Was sich auf dem Krienser Sonnenberg ändert

Diese Frauen verleihen dem B-Sides Festival neuen Schwung

Bilden die neue Programmgruppe des B-Sides Festival: Dominika Jarotta (links) und Jennifer Jans. (Bild: ida)

Nach zwei Jahren Corona-Pause feiert das B-Sides Festival nächstes Jahr seinen Neustart. Mit dabei: ein neues Duo. Jennifer Jans und Dominika Jarotta sind zukünftig fürs musikalische Programm verantwortlich. Im Gespräch erklären die beiden, was beim B-Sides bleibt – und wo sie dem Festival ihren Stempel aufdrücken wollen.

Jahr für Jahr pilgern Konzertfans und Kulturfreunde zu Hunderten auf den Krienser Sonnenberg. Denn der Haushügel mutiert seit 2006 jeden Sommer für drei Tage zu einem Musik-Hotspot.

Dieses Jahr hätte das B-Sides Festival seine 16. Ausgabe gefeiert. Gebangt und gehofft haben die Organisatorinnen bis zum Schluss – bis sie kurzerhand die Reisslinie ziehen mussten: Corona-bedingt mussten sie das Festival abblasen (zentralplus berichtete). Bereits 2020 gab es kein B-Sides auf dem Sonnenberg, dafür einen Alternativanlass im Neubad.

Voller Elan packt die Festivalleitung nun die Ausgabe im nächsten Sommer an. Und das mit frischem Wind: Erstmals fürs musikalische Programm verantwortlich sind Jennifer Jans und Dominika Jarotta.

Jennifer Jans (34) ist seit 2015 in verschiedenen Funktionen für das B-Sides tätig. Sie ist ehemalige B-Sides-Geschäftsleiterin, seit drei Jahren Teil der Programmgruppe und hat mit ihrer Band Bleu Roi zwei Alben veröffentlicht. Dominika Jarotta (30) war vier Jahre lang mitverantwortlich für das Programm im Luzerner Neubad und ist seit einem Jahr in der Dampfzentrale Bern im Bereich Booking tätig.

Wir haben Jennifer Jans und Dominika Jarotta im Neubad getroffen. Im Video verraten sie dir, wie ein perfektes B-Sides für sie aussieht:

Es gibt kein komplett anderes Programm

Das B-Sides ist in den letzten 16 Jahren zu einem Festival gewachsen, an dessen Grundwerten Jans und Jarotta nicht rütteln wollen. «Das B-Sides ist an einem Punkt, wo viel Zeit, sehr viel feinfühlige Arbeiten und Herzblut investiert wurden», sagt Jennifer Jans. «Unser Ziel ist es nicht, das Programm komplett anders zu machen. Im Gegenteil. Es sind diese Werte, die für das B-Sides so wichtig sind.» Dominika Jarotta pflichtet ihr bei. «Im besten Fall realisieren die Besuchenden gar nicht, dass jetzt andere Personen hinter dem Programm stehen. Es gab ja jedes Jahr wieder Überraschungen.»

Künstlerinnen auf die Bühne zu holen, die sonst eher vergessen gehen, bleibt ein Ziel. Sowie der Gedanke, Musiker wie auch Veranstalterinnen untereinander zu vernetzen. Jans erwähnt die B-Sides-Vernetzungsplattform «Say Hi!», die sie mitinitiiert hat.

«Viele meinen, es gibt weniger Frauen in der Musikszene. Doch das ist schlicht falsch.» 

Jennifer Jans

Und: Bekanntes mit Unbekanntem zu vermischen. Regionale mit nationalen und internationalen Acts. «Und das bewusst mit dem Gedanken: Was passiert, wenn sich zwei Bands, die sich noch nicht kennen, im Backstage begegnen? Was findet da für ein Austausch statt, was für eine Wirkung hat dies auf ihre Performance und was löst das wiederum im Publikum aus?»

Gesellschaftliche Werte und Musik zu verbinden, bleibt ein wichtiger Pfeiler des B-Sides. Und damit, denjenigen eine Plattform zu geben, die diese Werte in ihren Lyrics oder ihrem Aktivismus widerspiegeln. Jarotta, die vor rund acht Jahren zum ersten Mal das Festival auf dem Krienser Sonnenberg besucht hat, ist die B-Sides-Ausgabe von 2017 speziell im Kopf geblieben. Damals, als das B-Sides ein starkes Zeichen setzen wollte und sich im Rahmen des Projekts «The Art of Culture of Hope» mit Hoffnung und Ängsten auseinandersetzte.

Noch mehr Diversität auf den Bühnen des B-Sides

«Was auf der Bühne geschieht, das widerspiegelt sich auch im Publikum oder auf der Welt. Und Musikfestivals – insbesondere auch das B-Sides – stehen für mich genau dafür ein», sagt Jarotta. Das widerspiegelt sich auch bei den Programmiererinnen. «Wenn ich meine Musikhistorie der letzten 20 Jahre anschaue, sind etwa zu 80 Prozent weibliche Acts aufgelistet», sagt Jarotta. Als Frau setze sie sich logischerweise mit Themen auseinander, die Frauen – auch in ihrer Musik – beschäftigen. «Genau deswegen ist es so wichtig, Diversität auf allen Ebenen zu erreichen. Als Programmiererinnen bestimmen wir unter anderem mit, welche Teile der Gesellschaft in der Öffentlichkeit präsent sind. Wenn wir verschiedenen Menschen, Gruppen und Szenen eine Bühne geben, können sich auch verschiedene Menschen im Publikum mit der Person auf der Bühne identifizieren – sie wird zum Vorbild.»

