Kein Regisseur am Luzerner Theater kommt um das «Wunderbüro» im obersten Stock herum. In diesem Atelier entstehen die Requisiten, die jedes Theaterstück erst zum Leben erwecken. Hier arbeitet Simone Fröbel. Die Requisiteurin erklärt: Auch so etwas banales wie eine Dose Bier kann für sie eine grosse Herausforderung bedeuten.
Die Sommerpause ist vorbei: Das Luzerner Theater feiert am Wochenende den Saisonauftakt und präsentiert gleich drei Premieren (siehe Box am Ende). Es herrscht Vollbetrieb im Dreispartenhaus, während der letzten Wochen wurde in unzähligen Proben gesungen, gespielt und getanzt. Doch ausserhalb des Scheinwerferlichts sorgen sie für die kleinen, feinen Details der Stücke: die Menschen der Requisite.
Hier, im obersten Stock des Luzerner Theaters, werden die kleinen Bühnenelemente gebastelt, ohne die keine Produktion auskommt. Das Atelier wird intern «Wunderbüro» genannt. Dies, weil die Damen und der Herr, die hier arbeiten, jeden noch so verwegenen Wunsch von Regisseuren oder Schauspielern umsetzen können.
Unzählige Einzelstücke
Simone Fröbel ist eine von ihnen. Die 28-Jährige kam nach ihrem Kunststudium ans Luzerner Theater. Sie erklärt: «Unter Requisiten verstehen wir in der Regel alles, was kleiner ist als ein Stuhl.» Gerade kam sie von einer grossen Shoppingtour für die neue Produktion zurück. «Wir kaufen vieles ein oder nehmen Requisiten aus dem Fundus und ändern diese speziell für eine Produktion ab», erzählt sie.
So seien gewisse Produktionen sehr aufwendig. Die Vorbereitungen für die anstehende Premiere der Slapstick-Oper «Im Amt für Todesangelegenheiten» dauerten rund zwei bis drei Monate. Für das spartenübergreifende Stück entstand im Theatersaal eine zweistöckige U-Bahn-Station mit Kiosken und Ticketschaltern. Diese wurden mit viel Liebe zum Detail ausgefüllt. «Es sind unzählige Einzelstücke, die wir besorgen und anpassen mussten», sagt Fröbel.
Wenn Bier zum Problem wird
«Man glaubt, Requisiten seien bloss Alltagsgegenstände», sagt Fröbel. Dabei gilt es viel zu beachten: «Oft sind es die vermeintlich einfachen Dinge, die grosse Herausforderungen bedeuten.» Braucht es beispielsweise ein Bier auf der Bühne, so könne man nicht einfach eine x-beliebige Dose verwenden. «Muss das Bier beim Öffnen schäumen, müssen wir sicherstellen, dass es dies auch sicher tut», sagt Fröbel.
Auch darf kein echtes Bier in der Dose sein. Da denkt man im Requisitenbüro ganz pragmatisch: Leert die Dose aus, stinkt der Saal nach Bier, alles klebt und muss geputzt werden. Also verwendet man, wenn immer möglich, Wasser.
«Wir können nicht jeden Abend ein sorgfältig gestaltetes Requisit zerstören.»
Simone Fröbel, Requisiteurin
Weiter gebe es verbotene Materialien: «Glas gehört nicht auf die Theaterbühne», erklärt Fröbel. Die Gefahr, dass etwas zu Bruch geht und dabei Scherben entstehen, sei zu hoch. So müssen auch beim «Amt für Todesangelegenheiten» beispielsweise Parfüm-Flaschen ersetzt werden. Um die Täuschung aufrechtzuerhalten, gebe es spezielle, bühnentaugliche Materialien.
Doch nicht alle Produktionen sind gleich intensiv für das «Wunderbüro». Im Atelier wird gerade der Kerzenständer für das Projekt «Kindertotenlieder» in der Box angepasst. Die Produktion, inszeniert von Intendant Benedikt von Peter, kommt mit ganz wenigen Requisiten aus.
Eine Bastelei gibt zu tun
Simone Fröbel arbeitet bereits in ihrer fünften Theatersaison im Requisitenbüro. In der Zeit wurde schon viel Kurioses von ihr verlangt. «Einer meiner ersten Aufträge war ein Applausometer», erinnert sie sich. Er musste nicht funktionieren, aber «dank Geräuscheffekten und Lichtern hat er vor allem viel Eindruck gemacht», sagt sie lachend.
Auch bei der aktuellen Produktion «Im Amt für Todesangelegenheiten» wurde das Büro kreativ herausgefordert. Das Objekt der Begierde der Theatermacher: Eine Bastelei, mit viel Liebe und Sorgfalt gemacht, die aus einer Tasche fällt und zerbricht. So lautete der Auftrag des Regisseurs Viktor Bodó.
Die gewünschte Bastelei müsse zwar kaputt gehen, aber nach der Vorstellung wieder zusammensetzbar sein. «Wir können nicht jeden Abend ein sorgfältig gestaltetes Requisit zerstören», sagt Fröbel. Also hätten sie rund eine Woche an diesem Auftrag rumstudiert, bis sie eine Lösung gefunden hatten.
Änderungen bis zur letzten Minute möglich
Nun ist am Luzerner Theater Schlussspurt für das Eröffnungsfestival vom Wochenende angesagt. In den letzten Tagen würden sich die Produktionen oft noch verändern, erklärt Fröbel. Das hat auch Einfluss auf die Requisiten. So käme es vor, dass gewisse Elemente im letzten Moment aus der Produktion fallen, weil es in der neusten Fassung nicht mehr gebraucht werde. «Wenn es dann etwas ist, woran man lange gearbeitet hat, ist das für uns schon sehr schade», sagt Fröbel.
Für Freitag ist Fröbel guten Mutes. «Wir sind gut vorbereitet.» Dennoch wisse man nie. «Es tauchen immer wieder Last-Minute-Wünsche auf. Sogar am Tag der Premiere kann es Anfragen geben.» Da steige dann der Zeitdruck – doch das «Wunderbüro» findet ganz sicher eine Lösung.
Drei Premieren | |
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