Die «Freie Theaterszene» Luzern hatte kein Gesicht. Was und wen sollte man sich unter diesem Begriff vorstellen? Nun steht der zweite Spielplan des «ACT Zentralschweiz», des Berufsverbandes der freien Theaterschaffenden und vereint damit die unterschiedlichsten Produktionen und Personen der freien Szene. Doch was soll das bringen?
Die Luzerner Theaterszene ist an diesem Morgen im Südpol gut vertreten. Livio Andreina, Walter Sigi Arnold, Reto Ambauen und Bettina Glaus sind nur ein paar der bekannten Gesichter, die sich hier bei Orangenjus und Kaffee treffen und austauschen. Und auch vom Luzerner Theater und vom Kleintheater sind Vertreter in den Südpol gepilgert. Denn die Freie Theaterszene Zentralschweiz präsentiert ihren zweiten Spielplan. Einen solchen Spielplan aufzusetzen ist durch die vielfältige Szene eine Herausforderung: «Wieso tun wir uns das eigentlich an?», lacht Annette Windlin, Präsidentin ad interim, Schauspielerin und Regisseurin. Es handelt sich dabei jedoch nicht nur um eine organisatorische, sondern auch um eine politische Angelegenheit. Und um eine Arbeit am Image von freischaffenden Künstlern.
«Wieso tun wir uns das an?»
Annette Windlin, Theaterschaffende und Präsidentin ad interim des ACT Zentralschweiz
Eigentlich aber eine seltsame Idee, «freie» Künstler binden zu wollen. Doch das Ziel einer vernetzten freien Szene ist vor allem eine grössere und professionelle Präsenz in der Öffentlichkeit, bessere Bedingungen für freie Künstler und ihre Produktionen und politischer Einfluss im Kulturbereich. «ACT Zentralschweiz» heisst der Berufsverband der Freien Theaterschaffenden und zählt momentan ungefähr 100 Mitglieder.
Doch wen betrifft dieses Theater um die freie Szene überhaupt – wer zählt dazu? Der grösste Teil der freien Theaterschaffenden sind Gruppen und Einzelkünstler, die auf Bühnen wie dem Kleintheater Luzern, dem Südpol, und dem Burgbachkeller Zug auftreten. Aber auch Theaterschaffende, die in semiprofessionellen Produktionen wie dem Freilichttheater Luzern oder dem Theater NAWAL mit Laien zusammenarbeiten und unzählige andere Formen des professionellen Theaters gehören dazu. Eine Vernetzung dieser freien Theaterschaffenden ist aus der Sicht des ACT unabdingbar.
Vor allem bei der finanziellen Unterstützung müsse sich noch einiges verändern. Derzeit seien es 0,6 Prozent der Staatsausgaben des Kantons Luzern, die für Kulturförderung eingesetzt würden. Davon über 80 Prozent für die drei grossen Kulturbetriebe. Lediglich 5 Prozent kommt der freien Theater- und Tanzszene zu. Und das, obwohl diese in der Zentralschweiz rund 100’000 Zuschauer erreicht.
Der Berufsverband wurde 1983 unter dem Namen «Vereinigte Theaterschaffende der Schweiz» als Verein gegründet. Seit dem 13. September 2009 heisst der Berufsverband neu: «ACT - Berufsverband der Freien Theaterschaffenden». Ziel von ACT ist es, das freie Theaterschaffen zu fördern und dessen Rahmenbedingungen zu verbessern.
Dazu bietet der Verband Beratungen an, will seine Mitglieder informieren und vernetzen. Auf kulturpolitischer Ebene vertritt der Verband die spezifischen Interessen von freien Theaterschaffenden und von wenig subventionierten Bühnen.
Der Berufsverband steht professionellen Theaterschaffenden aus allen Sparten offen. Die Mitglieder sind in den Bereichen Schauspiel, Regie, Produktionsleitung, Dramaturgie, Technik und so weiter tätig. Zur Zeit zählt ACT rund 500 Mitglieder.
Schritt um Schritt
Mit einem gemeinsamen Spielplan hat die freie Szene einen weiteren Schritt getan. Es findet ein Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren statt. «Durch diese Vernetzung können wir der Öffentlichkeit zeigen, was die freie Szene alles zu bieten hat und wie vielfältig sie ist», ist Windlin überzeugt. Es sei eine solch mannigfaltige Auswahl an Produktionen, die aufzeige, wie bunt das Theaterschaffen in der Zentralschweiz sei. «Es geht von konventionellen Produktionen über ganz experimentelle Geschichten. Es ist ein wilder Haufen, der sich hier zusammenrauft.» Und das tut er, um die Produktionsbedingungen und die Verteilung der Kulturgelder für Freischaffende zu verbessern. Und um ein Gesicht und eine Stimme zu erhalten. Windlin ist überzeugt, dass eine Veränderung bereits stattgefunden hat. «Wir werden wahrgenommen.» Doch es gibt noch viel zu tun.
Dieser Schritt ist bereits angefangen, indem ACT Zentralschweiz in den Prozess des «Theater Werk Luzern» TWL/NTI eingebunden ist. Es handelt sich dabei um ein Projekt zur Neukonzeptionierung des Theaterplatzes Luzern durch Kanton und Stadt, gemeinsam mit den Kulturhäusern und den Theaterschaffenden. «Wir erhalten endlich auch kulturpolitisches Gewicht», so Windlin. Das Projekt TWL/NTI plant auf 2022. «Die Planung geht weit in die Zukunft, doch die Diskussion brennt bereits.» Der Umbruch habe bereits angefangen. Wichtig sei es jetzt, alle Mitglieder und Interessierten über die Prozesse zu informieren. Man müsse die Theaterschaffenden an einen Tisch bringen und so weit in den Prozess einbinden, damit sie ab 2020 auch bereit seien. «Vor allem für die jungen Theaterschaffenden ist dieser Prozess extrem wichtig. Es ist ihre Zukunft», so Windlin. Genauso wichtig sei jedoch die Zusammenarbeit der freien Szene mit den festen Häusern. Daher seien auch die Gespräche mit dem Luzerner Theater und dem Kleintheater ein wichtiger Bestandteil der Entwicklung.
«Noch vor ein paar Jahren hat man mich gefragt: Wo ist denn diese freie Theaterszene? Jetzt kann ich sagen: Hier ist sie. Nun müssen wir rausgehen und uns zeigen», schliesst Windlin und lädt zum Apéro.