Akkordeonist Martynas Levickis im Casino Zug

Dieser Mann ersetzt ein ganzes Orchester

Flink und gefühlvoll auf den Tasten: Martynas Levickis.

(Bild: Gediminas Zilinskas)

Zum Abschluss des Akkordeonfestivals Zug spielte mit Martynas Levickis ein Hitparadenstürmer in Zug. Über den gehen die Meinungen in der Musikwelt ziemlich auseinander.

Ist er der Mann, der Millionen von Menschen einen neuen Zugang zur klassischen Musik eröffnen kann? Oder macht er es sich mit einem Repertoire aus Klassik-Schnulzen zu einfach? Steht er damit in der Tradition von Geigern wie Nigel Kennedy und David Garrett, die um des kommerziellen Erfolgs willen vor einer Verkitschung toller Musik nicht zurückschrecken?

Dies fragt man sich, seit Martynas Levickis 2013 in Grossbritannen in den Classical Artist Albums Charts auf Platz eins stürmte – was zuvor noch kein Akkordeonist geschafft hatte. Auf seinem Debütalbum «Martynas» spielt er populäre Stücke von Vivaldi, Mozart, Brahms oder Bizet ebenso wie Popsongs von Lady Gaga oder Daft Punk.

Reduktion aufs Maximum

Am Sonntag nun gastierte der 27-jährige Litauer mit seinem Mikroorkestra Ensemble im Rahmen des Akkordeonfestivals Zug im frisch renovierten Festsaal des Theater Casinos. Sein Ruf hat sich in Zug noch nicht herumgesprochen, obwohl er schon im vergangenen Jahr auf dem Programm des Festivals stand. Nur rund 100 Leute wollten den Shooting-Star und seine vier jungen Begleitmusiker aus dem Baltikum sehen.

Die kamen freilich auf ihre Kosten. Zwar konnte das Mikroorkestra konnte nicht die Komplexität eines grossen Klangkörpers nachbilden, aber Levickis Devise ist ohnehin jene der Reduktion.

Zeitgenössische Kompositionen

Er trat auch dem Verdacht entgegen, mit gefälligen Gassenhauern den einfachen Erfolg zu suchen. Immer wieder brachte er zeitgenössische Musik zur Aufführung: Vom Dänen Poul Ruders etwa oder vom Schweden Daniel Nelson – Kompositionen, die mit Dissonanzen die Hörgewohnheiten des Publikums herausforderten. Dazwischen gabs baltische Folklore und – natürlich  – die unvermeidlichen Hits aus seinem angestammten Repertoire.

Der klassisch ausgebildete Akkordeonist Levickis selbst ist technisch perfekt. Zu seinem ersten Plattenvertrag ist er gekommen, weil ein britischer Agent den Videomitschnitt eines litauischen Talentwettbewerbs auf den sozialen Medien sah. Sein Vermögen stellte er auch in Zug wieder unter Beweis – in einer bemerkenswert runden Interpretation von Jean Sibelius Klavierstück «die Fichte» (Opus 75). Oder im «Winter» aus Antonio Vivaldis «Vier Jahreszeiten», in der das Mikroorkestra ein überraschend dichtes Klangbild schuf.

Oje, doch noch die Schnulze

Bei der zweiten Zugabe wars dann soweit: «Rondo alla Turca» von Wolfgang Amadeus Mozart darf in keinem Best-of-Classics-Album fehlen. Doch Levickis und seine Mitmusiker bewiesen Selbstironie, verfremdeten das Stück mit wilden Tempowechseln, folkloristischen Einschüben und Improvisationen.

Damit zeigte Levickis auch, was er mit seinem Pojekt eigentlich bezweckt: Nicht einfach eine reduzierte Form von gern gehörten Stücken zu spielen, denen er mit seinem Pianoakkordeon einen eigentümlichen Zauber verleiht. Nein, er will auch die Grenzen seines Instruments ausloten und Brückenbauer zwischen den Musikstilen spielen. Das kann er leisten und ist in diesem Sinn auch ein guter Schlusspunkt unter dem diesjährigen Akkordeonfestival Zug.

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