Altrocker plant Comeback

«Das und nichts anderes»

«Rock is my life»: Bruno Eicher mit seiner Lieblingsgitarre Gibson Les Paul SG. (Bild: dvm)

Ein Mann, eine Gitarre. Bruno Eicher ist der Inbegriff des Altrockers. Früher ein Star der lokalen Szene, ist der begnadete Musiker beinahe in Vergessenheit geraten. Das will der leidenschaftliche Gitarrist nun ändern – und endlich den Rockolymp erklimmen.

Es ist kühl. Fenster gibt es keine, künstliches Licht erhellt den Raum. Marshall-Boxen türmen sich, dazwischen Kabelgewirr, Bühnenequipment und fein säuberlich aufgereihte Gitarren. An den mit Schaumstoff gedämmten Wänden hängen lauter Erinnerungen aus den letzten vier Jahrzehnten eines bewegten Musikerlebens. Von einer signierten Fotografie aus den frühen 80ern grinst Brian Johnson.

«Ich stand zuvorderst in der ersten Reihe direkt vor der Bühne», schwärmt der Rentner mit der grauen Mähne vom letzten AC/DC-Konzert im Zürcher Letzigrund. Dass er das offizielle Fanshirt der aktuellen «Rock Or Bust»-Tournee trägt, ist für ihn Ehrensache. Sogar die Schuhe sind «genau die gleichen wie die von Angus Young».

Mr. Marshall lässt grüssen

Willkommen in der Welt von Bruno Eicher. Sein Leben hat der 65-Jährige der Rockmusik verschrieben. «Heulen die Gitarren, bin ich happy», sagt Eicher mit leuchtenden Augen. Dann zeigt er auf die aufgetürmten Marshall-Verstärker: «Alles Originale aus den Jahren 1969 bis 1971, wie sie damals Jimi Hendrix und alle grossen Rockmusiker benutzt hatten.» Eicher gerät ins Schwärmen. «Das sind einfach die besten. Kiss und AC/DC arbeiten noch immer damit.» Während Jahren hat «Mr. Marshall Switzerland», wie Eicher auch genannt wird, das Equipment aus den Anfängen des Hardrocks zusammengetragen und liebevoll restauriert. «Zum Teil habe ich die Dinger vom Schrottplatz.» Aber eben, das sei eigentlich nur das Zubehör. 

«Heulen die Gitarren, bin ich happy.»

Bruno Eicher, Gitarrist und Altrocker

Die Stromgitarre und er, sie seien verheiratet, meint der 65-jährige Single, der sich selber gern als «pensionierten Teenager» bezeichnet. So verwundert es nicht, dass Eicher gleich eine ganze Sammlung von Gitarren besitzt. Im zum Proberaum umgebauten Luftschutzkeller in Stansstad stehen sie in Reih und Glied. Eicher greift nach seiner Lieblingsgitarre. «Das ist eine originale Gibson Les Paul SG. Genau die gleiche hat Angus Young bei AC/DC gespielt», sagt Eicher ehrfürchtig, während er das wertvolle Stück vorsichtig aus dem Koffer nimmt.

«Das sind meine Heiligtümer – und ich bin ihr Gralshüter.»

Den brillanten Klang demonstriert er gleich selbst und greift beherzt in die Saiten. In einer anderen Ecke stehen zwei Fender Stratocaster aus den 60ern. «Dieselben hat Jimmy Page bei Led Zeppelin gespielt.» Im Licht des Scheinwerfers, «natürlich auch ein Oldtimer», glänzen sie um die Wette. «Das sind meine Heiligtümer – und ich bin ihr Gralshüter», betont Eicher, während er durch sein kleines Universum führt.

Vom Goldschmied zum Hippie

Angefangen habe eigentlich alles mit dem Hippie-Leben in England, das er «in vollsten Zügen» genossen habe, wie Eicher erzählt. Nach der Lehre als Goldschmied ging er nach London, wo ihm die Welt aufregender schien als in der beschaulichen Schweiz.

«Ich stand mit Jimi Hendrix auf der Bühne.»

