50'000 Franken für österreichische Übersetzerin

Zug verteilt Kulturgelder ins Ausland

Theresia Prammer ist die Empfängerin des Zuger Übersetzer-Stipendiums 2023. Er ist mit 50'000 Franken dotiert. (Bild: Matthias Lerche)

Das Zuger Übersetzer-Stipendium 2023 geht an die in Berlin lebende Österreicherin Theresia Prammer. Finanziert wird das Stipendium auch vom Kanton und der Stadt Zug. Doch warum werden Personen unterstützt, die mit der Region nichts zu tun haben?

«Übersetzen ist so gut Dichten als eigne Werke zustande bringen», zitiert Theresia Prammer den deutschen Schriftsteller und Philosophen Novalis. Die Österreicherin ist Autorin, Übersetzerin und Literaturwissenschaftlerin, lebt in Berlin und hat das Zuger Übersetzer-Stipendium 2023 empfangen.

Die Aussage Novalis' sei natürlich eine Provokation, aber eine sehr inspirierende, erklärt Prammer. «Weil beim Übersetzen eine Genauigkeit gefragt ist, die der Poetik eines Autors verpflichtet ist», bewegten sich Übersetzerinnen «auf halbem Wege zwischen Freiheit und Überprüfbarkeit». Dieser Spagat scheint Prammer bei der Übersetzung von Gedichten Giovanni Pascolis besonders gut gelungen zu sein. Der Verein Zuger Übersetzer würdigt ihre Arbeit mit dem Stipendium über 50'000 Franken.

Darum unterstützen Kanton und Stadt Zug das Übersetzer-Stipendium

Der Kanton Zug unterstützt den Verein Zuger Übersetzer, der das Übersetzer-Stipendium im Zweijahrestakt vergibt, mit einem jährlichen Beitrag von 45'000 Franken. Der Beitrag wird aus dem Lotteriefonds, also dem an die Kantone ausgeschütteten Reingewinn von Swisslos, gespiesen. Auf 22'500 Franken pro Jahr beläuft sich der Beitrag der Stadt Zug.

«Gute Übersetzungen sind für die Literatur im deutschsprachigen Raum relevant.»

Aldo Caviezel, Leiter des Amts für Kultur des Kantons Zug

Doch weshalb werden auch Personen unterstützt, die nichts mit Zug zu tun haben? Aldo Caviezel, Leiter des Amts für Kultur des Kantons Zug, erklärt: «Gute Übersetzungen sind für die Literatur im deutschsprachigen Raum relevant.» Um anzufügen: «Das Zuger Übersetzer-Stipendium war eines der ersten Stipendien im deutschsprachigen Raum, das sich die Förderung des literarischen Übersetzens zur Aufgabe gemacht hat.»

«Literarische Übersetzung bedeutender Werke in die deutsche Sprache werden durch das Zuger Übersetzer-Stipendium gefördert. Damit wird der Zugang zu kultureller Bildung und Wissen aus anderen Kulturen ermöglicht», sagt Iris Weder, Leiterin Abteilung Kultur der Stadt Zug. «Zudem organisiert der Verein Zuger Übersetzer neben dem Übersetzerpreis weitere kulturell hochstehende Begleitveranstaltungen, wie die Übersetzergespräche, die das Verständnis für Literatur, die Deutsche Sprache und für den Übersetzungsprozess stärken.»

Vorzeigeprojekt mit internationaler Ausstrahlung

Mittlerweile seien die Angebote in diesem Bereich gewachsen, fügt Aldo Caviezel an. Doch nach wie vor friste das Übersetzen ein Schattendasein im Literaturbetrieb und die Übersetzerinnen bedürften der besonderen Förderung. «Das Zuger Übersetzer-Stipendium ist in diesem Sinn ein Vorzeigeprojekt mit breiter internationaler Ausstrahlung und Anerkennung.»

Dies bestätigt Theresia Prammer: «Das Übersetzer-Stipendium ist im ganzen deutschsprachigen Raum ein Begriff.» Mit 50'000 Franken ist es zugleich auch das höchstdotierte Stipendium seiner Art.

8 Millionen Franken aus dem Lotteriefonds fliessen in die Kultur

Es stellt sich die Frage, ob die Zuger Bevölkerung die Gelder des Kantons nicht lieber auf den Konti Zuger Kulturschaffender sähe. Von Relevanz dürfte bei der Beantwortung der Frage sein, dass 2022 allein aus dem Zuger Anteil des Lotteriefonds von Swisslos knapp 8 Millionen Franken in Kulturprojekte flossen.

«Das Stipendium löst die Utopie ein, Lyrik-Übersetzen könne tatsächlich so etwas wie ein ‹Beruf› sein.»

