Die letzte Arbeit eines Zuger Künstlerduos

Ein Buch, das keiner lesen sollte

Michel Kiwic (links) und Severin Hofer, auch bekannt als Künstlerduo Hoffnung+Kiwi beim Kunstkiosk in Baar. In den Händen ihr erstes literarisches Werk.

(Bild: pbu)

Das Zuger Künstlerduo Hoffnung+Kiwi hat ein Buch geschrieben. Was darin steht, ist ein Geheimnis. Und ob die Seiten überhaupt bedruckt sind, ist höchst ungewiss. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die beiden ihr Werk eigentlich gar nicht veröffentlichen wollen.

Hier sitzen wir nun also. Im Kunstkiosk in Baar. Draussen kämpfen die Vögel mit ihrem Gezwitscher gegen den Strassenlärm des Feierabendverkehrs an. Die Sonne scheint und versprüht eine angenehme Wärme. Hier drinnen allerdings, im Kunstkiosk, diesem Refugium von gerade mal 20 Quadratmetern Grösse, ist es erstaunlich kühl. Nichtsdestotrotz schotten wir uns ab, schliessen die Tür und setzen uns auf Klappstühlen an einen just inmitten des winzigen Raumes installierten Tisch. Zum Trinken gibt es Mineralwasser.

Wir sind auf geheimer Mission. Diese besteht darin, mit dem Zuger Künstlerduo Hoffnung+Kiwi über «Die letzte Arbeit» zu sprechen. So nämlich lautet der Titel des jüngsten Werks der beiden. Ein Buch, ganz in Schwarz gehalten, mit grossen weissen Lettern versehen – in seiner Schlichtheit kaum zu unterbieten. So unspektakulär die Form auch sein mag, der Inhalt hat es in sich – vermutlich. Denn das Prädikat lautet «Top Secret». Abgesehen von den Autoren konnte bisher niemand auch nur eine Zeile daraus erhaschen. Und das soll vorerst auch so bleiben.

Der Kunstkiosk Baar. Auf engen 20 Quadratmetern wurde versucht, dem Erstlingswerk von Hoffnung+Kiwi auf den Grund zu gehen.

Der Kunstkiosk Baar. Auf engen 20 Quadratmetern wurde versucht, dem Erstlingswerk von Hoffnung+Kiwi auf den Grund zu gehen.

(Bild: pbu)

Leere, Fülle und Fantasie

«Es ist das Spiel von Realismus und Fantasie, das uns umtreibt», sagt Neuautor Michel Kiwic. «Die Fülle des Realismus, der einschränkende Charakter der Realität ist der Nährboden der Fantasie.» Sein Co-Autor, Severin Hofer, hält dagegen: «Es braucht die Leere im Realismus, damit etwas Neues entstehen kann.» Und dann finden die beiden doch noch Einigung: Fülle und Leere können die Feinde der Fantasie sein. Aber diese zugleich auch beleben. Und das, so versichern sie, sei letztlich die Quintessenz aus ihrem Buch.

Vernissage im Kunstkiosk Baar

Hoffnung+Kiwi stellen ihr erstes Buch «Die letzte Arbeit» im Kunstkiosk in Baar vor. Die 200 Seiten sollen Aufschluss darüber geben, was sich hinter dem Künstlerduo verbirgt. Verspielt und unberechenbar nehme der Inhalt unerwartete Wendungen und verlange des Lesers letzten Tropfen Glaube an Freiheit.

Die Vernissage findet statt am Donnerstag, 19. Mai 2016, von 17 bis 20 Uhr. Die Ausstellung läuft dann bis zum 29. Mai 2016 und kann jeweils Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Samstag von 17 bis 21 Uhr besucht werden.

Nun denn, das klingt viel versprechend, oder auch nicht. Hoffnung+Kiwi wollen mit ihrem Schriftstück aber ja auch keine Literaturpreise gewinnen. Wobei, eigentlich wäre das schon nicht schlecht, wendet Kiwic ein, lehnt sich im Klappstuhl zurück und nippt am Plastikbecher. «Ein Buch vermittelt nicht bloss Worte. Mit unserem Werk wollen wir dem Leser absolute Freiheit geben. Ob dies gelingt, ob er damit überhaupt umgehen kann, ist eine andere Frage», sagt er. Mit Wörtern Freiheit schaffen, so das nicht ganz unambitionierte Vorhaben der Zuger Künstler.