«Alpen-Hendrix»

Er war Handörgeler und Hippie, Musiklehrer und Musiker: Bruno Eicher hat auf und neben der Bühne so einiges erlebt. Nun will der 65-jährige Gitarrist nur noch rocken – und zwar was das Zeug hält. Dabei zählt er nicht nur auf sein Können, wie Auftritte und Aufnahmen zeigen. «Wenns den nicht gäbe, müsste man ihn erfinden», meint ein User auf YouTube.

Prägend waren für den jungen Schweizer dann die Begegnungen mit seinen Idolen am letzten grossen Isle of Wight Festival im Jahre 1970, das auch als «Woodstock Europas» bezeichnet wird. «Ich stand mit Jimi Hendrix auf der Bühne», erzählt Eicher voller Begeisterung. Dass seither 45 Jahre vergangen sind, tut seiner Freude keinen Abbruch. «Ich hatte viel Glück, war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.»

Eicher traf Gitarrenvirtuosen wie Caetano Veloso und Gilberto Gil, die ihm zu einem Backstage-Pass verhalfen. «Ich habe mit Pete Townsend von The Who und Alvin Lee, dem Gitarristen von Ten Years After, geredet. Und mit Lemmy Kilmister, dem späteren Frontmann von Motörhead, war ich auch unterwegs. Wir haben zusammen ein bisschen gejammt – und viel Guinness getrunken.» Damals sei die Szene noch offen gewesen, so Eicher. «Die Musiker, das waren keine Stars im heutigen Sinne, sondern Leute zum Anfassen.»

Übung macht den Meister

Die Eindrücke, das Lebensgefühl und natürlich die Musik von damals haben in Eicher etwas ausgelöst. «Als ich Bands wie die Beatles, die Rolling Stones oder The Who hörte, hat es in mir Klick gemacht», erzählt Eicher. «Für mich war klar: Ich wollte Rockmusiker werden. Das und nichts anderes.»

«Hätte es die Rolling Stones und die Beatles nicht gegeben, wäre ich heute Ländlervirtuose.» 

Zurück in der Schweiz, kaufte er sich eine elektrische Gitarre und legte los. Aufbauen konnte er lediglich auf ein paar Lektionen Unterricht auf der klassischen Gitarre und dem «Handörgeli», wie Eicher erzählt. «Hätte es die Rolling Stones und die Beatles nicht gegeben, wäre ich heute Ländlervirtuose.» Den Rest hat er sich selbst beigebracht. Bald schon war Eicher in der Zentralschweiz als «Alpen-Hendrix» bekannt.

Haarausfall mit Folgen

Trotz viel Leidenschaft und noch mehr Talent schaffte er den Sprung zum grossen Rockmusiker nicht. «Ich habe schon sehr früh meine Haare verloren», erzählt Eicher. Das sei ihm dann zum Verhängnis geworden. «Mit einer Glatze konntest du damals unmöglich Rockstar werden.» Darum habe es dann leider nicht geklappt, als er bei Bands wie Krokus anklopfte. «Das hat mich sehr gewurmt.» Und irgendwie tue es ihn das heute noch – auch wenn er jetzt dank Haarverpflanzung wieder wie ein richtiger Rocker aussehe.

Und so folgte auf das ausschweifende Hippie-Leben nicht die steile Karriere auf den grossen Bühnen der Welt, sondern «nicht weniger wertvolle» Lehr- und Wanderjahre als Musiker. Eicher spielte unter anderem mit der Instrumental-Band Nirwana – «lange bevor Kurt Cobain mit seinem Grunge die Hitparade stürmte», wie Eicher betont. Oder mit Moby Dick, die keine einzige Platte veröffentlichte, aber einen guten Ruf hatte. «Im Volkshaus Zürich haben wir mal als Vorband von Status Quo gespielt.»

Erfolg währte nicht lange

Dann ging Eicher zur Obwaldner Band Why Blood. In den 70er Jahren wurden sie über die Landesgrenze hinaus bekannt, 1979 landete man mit dem Song «Mexicana Hotel» einen veritablen Hit, der in den japanischen Charts bis auf den siebten Platz vorstiess. Trotz Erfolgen wurde Why Blood zehn Jahre später aufgelöst. «Der Manager hat uns über den Tisch gezogen. Unser Geld wurde mit Immobilien verspekuliert», erzählt Eicher zähneknirschend. «Man hat uns einfach verheizt.»

