Interview mit Theaterautor Dominik Busch

«Die Schweiz als Dienstleister – blind für Moral?»

Der Luzerner Dominik Busch ist einer der drei Hausautoren am Luzerner Theater – zum Schreiben kam er jedoch erst vor wenigen Jahren. (Bild: Ingo Höhn)

Dominik Busch ist einer der Hausautoren am Luzerner Theater. Sein Weg dahin führte jedoch über einige Umwege. So lebte der Luzerner jahrelang als Musiker in Berlin. Nun entdeckt er seine politische Seite und nimmt die Schweizer ganz schön auseinander.

Dominik Busch kann man in keine Schublade stecken. Autor, Philosoph, Bassist – und das in Luzern, Berlin und Zürich am Stadttheater oder in der freien Szene. Busch ist überall zuhause.

Nun wurde der 36-jährige Luzerner zu den Berliner Autorentheatertagen 2016 eingeladen. Aus insgesamt 175 eingereichten Stücken wurden drei Stücke ausgewählt, darunter auch Buschs neues Werk «Das Gelübde». Dieses wird in Zusammenarbeit des Deutschen Theaters mit dem Burgtheater Wien und dem Schauspielhaus Zürich im Juni 2016 in Berlin uraufgeführt.

zentral+: Sie lebten sieben Jahre als Musiker in Berlin – wie landet man dann als Autor am Luzerner Theater?

Dominik Busch: Ich bin ja eigentlich aus Luzern – in Root aufgewachsen. 1999, nach der Matura studierte ich Philosophie und Germanistik in Zürich. 2003 entschied ich mich für ein Austauschsemester in Berlin. Und aus diesem Semester wurden sieben Jahre. (Er lacht.) Ich war während dieser Zeit als Bassist in einer Band, habe viele Konzerte gegeben, war auf Tour. Nachdem es mit der Band schliesslich nicht mehr stimmte, kam ich 2009 wieder zurück.

«Mein Rüstzeug habe ich hier mit auf den Weg bekommen.»

zentral+: Und dann kam das Theater?

Busch: Ziemlich. Nach dem Umzug kam das Schreiben. Um wirklich schreiben zu können, muss man erst mal mit sich selbst klarkommen. Dann «giigets» richtig. Ich wurde dann bald schon auf den Dramenprozessor in Zürich hingewiesen und so fing alles an. Schliesslich hat Patric Gehrig, den ich aus Berlin kenne – er machte dort ebenfalls Musik in zwei Bands –, sich bei mir gemeldet. Er war zurück in Luzern und hatte erfahren, dass ich nun für Theater schreibe – und so begannen die gemeinsamen Projekte wie «Draussen die Stadt».

zentral+: Und dann kam die Bewerbung als Hausautor am Luzerner Theater. Was reizte Sie daran?

Busch: Für mich ist es besonders interessant und emotional, hier zu arbeiten. Ich war lange weg. Aber meine Familie ist hier, meine alten Freunde. Es ist nicht irgendeine Stadt; wenn ich aus dem Werkstätten-Büro rausschaue, sehe ich meinen alten Schulweg, auf welchem ich früher jeden Tag mit meinem Rücksäckli entlang ging. Mein Rüstzeug, das habe ich hier mit auf den Weg bekommen – jetzt kann ich etwas zurückgeben.

zentral+: Wie läuft die Zusammenarbeit mit den anderen zwei Hausautoren?

Busch: Gut! Ich finde es interessant, dass wir so verschieden sind. Vielleicht war das auch der Grund, warum wir gemeinsam ausgesucht wurden. Wir können viel voneinander lernen. Im Herbst, als wir zusammen probten, haben wir unsere Texte zerschnipselt, durchmischt und geschaut, was passiert, wenn der Zufall übernimmt. Das hat teilweise zu völlig unplanbaren Ergebnissen geführt. Für den Frühling ist es jetzt etwas anders. Wir treffen uns regelmässig in Luzern und auf der Wissifluh – fahren mit kleinem Kruzibähnli für ein paar Tage da hoch. Jetzt geht es um die Arbeit zum Stück für den Frühling, zu welchem ich auch einen Blog führen werde – es geht darin um das Thema Verantwortung.

«Ich war nie ein politischer Autor – war auch nie ein besonders politischer Mensch.»

zentral+: In welchem Zusammenhang?

Busch: Verantwortung von Firmen zum Beispiel. Aber auch von der Bevölkerung. Was, wenn eine der grössten Naturkatastrophen im Golf von Mexiko von einer Firma mit Hauptsitz in Steinhausen verursacht wird – von Transocean. Offenbar war hier Fahrlässigkeit mit im Spiel. Und da frage ich mich: Wie viel von dieser Fahrlässigkeit reicht bis in den Kanton Zug? Was heisst das für mich? Muss mich das beschäftigen? Was ist hier meine Verantwortung – als Wähler? Ich war nie ein politischer Autor – war auch nie ein besonders politischer Mensch.

zentral+: Jetzt schon?

