Die Wanderausstellung «Flucht» macht nun im Historischen Museum Luzern Halt. Bis im März nächsten Jahres lädt die von Sibylle Gerber kuratierte Sammlung dazu ein, über den eigenen Tellerrand und direkt in die Augen vertriebener Menschen zu blicken.
Über 50’000 Besucherinnen und Besucher haben die Wanderausstellung «Flucht» bereits gesehen. Ein beeindruckendes Zeugnis für eine Museumsausstellung, das vor allem zwei Dinge zeigt: Erstens, sie kommt einem Informationsbedürfnis nach, und zweitens, das Thema bewegt, und zwar selbstredend völlig zu Recht.
Unterhalten und informieren
Die Ausstellung will dafür sensibilisieren, hinter die Zahlen in den Nachrichten zu blicken und die betroffenen Menschen dahinter zu sehen. Sie tut dies anhand von fünf der Realität nachempfundenen Personen, deren Geschichte der Besucher Station für Station nachverfolgen kann. Die sind interaktiv und bedienen sich audiovisueller und haptischer Hilfsmittel, um Malaika, Abdi, Hayat, Mohammed und Aziz Leben einzuhauchen. Ausserdem bietet «Flucht» Einblicke ins Schweizer Asylwesen und beantwortet die Frage, was einen Flüchtling bei der Ankunft bei uns erwartet.
Kinderzeichnungen aus dem Flüchtlingscamp
Insgesamt wagt sich das Projekt dabei in heikle Gewässer: Einerseits soll der Respekt vor den Betroffenen gewahrt werden, ihre Geschichte soll erzählt und ihre Stimmen gehört werden. Und das, was sie zu erzählen haben, ist grausam. Andererseits soll die Ausstellung unterhalten und kurzweilig sein, nicht zuletzt, um Schulklassen anzulocken.
«Flucht» beschreitet diesen Grat insofern geschickt, als dass die Sammlung echte Geschehnisse in die Geschichte fiktiver Charaktere verpackt. Echte Menschen statt fiktive, gemalte hätten jedoch mehr Wirkung gehabt. Dass der Besucher das Museum bewegt verlässt und der Eindruck noch lange nachhallt, ist dennoch sichergestellt. Ausstellungsstücke wie etwa Kinderzeichnungen aus Flüchtlingscamps oder ein Asylzentrums-Metallbett gehen so schnell nicht wieder aus dem Kopf.
Ein grosser Pluspunkt ausserdem: Wer nach dem Rundgang das Bedürfnis hat, etwas für die Millionen Vertriebenen zu tun, dem ist gleich vor Ort gedient. Die Ausstellung bietet handfeste Tipps für Leute mit jedweden Ressourcen. Die Botschaft lautet: Sie müssen nicht reich sein, um helfen zu können. Und Flüchtlinge brauchen unsere Hilfe jetzt mehr denn je.
Einblick in eine fremde, harsche Realität
Im Zentrum der neuen Dauerausstellung steht die Frage: Was bedeutet es, seine Heimat mit nichts als dem Allernötigsten zu verlassen? Für uns Schweizer schwer vorstellbar, und das, obwohl uns die Betroffenen ganz nahe sind: Dem Kanton Luzern wurden im Jahr 2017 745 Asylsuchende zugewiesen. Insgesamt leben hier 5523 Menschen als «vorläufig Aufgenommene» oder als «anerkannte Flüchtlinge».
Die Ausstellung «Flucht» ist noch bis am 10. März 2019 im Historischen Museum Luzern zu sehen. Es werden verschiedene Führungen, Podiumsgespräche und Sonderveranstaltungen angeboten.
Diese Zahlen mögen auf den ersten Blick hoch erscheinen, seien jedoch in Wirklichkeit verschwindend klein, denn, betont Gerber, 85 Prozent aller Flüchtenden suchten Schutz bei ihren Nachbarn in Nordafrika und dem Nahen Osten. Mit anderen Worten: Die überwältigende Mehrheit vertriebener Menschen wird von Entwicklungs- und Schwellenländern aufgenommen. Nur ein Bruchteil wage den langen, kräftezehrenden und häufig lebensgefährlichen Weg nach Europa.
Erfolgsstory regt zum Denken an
An der Vernissage in Luzern am Donnerstagabend führten Christoph Lichtin, der Direktor des Historischen Museums, und Sibylle Gerber ein interessiertes Publikum in ihr Projekt ein, der Chor der Nationen rahmte es musikalisch ein. Gastredner war Mano Khalil, unter dessen Regie die erschütternde Videoinstallation gleich zu Beginn der Ausstellung entstanden ist. Der syrische Filmschaffende ist selbst aus der Heimat geflohen, hat alles zurückgelassen, was ihm lieb und teuer war, und vollbrachte das Kunststück, in einem fremden Land seine Leidenschaft weiterzuverfolgen. Seine eigene Geschichte fand ein bittersüsses Ende. Doch wie steht es um die der siebzig Millionen anderen Flüchtenden weltweit?