Im Programmteam des Festivals stelle sich die Frage gar nicht mehr, ob das Augenmerk während des Booking-Prozesses speziell auf weibliche Acts gelegt werde. «Viele meinen, es gebe weniger Frauen in der Musikszene», sagt Jennifer Jans. «Doch das ist schlicht falsch. Es gibt extrem viele Frauen. Man muss sich nur die Zeit nehmen, sie zu finden.» Auch für das B-Sides bedeutete das einst: Recherchieren, Festivals und andere Konzerte besuchen, sich vernetzen – um spannende Künstlerinnen zu entdecken.

«Das finde ich eben genau wichtig: Dass es bei Musikvorstellungen Platz gibt für Verwirrung.»

Dominika Jarotta

Und dies wurde zu einem Automatismus, zu einer Selbstverständlichkeit. Das zeigt auch ein Blick in die Programmhefte früherer Ausgaben des B-Sides: 2018 unterschrieb die Festivalleitung die internationale Kampagne Keychange. Diese setzt sich zum Ziel, bis 2022 gleich vielen Frauen wie Männern auf der Bühne Platz zu geben. Das hat das B-Sides jedoch bereits damals geschafft. 2018 stand bei 51 Prozent aller Acts mindestens eine Frau auf der Bühne, ein Jahr zuvor sogar bei zwei Dritteln. Davon könnten sich andere Festivals eine Scheibe abschneiden (zentralplus berichtete).

Die Geschlechterfrage hat sich eingependelt, doch Diversität geht bekanntlich viel weiter. «Wir beide haben zwar unseren Fokus. Wir versuchen jedoch, möglichst breit zu programmieren», sagt Jarotta. «Und so einen Ort zu schaffen, an dem sich alle möglichst willkommen und wohlfühlen.»

Lockt jeweils im Sommer drei Tage lang Musikfreunde auf den Sonnenberg: das B-Sides Festival. (Archivbild: zvg/Silvio Zeder) (Bild: zvg)

Musikschaffende in verschiedenen Facetten zeigen

Dennoch wird das Programm natürlich ein anderes sein. «Dass wir beide dem B-Sides eine eigene Note geben, passiert automatisch», sagt Jennifer Jans. Inwiefern, können die zwei wohl erst in einem Jahr so richtig abschätzen. Klar ist: Beide bringen einen eigenen Rucksack an Erfahrungen mit – sowie eine individuelle Musik-Playlist. «Wenn Dominika und ich nun unsere Musik-Playlist miteinander vergleichen, so lernen wir immer neue Bands kennen, was super inspirierend ist.»

«Den Donnerstag, möchten wir etwas breiter denken. Jeder Festivaltag soll seine eigene Note und Geschichte erhalten.»

Dominika Jarotta

Eine Sache, die sie sich sicherlich zu Herzen nehmen wollen: Schweizer Kunstschaffende in ihren verschiedenen Facetten zu zeigen. Dominika Jarotta erzählt, wie sie gemeinsam ihre Act-Ideen für das Festival studierten und realisierten, dass eine Künstlerin/ein Künstler gleich bei mehreren Musikprojekten engagiert war. Und das bei ziemlich unterschiedlichen: von Punk über Hip-Hop/Rap bis zu Experimentellem.

Im Team stellte sich die Frage, ob sie nur einen Act buchen wollen – oder gleich mehrere, um dem Publikum gerade diesen Facettenreichtum eines Künstlers zeigen zu können.

Moment der Verwirrung ist gewollt

Das neue Duo mag Musik, die überrascht. Das sorgt bei Besucherinnen auf dem Sonnenberg auch mal für fragende Gesichter und Verwirrung. «Dabei gibt es einen klaren Grund, warum eine Band zu einer bestimmten Zeit auf einer Bühne steht», sagt Jans. Und Jarotta ergänzt: «Das finde ich eben genau wichtig: Dass es bei Musikvorstellungen Platz gibt für Verwirrung. Es sagt viel mehr etwas über mich als Mensch aus, wenn mir ein Act auf der Bühne nicht gefällt, als über den Act selbst.»

Man lernt Neues kennen, auch wenn es im ersten Moment vielleicht unangenehm erscheinen mag. «Oder es führt zu einer Form der Ekstase, weil man eben nicht weiss, wie sich das Musikstück, das Konzert weiterentwickeln wird.»

Und was wollen sie konkret umkrempeln? «Den Donnerstag möchten wir etwas breiter denken. Jeder Festivaltag soll seine eigene Note und Geschichte erhalten», sagt Jarotta. Allzu viel wollen die beiden jedoch nicht verraten. Mitte November gibt das B-Sides das «erste Zückerli», den ersten Act, bekannt. Und im März 2022 dann das ganze Line-up.

Gäb's einen Act, den sie unbedingt buchen würden – wenn ihnen keine Grenzen gesetzt wären? Dominika Jarotta nennt Sault. Jennifer Jans ist ein riesiger Fan von Bon Iver und generell Justin Vernons Schaffen. «Ihn würde ich unglaublich gerne in einer solchen intimen Atmosphäre wie am B-Sides erleben dürfen.»

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