«Man hat uns einfach verheizt.»

Ans Aufgeben hat er allerdings nie gedacht. «Rock is my life.» Fortan prägte der Hergiswiler mit seinem virtuosen Gitarrenspiel und seiner Bühnenpräsenz diverse Formationen, war oft im Sedel anzutreffen, wo man probte und auch sonst viel Zeit miteinander verbrachte. Zuletzt hat Eicher vor allem bei Led Airbus gespielt, die sich dem Sound von Led Zeppelin verschrieben haben.

Schicksalsschlag führt zur Wende

Parallel dazu hat er sich eine Existenz als Musiklehrer aufgebaut. Von den frühen 80ern bis 2003 hat er an Musikschulen in der ganzen Zentralschweiz «sein» Instrument unterrichtet. Damit war 2001 schlagartig Schluss. «Als mein Vater starb, kündigte ich alle meine Anstellungen», sagt Eicher, der in Hergiswil im Haus seiner pflegebedürftigen Mutter wohnt, nachdenklich. Der plötzliche Tod habe ihn aufgerüttelt. «Da merkt man, dass man einfach nur das tun muss, was man gerne macht.» Wie Schuppen sei es ihm von den Augen gefallen, so Eicher. «Von da an wollte ich nur noch Musik machen.»

«Da merkt man, dass man einfach nur das tun muss, was man gerne macht.»

Und so ist Eicher zusammen mit seinem alten Kumpel Markus Limacher in den letzten Jahren als Duo durch das ganze Land getingelt. «Das waren bis zu 70 Auftritte im Jahr, meistens in Clubs oder an Privatveranstaltungen», blickt Eicher auf die Schaffenszeit von Bruno und Mark zurück. Die beiden Musiker, die sich aus den Zeiten von Why Blood kannten und in der Folge auch zwei EPs aufnahmen, erfreuten sich am Erfolg – auch wenn dieser nicht ganz mit den «wilden 70er Jahren» habe mithalten können, wie Eicher augenzwinkernd ergänzt. Zum ersten Mal habe er wirklich von der Musik leben können. «Klar, das Geld war knapp, ich dafür aber umso glücklicher.» 

Der Kreis schliesst sich

Jetzt, nach der Pensionierung, will es Eicher nochmals wissen. Er hat Grosses vor mit sich und seiner Musik. «Im letzten Drittel meines Lebens will ich endlich das erreichen, was mir ein Leben lang verwehrt blieb. Jetzt habe ich ja wieder eine Rockermähne.»

Der Alpenrocker wünscht sich den späten Ruhm, um den ihn seine Haare früh gebracht haben. «Krokus, Gotthard, AC/DC», er wolle mit den Grossen abrocken. «Etwas anderes kommt gar nicht infrage», meint er mit einem spitzbübischen Lacher, um sogleich wieder weiterzuträumen. «Ich habe da schon ein paar Ideen.» Das nimmt man dem Vollblutgitarristen ohne weiteres ab.

Hoffnung gibt dem Musiker ein exklusives Geschenk: Kürzlich hat Eicher von einem Freund aus der internationalen Szene ein auf lediglich hundert Stücke limitiertes Gitarrensoundsystem erhalten. «Angus Young hat die Nummer eins, ich die 47.» Die Anekdote zeigt, wie überraschend gut der «Chäslischwiizer» in der Szene vernetzt ist.

Bruno Eicher zählt auf seine Kontakte. «Ich will es einfach nochmals versuchen, bevor ich meine Gitarren mit ins Grab nehme.» Zu alt dafür fühlt sich der jung gebliebene Pensionär überhaupt nicht. «Frei von Pflichten fängt für mich das Leben jetzt erst richtig an. Ich bin voll im Saft. Die Bühne wartet.»

Mehr Fotos von Bruno Eicher finden Sie in der Bildergalerie:

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