Sursee im Zeichen von Niklaus «Knox» Troxler

«Ein Plakat lebt für 14 Tage, dann ist es vorbei»

Niklaus «Knox» Troxler in der Ausstellung im Sankturbanhof.

(Bild: jwy)

Niklaus Troxler ist 70 geworden – höchste Zeit für eine Retrospektive. Denn dieser Mann hat das Jazzfestival gegründet, die Marke Willisau in die weite Welt getragen und als Gestalter für Furore gesorgt. Ein Gespräch mit «Knox» über die Vergänglichkeit seiner Kunst, sein Leben zwischen Willisau und Berlin und die junge Szene.

Spaziert man aktuell durch das Städtchen Sursee, stösst man unweigerlich auf Niklaus Troxler. Respektive auf seine knalligen Werke: Dutzende Weltformat-Plakate aus seinem Schaffen stehen seit kurzem auf dem Martigny- und dem Mühleplatz. Die Motive: der Autosalon Genf, politische Botschaften und natürlich ganz viel Jazz.

Niklaus Troxler, der für weltbekannte Grafik und das Jazzfestival Willisau steht, ist diesen Frühling 70 geworden. Nun erhält «Knox», wie er genannt wird, in Sursee eine Retrospektive – neben den öffentlichen Plätzen sind seine Werke ab Samstag auch im Museum zu sehen (siehe Box am Textende).

Wir treffen Troxler im Sankturbanhof, an der Fassade steht gross: «World Wide Willisau. Retrospektive Niklaus Troxler». Im Innern werden noch letzte Details arrangiert.

zentralplus: Das Städtchen Sursee steht ab Samstag im Zeichen von «Knox». Stehen Sie gern im Rampenlicht?

Niklaus Troxler: Ach, ich suche das nicht, aber es freut mich speziell, dass das jetzt hier stattfindet. Ich habe viele internationale Ausstellungen, da komme ich an die Vernissage und gehe wieder. Hier ist es ein besonderer Fall, weil es in der engsten Heimat ist. Man kennt mich und ich habe Freunde hier, das ist aussergewöhnlich.

zentralplus: Mit Ihren Werken stehen auch Sie als Person im Fokus. Wie nehmen Sie das wahr?

Troxler: Ich kommuniziere mit meinen Plakaten im öffentlichen Raum, ich habe meine Arbeiten immer in der Öffentlichkeit gezeigt, man muss sich ja nicht verstecken (lacht). Ich finde es total gut, dass es nicht nur museal ist. Schön ist auch, dass die Plakate statt hinter Glas einfach an der Wand hängen, so sieht man die Druckqualität.

zentralplus: Ich habe vorher auf dem Martignyplatz beobachtet: Leute sind irritiert, bleiben stehen, fragen sich, was hier zu sehen ist. Ganz nach Ihrem Geschmack?

Troxler: Ja, das ist die Qualität des Plakats. Man geht ja nicht auf die Strasse, um Plakate anzuschauen, sondern das Plakat erwischt einen. Wenn das passiert, hat es schon etwas erreicht – das ist sehr wichtig. Plakate sollen überraschen, erfreuen oder zum Schmunzeln bringen. Plakate haben eine Qualität, die nur in diesem Medium möglich ist. Es ist eines der ältesten Werbemedien, und es hat überlebt, obwohl es schon oft totgesagt wurde.

Plakate von Niklaus Troxler auf dem Mühleplatz in Sursee.

Plakate von Niklaus Troxler auf dem Mühleplatz in Sursee.

(Bild: jwy)

zentralplus: Müsste die Ausstellung nicht eher in Willisau stattfinden, Ihrem Wohn- und Schaffensort?

Troxler: Ob Sursee oder Willisau, ich sehe die Heimat relativ weit, beides ist für mich zu Hause. Es ist einfach so, dass die Surseer auf mich zugekommen sind, und ich habe freudig angenommen. Aber es gibt im Rahmenprogramm auch noch Anlässe in Willisau.

zentralplus: Mit Ihren Plakaten wurden Sie weltberühmt, einige hängen gar im Metropolitan Museum of Art in New York. Zudem leben und wirken Sie neben Willisau auch in Berlin. Was behagt Ihnen mehr: die Grossstadt oder die Provinz?

Troxler: Es ist eine Wechselbeziehung, ich möchte nicht auf das eine verzichten. Die Grossstadt ist für mich ein Inputgeber. Ich sauge auf und man hat viel mehr Überraschungen und Einflüsse. Auf dem Land ist es ruhiger und ich verarbeite die Eindrücke wieder. Hier bin ich in den Hügeln, in Berlin in den Häusern – und somit mehr mit der Welt verbunden.

