hatten wir einen guten Riecher!»
«Ed Sheeran sang 2014 bei uns vor 2’000 Fans. Da hatten wir einen guten Riecher!»
Urs Leierer, Blue-Balls-Boss
Ein glückliches Händchen hatte er auch bei Damien Rice solo, bei David Gray im Alleingang, oder beim ersten Schweizer Konzert von Iggy and the Stooges. Stolz ist er auch auf die Freundschaft zu Xavier Naidoo, der in Deutschland die grossen Stadien füllt. «Zu uns kommt er immer wieder gerne zu Spezialkonditionen», freut er sich.in
(Bild: Beat Kienholz)
Plötzlich meldet sich der Hunger, vom Adrenalinpumpen allein kann man sich schliesslich nicht ernähren. Leierer erinnert sich: «Hab ja den ganzen Tag kaum was gegessen!» Schöner Zufall, werden nach Mitternacht Fleisch- und Käseplatten aus den gegenüber liegenden Künstlergarderoben gereicht. Doch nach ein paar Häppchen im Stehen heisst es schon wieder: «Los geht’s!»
Stars unter sich
Wir verschieben in der Mercedes-Limousine ins Hotel Schweizerhof. In der Bar im ersten Stock prosten sich schon die Stars zu. Ein Türsteher garantiert, dass sie hier mit ihren Managern, Bodyguards und dem Blue-Balls-Management unter sich bleiben. Um ein Uhr früh gibt’s Chili con Carne – die Bettruhe rückt in weite Ferne.
(Bild: Beat Kienholz)
Erhebend präsentiert sich von der Terrasse aus der Ausblick auf See und KKL, die Drinks berauschen nur schon mit ihren exotischen Namen: Wir entscheiden uns für den Paten – «Godfather», ein Scotch mit Amaretto –, der unsere Seelen nach einem aufregenden Abend beruhigt.
Drink im Drei-Deziliter-Glas
Den Drink zu Ehren eines weiteren Special Guests getrauen wir uns später dann doch nicht mehr zu genehmigen: den «David Gray Cosmopolitan» – serviert im Drei-Deziliter-Glas. Urs Leierer will uns noch erklären, dass der Magnum-Drink ein wichtiger Grund sei, weshalb der britische Sänger so viel Vorfreude auf seinen anstehenden Besuch in Luzern habe, als plötzlich eine schwarze Dame mit breitem Lächeln zu uns herüberschwebt. Sie umarmt Leierer und flötet: «Thank you for having us!»
Danke, dürfen wir hier sein, sagt Sängerin Diva Mahal, die Tochter des grossen Bluesers Taj Mahal. Leierer strahlt, all die Sorgen sind wie weggewischt. Der nächste strenge Tag mag ruhig kommen!
(Bild: hae)
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