Theresia Prammer, Autorin, Übersetzerin und Literaturwissenschaftlerin

Auch ausserkantonale Projekte werden vom Kanton Zug unterstützt. So etwa die Stanser Musiktage, die schon bald, nämlich vom 19. bis 23. April, stattfinden und letztes Jahr 4'000 Franken erhielten. Oder das mit 8'000 Franken unterstützte Fumetto Comic Festival in Luzern, wo es kürzlich zu einem Kunstraub kam (zentralplus berichtete). Deutlich höhere Beiträge flossen beispielsweise in die Galvanik: Mit 230'000 Franken aus dem Lotteriefonds subventionierte der Kanton den Betrieb des Kulturzentrums.

Der jährliche Beitrag des Kantons Zug an den Verein Zuger Übersetzer im Umfang von 45'000 Franken entspricht rund einem halben Prozent der 8 Millionen Franken aus dem Lotteriefonds.

Stadt Zug lehnt nur 10 Prozent der Anträge auf Kulturförderung ab

Iris Weder von der Stadt Zug ist überzeugt: «Der Beitrag an den Verein des Zuger Übersetzer ist keine Konkurrenz für die Zuger Kulturschaffenden.» Die Höhe des Budgets für das Zuger Kulturschaffen stehe nicht in Abhängigkeit zu wiederkehrenden Beiträgen an Vereine und Institutionen.

Denn: «Die Kulturschaffenden erhalten einmalige Beiträge für ihre Projekte. Nur 10 Prozent der Anträge können wir nicht unterstützen.» Verglichen mit anderen Schweizer Städten sei diese Quote sehr gering. Teilweise wiesen Städte bis zu 60 Prozent der Anträge ab.

Privileg und grosse Aufgabe

Bei Theresia Prammer ist die Freude über das Übersetzer-Stipendium und die 50'000 Franken gross. «Das Stipendium katapultiert mich in eine privilegierte Situation», sagt sie. Doch bedeute dies auch eine grosse Aufgabe. In einer Branche, in der man es gewohnt sei, unter finanziell prekären Bedingungen zu arbeiten, löse das Stipendium die Utopie ein, Lyrik-Übersetzen könne tatsächlich so etwas wie ein «Beruf» sein.

Sie bezeichnet Preise und Stipendien als «unabdingbar» für das Schaffen von Übersetzern. Um sich finanziell über Wasser halten zu können, aber auch, um Mut und Motivation für neue Projekte zu schöpfen. «Von den Honoraren allein lässt sich kein Lebensunterhalt bestreiten», stellt Prammer klar. Darum unterrichte sie nebenbei auch an Schreibschulen und Universitäten.

«Ich glaube, wir sind langsam auf dem Weg zu einem neuen Selbstverständnis, auch wenn noch viel Vermittlungs- und Aufklärungsarbeit geleistet werden muss», sagt Palmer, auf die Wertschätzung für ihre Arbeit angesprochen.

Lautmalereien vom Italienischen ins Deutsche übersetzt

«Mich haben seine Gedichte schon früh fasziniert. Sie sind sehr melodisch und durchwegs gereimt», begründet Theresia Prammer ihre Faszination für Pascoli, auf dessen Werk quasi die ganze italienische Dichtersprache des 20. Jahrhunderts beruhe. Die omnipräsenten Lautmalereien des Dichters aus der Romagna hätten sie aus methodischer Perspektive besonders gereizt, sagt Prammer weiter.

Verständlich: Dass «planschen» auf Englisch «splash» heisst, liegt zwar nicht auf der Hand, lässt sich aber erhören. Hingegen dürfte es sich als schwierig erweisen, eine lautmalerische Übersetzung für den schweizerdeutschen «Töff» zu finden. Am nächsten kommt diesem vielleicht das dänische Wort «Knallert», das für «Moped» steht und ebenfalls Motorengeräusche imitiert.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Theresia Prammer, Autorin, Übersetzerin und Literaturwissenschaftlerin
  • Schritlicher Austausch Aldo Caviezel, Leiter des Amts für Kultur des Kantons Zug
  • Schritlicher Austausch mit Iris Weder, Leiterin Abteilung Kultur der Stadt Zug
  • Auflistung der vom Kanton Zug via Lotteriefonds geförderten Projekte
  • Artikel zu Novalis auf Wikipedia
  • Artikel zum «Töff» auf «Leginda»
  • Artikel zum «Töff» auf «End of Translation»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Adrian Hürlimann
    Adrian Hürlimann, 18.04.2023, 10:31 Uhr

    Bereits das Vorgänger:innenprojekt, der Zuger Stadtbeobachter, scheiterte am gesunden Volksempfinden. Soll die schweizweit bedauerte Peinlichkeit nun wiederholt werden? Provinzielles Zug?

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  • Profilfoto von Franz
    Franz, 13.04.2023, 10:52 Uhr

    Eine andere Frage ist, ob es für Liebhabereien Stipendien geben soll. Wohl kaum jemand hier kennt diesen Pascoli. Und wer ihn kennt, liest ihn doch im Original. Lyrikübersetzungen sind ohnehin fragwürdig und wahrscheinlich von den Dichtern gar nicht erwünscht. Insgesamt eine sehr sonderbare Verteilung von Schweizer Geld.

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