«Ein Plakat wird wieder überklebt und muss die Zeit nicht überdauern.»

zentralplus: Wenn man Ihre knalligen Plakate von früher ansieht, wirken sie immer noch modern.

Troxler: Obwohl ich nicht den jeweiligen Zeitgeist ausdrücken wollte, kommt man nicht drum herum: Man sieht, was aus den 70ern, 80ern oder 90ern ist. Einige Plakate haben die Zeit jedoch überlebt, ja. Weil sie so eigen und nicht einem stilistischen Zeitgeist angepasst sind. Ich habe es immer so gesehen: Ein Plakat lebt für die 14 Tage, in denen es hängt, dann ist es vorbei. Wenn man es verhaut, dann verhaut man es – es wird wieder überklebt und muss die Zeit nicht überdauern. Das ist ideal, darum habe ich auch so viel ausprobiert und riskiert.

zentralplus: Das ist eigentlich ein Widerspruch zu einer Retrospektive?

Troxler: Ja, das ist jenseits von der Funktion und Aufgabe eines Plakats. Aber es ist ein schönes Supplement, dass man sie jetzt ausstellen und geniessen kann. Schön ist auch: Gerade Musikplakate versteht man auf der ganzen Welt. Ich habe in Südamerika oder China ausgestellt, die Plakate kommen überall an. Man muss nicht lesen können, was draufsteht. Man erkennt den Klang, den Rhythmus und die Vibration.

zentralplus: Sie schauen lieber nach vorne als zurück, haben Sie gesagt.

Troxler: Ich habe immer nach vorne geschaut. Als ich noch Konzerte organsierte sowieso, die Musikszene hat sich immer entwickelt, davon habe ich profitiert.

zentralplus: Sie haben der Kuratorin der Ausstellung, Sara Zeller, Ihr privates Archiv geöffnet. Haben Sie ihr freie Hand gelassen?

Troxler: Sie wollte sehr viel wissen und sehen, aber ich habe ihr nicht dreingeredet. Ich finde es interessanter, wenn Dritte eine Ausstellung zusammenbauen, als wenn ich das selber mache. Sie gewichten anders, zeigen Gegensätze und gemeinsame Nenner auf. Man kann das auf alle Arten arrangieren. Ich hatte schon eine Ausstellung, die nach Farben sortiert war. Ich würde das nie machen, aber es ist möglich (lacht).

Autosalon Genf, Vaterland, Kleintheater. Besonders das Plakat links sorgte 1984 für Furore mit dem grünen Auto. Nicht alle Autoimporteure hatten Freude daran.

Autosalon Genf, Vaterland, Kleintheater. Besonders das Plakat links sorgte 1984 für Furore mit dem grünen Auto. Nicht alle Autoimporteure hatten Freude daran.

(Bild: jwy)

zentralplus: Gibt es Plakate, die Sie lieber im Archiv gelassen hätten?

Troxler: Natürlich hat es mich gewundert, dass dieses oder jenes dabei ist. Aber wenn ich die Ausstellung jetzt in dieser Thematisierung sehe, muss ich sagen: Ich kann zu allem stehen. Kunstwissenschaftler können besser Zusammenhänge aufzeigen und Sachen sichtbar machen, die über dem Einzelnen liegen. Ich finde, man muss sie machen lassen.

zentralplus: Das sehen sicher nicht alle so …

Troxler: Ja, aber als Gestalter lasse ich mir auch nicht gerne dreinreden. Es gab mal einen Dokfilm über mich, zwei Jahre haben sie mich ständig verfolgt. Als ich eine Rohfassung sah, fand ich zuerst: Wieso ist diese Sequenz drin und nicht eine andere? Aber ich sagte mir, dass ich das der Regie überlasse. Die Gestaltung des Films ist eine Leistung, es steht eine Persönlichkeit dahinter, das muss man respektieren. Ich will ja nicht Regieassistenz machen.

«Ich habe jetzt genug Zeit für mich und meine freien Arbeiten.»

zentralplus: Man kennt Sie vor allem von Ihren Plakaten, aber hier gibt es auch Aquarelle, Collagen und Skizzen zu sehen. Wie wichtig ist das?

