Kultur
Analyse zum Knatsch in Luzerner Kulturhaus

Dienen statt reglementieren – was der Süpol ändern muss

Der Südpol in Kriens mutiert zur Baustelle. Besonders intern.

(Bild: jal)

Rund um den Südpol herrscht seit dem Rücktritt des gesamten Vorstands eine unangenehme Stimmung. Und seit nun auch die beiden Leitungsposten des Luzerner Kulturhauses neu besetzt werden müssen, steht über allem die eine Frage: «Was muss sich in Zukunft ändern?»

Die Atmosphäre ist angespannt. Der Ton oft giftig. An Konzerten und Theatervorstellungen, an Vernissagen und in den lokalen Kulturbeizen dominiert das Thema seit Wochen und jeder hat Anekdoten zu erzählen. Jeder weiss, woran es gelegen hat, doch offiziell will keiner mehr etwas sagen – zum Südpol. Keiner will sich die Finger verbrennen und im engen Kulturfilz Luzerns zur persona non grata mutieren.

Floskeln und Geschwurbel

Komisch wird es dabei, wenn man als Journalistin gebeten wird, Menschen offiziell und schriftlich zu bestätigen, dass sie keine Quelle für einen Artikel waren. Denn jeder verdächtigt jeden, nicht loyal zu sein und Gerüchte zu streuen. Wirklich anstrengend wird es auch, wenn Leute, die sonst kein Blatt vor den Mund nehmen, plötzlich nur noch schriftlich und in Floskeln kommunizieren.

Mit der Presse geredet wird kaum noch. Und wenn, dann werden Informationen durch politisch-juristisches Geschwurbel dermassen unverständlich verpackt, dass kein Journalist es veröffentlichen, geschweige denn ein Leser verstehen würde. Als handle es sich beim Südpol um einen hochgeheimen Betrieb.

Was mittlerweile trotzdem klar geworden ist, wenn man sich umhört und mit Betroffenen spricht: Das Problem ist nicht nur das Haus, obwohl dieses Gebäude, die Infrastruktur und der Standort ganz klar Herausforderungen mit sich bringen.

Kritik gleich Angriff

Um dieses Haus mit Leben zu füllen und es doch noch zu einem Zuhause der hiesigen Kulturschaffenden zu machen, braucht es offensichtlich mehr als ein gutes Programm und zur Verfügung gestellte Räume. Dass die Luzerner Kulturschaffenden sich nicht wirklich mit dem Südpol identifizieren, was sich an der öffentlichen Kritik (zentralplus berichtete) und den tiefen Mitgliederzahlen zeigte, hat Gründe.

Ein Problem ist offenbar, dass die aktuelle «Besatzung» des Südpols keine Veränderung ihrer Regeln und ihres Teams von oben oder aussen annehmen wollte. Ein Grund für den Rücktritt des Vorstands. Denn kritische Äusserungen scheinen nicht konstruktiv, sondern vor allem als Angriff wahrgenommen zu werden.

Reglementierungen und Ungastlichkeit

Einer der Kritikpunkte ist, dass sich der Südpol aktuell mehr als «Künstler» versteht und weniger als Veranstalter. Eine hauseigene Dramaturgie macht ohne hauseigene Künstler wenig Sinn. Ein Haus wie der Südpol und sein Team sollten der Kunst zudienen, sie nicht selbst machen wollen und sie vor allem nicht unnötig reglementieren, so die Vorwürfe. Es soll Gastkünstlern bei der Entwicklung und beim Aufbau ihrer Kunst helfen, anstatt sie für einen geliehenen Schraubenzieher Formulare ausfüllen zu lassen, so eines der Beispiele.

Allgemein wirkt auch die Gastronomie des Kulturhauses oft unwirtlich. Und wenn die Gastronomie nicht gastfreundlich daherkommt, dann kann damit auch schwerlich die Kultur querfinanziert werden, was in vielen Kulturhäusern der Fall ist. Daher macht es beispielsweise wenig Sinn, Künstlern vor Eintreffen der Gäste keine Getränke herauszugeben und den Aufenthalt im «Restaurant» während der Mittagszeit zu verbieten. Menschen, die ein Kulturhaus besuchen, kommen grundsätzlich gerne mit Künstlern in Berührung.

Wenn man auch als Gast bei verschollenen Reservationen ohne Essen und ohne Entschuldigung wieder auf den Weg zurück in die Stadt geschickt wird und nach der Performance die Bar erst gar nicht mehr öffnet, fühlt man sich in einem Kulturhaus nicht willkommen.

Leere Räume und anarchistische Hefte

Als nicht zuträglich wird auch die Inneneinrichtung wahrgenommen, die zwar praktisch, aber weder einladend noch gemütlich daherkommt. Nach zehn Jahren wirkt das Haus auf der Terrasse und besonders in der Shedhalle noch immer wie neu gebaut. Selbst an gut besuchten Abenden verlieren sich die Zuschauer in der leeren Halle und im kühlen Beton.

Ein Problem besteht auch bei der Kommunikation des Südpols. Diese sollte sich vielmehr als Werbung für die Veranstaltungen verstehen und weniger als kreatives Kulturheft, in welchem sich Mitarbeiter des Hauses künstlerisch und journalistisch ausleben. Wie oft verpasst man tolle Konzerte und international gefeierte Künstler im Südpol, weil schlicht keiner davon weiss? Im mehrseitigen, anarchistisch gestalteten Heft und den kreativen Plakaten finden sich eben oft nur schwerlich die Infos zu den Veranstaltungen, die ein breites Publikum eigentlich gerne besucht hätte.

Doch bis man daraus schlau geworden ist, hat man bereits die Veranstaltungsprogramme aller anderen Kulturhäuser dreimal überflogen. Dieses coole Understatement in der Werbung ist gerade bei schlechten Besucherzahlen und in einer Zeit schneller Informationsbeschaffung schlicht unverständlich.

Programm mit Kraft

Auch weil sich die Veranstaltungen, die man bewerben könnte, wirklich sehen lassen. Neben internationalen Künstlern und nationalen Grössen wagt der Südpol Experimente und er lässt lokale Bands und Theatergruppen im Haus Neues entwickeln. Auch die Ausstrahlung und Vernetzung mit unterschiedlichsten und auch etablierten Häusern zeigt sich an den wohlgesonnenen Stellungnahmen der Zürcher Gessnerallee und des Luzerner Theaters zur Krise in der «Luzerner Zeitung».

Man kann nur hoffen, dass die gute Arbeit, die das Team um Patrick Müller und Dominique Münch in diesem Bereich geleistet hat, weitergeführt und mit neuen Ideen und Ansätzen ergänzt und erfüllt wird. Nach dem Jubiläumsjahr zum zehnjährigen Bestehen wird das von einem komplett neuen Vorstand, einer neuen künstlerischen und einer neuen Betriebsleitung verantwortet.

Hoffnung gibt jedenfalls, dass sich die Kulturschaffenden Luzerns seit dem Rücktritt des Vorstands gefühlt erstmals für den Südpol einsetzen und mit zahlreichen neuen Mitgliedschaften zeigen: «Wir wollen dieses Haus.»

Über das Wie muss wohl noch gestritten werden. Gelegenheit dafür bietet sich bereits Ende August wieder – bei der nächsten ausserordentlichen Mitgliederversammlung.

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