Keine Angst vor enttäuschten Erwartungen

Was aber, wenn sich der Leser darauf einlässt, sich in der Folge aber ein völlig anderes Bild macht, als die zwei es eigentlich vermitteln wollen? «Das ist eine zentrale Frage, der wir uns durchaus bewusst sind», sagt Kiwic. Umso mehr sei er jedoch gespannt auf die Reaktionen. Severin Hofer fügt an: «Ich finde, wir können den Reaktionen sehr gelassen entgegenblicken. Natürlich ist man gespannt. Ich glaube trotzdem, dass jeder letztlich so viel aus dem Buch nimmt, wie er oder sie es möchte – und überhaupt vermag.»

Keine Angst vor negativen Reaktionen? «Enttäuschung hat in erster Linie mit Erwartung zu tun», erläutert Hofer. Viele Leute, die kritisieren, würden sich nicht überlegen, mit welcher Erwartungshaltung sie an die Sache herangetreten sind. Die Frage, was genau mich denn nun enttäuscht, werde zu selten gestellt. «Ich habe überhaupt keine Angst davor, wenn jemand das Buch schlecht finden sollte», wirft Kiwic ein.

«Am liebsten würde ich das Buch gar nicht veröffentlichen.»

Michel Kiwic, Hoffnung+Kiwi

Mit der Veröffentlichung stirbt die Vorfreude

Es würde sowieso ausreichen, wenn die Leute interessiert und gespannt sind. «Dann haben wir es eigentlich schon geschafft», meint Kiwic und stösst damit zum Kern der Sache vor. Dieses Interesse, diese gespannte Vorfreude zeuge nämlich von einer grossen Kraft. «Am liebsten würde ich das Buch gar nicht veröffentlichen, sondern möglichst lange hinauszögern. Denn die Vorfreude verfügt über eine immense Energie, und die Leute sollen so lange wie möglich in dieser Vorfreude gefangen sein.»

Spannung liegt unbestritten in der Luft des kleinen Kabäuschens namens Kunstkiosk. Denn während wir über «Die letzte Arbeit» des Künstlerduos sprechen, ziert ein Exemplar des Werks den mittig im Raum platzierten Tisch. Eingeschweisst in transparenter Folie spricht es jedoch eine deutliche Sprache: Don’t touch! Ja keinen Blick hineinwerfen. Das Geheimnis und mit ihm die Vorfreude soll erst zur Finissage gelüftet beziehungsweise befriedigt werden.

«Wissen ist Macht und mässig wichtig.»

Severin Hofer und Michel Kiwic zitieren aus ihrem Buch

Wer will denn schon wissen?

Ein letzter Versuch wird dennoch gewagt: Wenn sie in einem Satz beschreiben müssten, worum es in dem Buch geht, wie würde dieser Satz lauten? Ohne lange nachzudenken einigen sich die beiden darauf, dass sich ein Zitat aus dem Buch selbst wohl am besten dazu eignet. «Wissen ist Macht und mässig wichtig», rezitiert Severin Hofer.

Mehr ist den beiden nicht zu entlocken. Aber eigentlich muss es das auch nicht. Wir haben verstanden. Dass Wissen mässig wichtig ist, trifft schliesslich auf jegliche Form des Wissens zu. So auch darauf, was denn nun eigentlich wirklich im Buch geschrieben steht. So ziehen wir von dannen, das eingeschweisste Buch unter dem Arm, welches vorerst nicht geöffnet wird – versprochen ist versprochen.

Hoffnung+Kiwi bleiben sich treu. Wer die beiden kennt, der weiss, dass ihre Projekte stets mehr Fragen aufwerfen, als Antworten geben. Letztlich könnten die Seiten ihres Buches auch alle leer sein. Oder bedruckt mit Bildern. Oder, wie Severin Hofer vorschlägt, verziert mit vakuumierten Schmetterlingen. Wer weiss? Die Spannung wird schon bald gelöst. Leider.

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