Troxler: Ich führe ein Gestalterleben und habe einfach den Drang, mich auszudrücken und etwas zu versuchen. Das Plakat ist immer das, was an die Öffentlichkeit gerichtet ist. Aber ich schaffe seit eh und je auch frei künstlerisch. Zudem sind frühe Experimente mit Bleisatz oder Entwürfe für Plakate zu sehen.

Niklaus Troxler zeigt einige seiner neueren Arbeiten in der Ausstellung – mit Isolierband.

Niklaus Troxler zeigt einige seiner neueren Arbeiten in der Ausstellung – mit Isolierband.

(Bild: jwy)

zentralplus: Luzern hat eine vitale Grafiker- und Plakat-Szene. Wie verfolgen Sie diese?

Troxler: Ich verfolge die junge Szene, es tut sich so viel im Grafikdesign, das ist extrem. Das Weltformat-Festival etwa hat sich etabliert und es freut mich, dass die treibende Kraft dahinter ein ehemaliger Lehrling von mir ist: Erich Brechbühl (zentralplus berichtete). Er ist einer, der anpackt, vernetzt und internationalisiert. Das finde ich super.

zentralplus: Sie sind 70 geworden diesen Frühling. Was schätzen Sie am Alter?

Troxler: Ich habe kein fix geplantes Leben mehr wie früher, ich habe Freiräume in der Agenda. Das ist mir erst aufgefallen, als ich aufgehört habe zu unterrichten und seit ich keine Auftragsarbeiten mehr mache. Ich habe jetzt genug Zeit für mich und meine freien Arbeiten.

zentralplus: Plakate gestalten Sie heute keine mehr?

Troxler: Ich mache nur noch Jazzplakate für den Bau 4 in Altbüron. Das ist schön, weil ich da die totale Freiheit habe und das weiterführen kann, was ich in Willisau gemacht hatte. Sonst mache ich keine Auftragsarbeiten mehr. Aber ich habe auf der ganzen Welt Engagements für Vorträge, Ausstellungen und Workshops.

zentralplus: Bald startet das Jazzfestival, sind Sie immer noch Stammgast?

Troxler: Ja, aber es ist angenehm ruhig. Ich treffe meine Freunde, Musiker und kann alles hören und habe keine Aufgabe (lacht). Ich bin sehr froh, wie es läuft und dass es immer noch diese Qualität hat.

zentralplus: Der Name Troxler wird weitergetragen: Durch Ihren Neffen Arno Troxler als Leiter des Jazzfestivals und durch Ihre Töchter Paula und Annik Troxler in der Grafikszene. Was bedeutet Ihnen das?

Troxler: Das ist riesig schön, ich habe das jedoch nie forciert (lacht). Sie sind natürlich durch mich im Milieu aufgewachsen. Lange hatte es nicht danach ausgesehen, dass meine Töchter Grafikerinnen werden. Und ich glaube, sie hatten anfänglich eher Probleme, dass sie immer auf den Namen angesprochen wurden. Damit kommen sie heute super klar, sie sind beide so eigenständig und haben sich längst durchgesetzt. Sie sind keine Klone von mir (lacht).

«World Wide Willisau»: Hommage an Niklaus Troxler

Er holte den Jazz nach Willisau, machte das Jazzfestival über die Grenzen hinaus zu einem Begriff und wurde mit seinen Plakaten zu einem weltbekannten Grafiker. Der Willisauer Gestalter und Jazzveranstalter Niklaus «Knox» Troxler ist diesen Frühling 70 geworden und wird jetzt in Sursee mit der Hommage «Art&Jazz» geehrt.

Im Zentrum steht die Retrospektive «World Wide Willisau» im Sankturbanhof Sursee (19.8–7.1.18). Die Plakatkunst bildet den Kern der Ausstellung, darüber hinaus geben Aquarelle, Collagen, Skizzen und Entwürfe Einblick in die Arbeitsweise von Troxler. Hightlights aus Troxlers Pakatfundus sind auf dem Martigny- und Mühleplatz zu sehen. Im Somehuus sind zudem Serigrafien und Lithografien ausgestellt.

Kein Niklaus Troxler ohne Musik: Im Rahmenprogramm gibt’s von September bis Januar eine Reihe von Konzerten mit Schweizer Jazzgrössen.

Vernissage im Sankturbanhof: Samstag, 19. August, 17 Uhr. Anschliessend um 19 Uhr im Stadttheater Sursee: Jazzkonzert mit Irène Schweizer (p) und Pierre Favre (dr). Das ganze Programm gibt es hier.

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