«Gästival» sorgt erneut für Schlagzeilen

Ein rotes Tuch für die Luzerner Kulturszene

Das Gästival kämpft erneut mit Negativschlagzeilen. (Bild: zvg)

Zuerst wurde bekannt, dass das «Gästival» nicht alle mitwirkenden Künstler entlöhnen will. Nun scheint es so, dass man den Helfern auch nur eine symbolische Entschädigung bezahlt. Alles nur ein Missverständnis, heisst es bei den Verantwortlichen. Die Kritik am Anlass reisst trotzdem nicht ab.

Das «Gästival» kämpft erneut mit negativen Schlagzeilen. Am Dienstag schrieb der «Tagesanzeiger», das Festival der Gastfreundschaft wolle Kassen-Mitarbeiter, Personen für den technischen und programmlichen Betrieb sowie Hosts und Hostessen zu Dumping-Löhnen arbeiten lassen. Zehn Franken die Stunde will man ihnen brutto bezahlen, wie das Beispiel einer Langzeitarbeitslosen zeige. Die Luzerner Arbeitslosenkasse untersagte ihr die Annahme des Zwischenverdienstes. Grund: Der Lohn bewege sich auf einem zu tiefen Niveau.

Vom Staat und den Kantonen unterstützt

Für das Projekt «Gästival» haben sich die Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden zu einem Trägerverein zusammengeschlossen, der vom kommenden Mai bis Oktober die 200-jährige Tourismusgeschichte der Region feiern wird. Initiiert wurde der Anlass von Luzern Tourismus. Für das Gästival ist insgesamt ein Betrag von etwa acht Millionen Franken vorgesehen, wobei sich die Zentralschweizer Kantone und der Bund mit knapp drei Millionen Franken daran beteiligen. Bekannte Projektpartner und Sponsoren aus der Privatwirtschaft sind unter anderem Helvetia-Versicherungen, die Banken Raiffeisen und Julius Bär sowie das Migros-Kulturprozent. Das Herzstück des Gästivals wird eine 500 Tonnen schwere und gut 50 Meter grosse Seerose sein. Die Stahlkonstruktion bietet für 700 Personen Platz und soll als auf dem See schwimmende Bühne an sechs Standorten ankern. 

Alles nur ein Missverständnis, heisst es seitens des Gästivals. «Es geht hier nicht um eine Erwerbs-, sondern um eine ­ehrenamtliche Tätigkeit», sagt Stefan Ragaz, Medienverantwortlicher des Gästivals, im «Tagesanzeiger». Als Minimaleinsatz seien lediglich 40 Tages- oder Abendeinsätze von etwa sieben Stunden vorgesehen. Von einem «Missverständnis» spricht auch Philipp Berger, Kommunikationsbeauftragter der Staatskanzlei Luzern: «Das Gästival sucht Helfer, bietet also eine temporäre Freiwilligenarbeit mit Umtriebsentschädigung an – keine festen Anstellungen», wie er ebenfalls zitiert wird.

Doch warum kommuniziert man die zu vergebenden Jobs nicht klar und deutlich als Freiwilligenarbeit, sodass ein solches Missverständnisse gar nicht erst entsteht? «Es wurde klar dargelegt, dass wir Helfer und Hosts suchen», erklärt Stefan Ragaz, Medienverantwortlicher des Gästivals. «In der Ausschreibung wird unter dem Punkt Entschädigung deutlich gesagt, dass es nicht um Geld geht.» Man habe dies später jedoch konkretisiert: Neben der erwähnten Verpflegung, den Gratistickets für die Events und einem Spezialanlass für die Helfer auf der Seerose sollte auch eine kleine Umtriebsentschädigung hinzukommen. «Die zehn Franken sind als symbolischer Beitrag und als Anerkennung zu verstehen − wie dies auch bei anderen Kultur- oder Sportanlässen der Fall ist.»

Im Gegensatz zu den Helfern und teilweise auch den Auftretenden werden die Profis von der Leitung des acht Millionen-Franken-Projekts, das durch Bund und Kantone mitfinanziert wird (siehe Box), jedoch marktgerecht entlöhnt. «Wir haben mit dem Verein ‹200 Jahre Gastfreundschaft Zentralschweiz› eine pauschale Leistungsvereinbarung über das Gesamtprojekt Gästival abgeschlossen», erklärt Berger vom Kanton Luzern. Weder die Entschädigungen der Projektleitung noch für die einzelnen Teilprojekte seien ein Gegenstand dieser Vereinbarung. Das heisst, dass der Kanton keinen Einfluss auf die Höhe der Saläre hat.

Ein Missverständnis kommt selten allein

Noch nicht lange ist es her, seit das Gästival in der Zentralschweizer Kulturszene für Ärger gesorgt hatte − ebenfalls aufgrund eines Kommunikationsproblems. Im Januar suchten die Gästival-Organisatoren in einem Artikel im «20 Minuten» nach Künstlern, die auf der Seerose auftreten wollen − und dies ohne Gage (zentral+ berichtete). Das stiess den Kunstschaffenden sauer auf. Der Vorwurf: Man wolle Profis zum Nulltarif.

«Ohne das Engagement von Freiwilligen würde das Gästival letztlich wohl nicht funktionieren.»
 Marco Sieber, Luzerner Fotograf

«Das war wirklich unglücklich formuliert», sagte Ragaz im Anschluss an den Artikel gegenüber zentral+. Während am Abend bezahlte Profis auf der Bühne stehen würden, sei die Seerose tagsüber eine Art offene Bühne, wo sich beispielsweise Trachtengruppen und Jodelvereine der Öffentlichkeit präsentieren könnten. Durch diese Plattform könnten sie mehr Leute erreichen als an einem Dorffest.

«Es wird eine Zweiklassenkultur geschaffen»

Damit reisst jedoch die Kritik der Kulturschaffenden nicht ab. «Damit wird eine Zweiklassenkultur geschaffen», sagt beispielsweise Fotograf Marco Sieber. Der Kanton Luzern habe eine sehr aktive und lebendige Laientheater-Szene, die genau wie die professionellen Produktionen einen wertvollen Beitrag zur kulturellen Vielfalt leiste. Zahle man ihnen keine Gage, nur weil es sich um «Laien» handelt, vermittle dies die Botschaft, dass ihre Darbietungen weniger Wert seien. Das Argument, dass diese Vereine froh um eine solche Plattform sein können, lässt Sieber nicht gelten: «Das ist eine zwiespältige Haltung. Weil ohne das Engagement dieser Freiwilligen würde das Gästival letztlich wohl nicht funktionieren.»  

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