Busch: Vielleicht liegt es am Alter oder an der Zeit. Vielleicht liegt es daran, dass gerade so viel in der Luft liegt. Es ist Zeit. Die Künstler müssen jetzt vielleicht aus dem Tee kommen, Stellung beziehen und Fragen stellen. Was ist eigentlich los mit dieser Fremdenfeindlichkeit gegen Flüchtlinge? Und wenn die Statistiken stimmen: Warum bekommen diejenigen Parteien, welche die Angst vor Fremden schüren, ausgerechnet dort am meisten Stimmen, wo man diese «Fremden» kaum antrifft? Woher kommt so was?

Wir haben letztens beim Treffen viel politischer diskutiert als gedacht. Die Ästhetik auf der Bühne war kaum Thema: Diskussionen über das Licht oder kommt er von rechts oder links auf die Bühne. Das wird dann irgendwann aber schon auch noch wichtig. (Er lacht.) Auf jeden Fall ist mein Beitrag relativ politisch – was mich selbst wohl am meisten überrascht.

zentral+: Können Sie für uns das Thema noch etwas weiter vertiefen?

Busch: Es stellt auch die Frage: Was haben wir in der Schweiz für ein Selbstverständnis? Wie ist unsere Mentalität, unsere Kultur? Und manchmal denke ich: Wir verstehen uns sehr oft als Dienstleister, und zwar als neutrale Dienstleister. Aber wie steht es um diese Neutralität?

«Sind wir das Hotel für alles und jeden – neutral, ohne Gewissen?»

zentral+: Wie meinen Sie das?

Busch: Muss ein Oligarch operiert werden – ab in die Schweiz. Kim Jong-un soll zur Schule – in der Schweiz. Augusto Pinochet sitzt auf einer Hotelterrasse in Luzern und trinkt Kaffee, während in Chile tausende Dissidenten spurlos verschwunden sind – und man weiss diese Dinge. Mugabe will seine Millionen sicher deponiert haben – we are taking care of! Was ist das für ein Dienstleistungsverständnis? Eines, das völlig blind ist für moralische Fragen? Ich bin kein Moralapostel, aber bei solchen Themen muss man sich einfach hinterfragen. Sind wir ein Krankenhaus, eine Schule, eine Bank, ein Steueramt, ein Hotel für alles und jeden – neutral, ohne Gewissen? Und darum wird es im Stück gehen – verfremdet natürlich und übersetzt – aber das sind die Fragen, die mich im Moment beim Schreiben beschäftigen.

zentral+: Woran arbeiten Sie derzeit sonst noch so?

Busch: Derzeit bin ich noch an zwei Stücken dran – eines ist jedoch noch nicht spruchreif. Das andere ist eine Produktion mit «Zell:stoff». Es heisst «Der Weg der Lachse» und handelt von der Auseinandersetzung mit dem Weggehen und Zurückkommen. Metaphorisch: Von der Quelle ins Meer und dann zurück den Strom wieder hinauf.

Dominik Busch

Dominik Busch ist Bassist, Autor und promovierter Philosoph. Der 36-Jährige schreibt Theaterstücke, Libretti und Prosa und stand als Musiker auf Bühnen im In- und Ausland. Nach einem langjährigen Aufenthalt in Berlin nahm er am Dramen­prozessor teil und realisierte schliesslich am Südpol Luzern zusammen mit der freien Gruppe «Zell:stoff» die Produktion «Draussen die Stadt».

Patric Gehrig und ich haben ähnliche Biografien, was das Nomadentum angeht. Wir kennen es beide, wenn man die Heimat verlässt und länger im Ausland lebt. Man denkt, das sei jetzt der grosse Traum, und merkt plötzlich: Es ist auch nur ein Job. Man fragt sich: Ist es das wert, will ich das? Man vermisst Familie, Freunde, vermisst seinen Dialekt, «Tammisiech». Dann geht es um die grossen Fragen: Wo gehör ich hin? Es geht um Sehnsüchte, Enttäuschungen, um die Frage nach dem Zurück. Und wenn zurück, dann unter welchen Bedingungen?

zentral+: Sind Sie zurück?

Busch: Nicht ganz. Beruflich ja, aber ich wohne derzeit in Zürich. Und ich bin auch oft in Berlin – jetzt noch öfters, da ich einen Göttibub dort habe. Was die Zukunft bringt, kann ich nicht sagen. Nur, dass Luzern grossartig ist und wunderschön. Ich fühl mich hier sehr wohl.

zentral+: Was sagen Sie zum Intendanten-Wechsel am Luzerner Theater? Sie sind ja gerade Anfang nächsten Jahres nochmals sehr nahe dran am Betrieb.

Busch: Ich wurde unter Barbara Mundels Intendanz durch René Polleschs «Java In A Box» mit dem Theater-Virus infiziert. Unter der Leitung von Dominique Mentha fand ich zum Beispiel Thorleifur Örn Arnarssons «Peer Gynt» oder Andreas Hermanns «Die lächerliche Finsternis» ganz grossartig.

Und im Hinblick auf das neue Team am Luzerner Theater bin ich extrem optimistisch. Gut möglich, dass in Zürich, Bern oder Basel Leute einen Zug besteigen werden, um sich im Luzerner Theater etwas anzusehen. Bevor ich mich aber bedingungslos in den drohenden Hype einklinke, schaue ich mir unter anderem erst Ueli Jäggis «Onkel Wanja» und Andreas Herrmanns «Dantons Tod» an.

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