Das sagt der Festival-Direktor

Darum gibt es kein Blue Balls ohne Urs Leierer

Direktor Urs Leierer kann das Blue Balls Festival nicht weiterführen. (Bild: Emanuel Ammon / Aura)

Das Blue Balls gibt es nicht mehr. zentralplus hat mit Direktor Urs Leierer darüber gesprochen, warum er das Festival nicht in andere Hände übergeben hat – und überraschend ehrliche Antworten bekommen.

Urs Leierer hat das schwerste Jahr seines Lebens hinter sich. Im März landete er auf der Intensivstation. Er kämpfte um sein Leben. Das Blue Balls Festival, dem er als Direktor dreissig Jahre seine ganze Leidenschaft gewidmet hatte, sagte er ab (zentralplus berichtete). Viele Luzerner waren darüber enttäuscht – aber wohl keinen traf die Absage so hart wie Urs Leierer selbst.

«Ich war – rückblickend betrachtet – wahnsinnig. Und ich fand das auch noch gut zum Teil.»

Nun folgt die schwere Erkenntnis: «Ich werde gesundheitlich nicht mehr in der Lage sein, das Blue Balls Festival weiterzuführen», sagt er am Telefon zu zentralplus. Er wirkt gefasst. Trotzdem ist seiner Stimme anzuhören, dass ihm dieser Entscheid schwergefallen ist. «Ich finde es tragisch, es tut mir enorm weh», sagt er. Und gleichzeitig schwingt in seinen Worten eine grosse Erleichterung mit. «Für mich ist es auch eine Erlösung, nimmt mir den Druck weg.»

Plötzlich macht der Körper nicht mehr mit

Nie hätte er sich träumen lassen, dass sein Körper auf derart massive Weise seinen Tribut fordern würden. «Kaum einer weiss, wie viel Kraft es kostet, ein solches Festival zu organisieren», so Urs Leierer. Er habe sich nicht geschont in den letzten Jahren. «Ich war – rückblickend betrachtet – wahnsinnig. Und ich fand das auch noch gut zum Teil.»

«Bei allen Ideen, denen ich zugestimmt hätte, wäre ich wieder im Fokus gewesen – und das ertrage ich nicht mehr.»

Doch plötzlich ging es nicht mehr. «Ich habe Glück, dass ich noch lebe. Ich bin glücklich darüber, dass ich reden kann, dass ich nicht im Rollstuhl sitze, dass ich nach vorne schauen kann.» Die Notbremse seines Körpers hat das Leben von Urs Leierer verändert. Und so weh es ihm tut: Das Blue Balls Festival ist in seiner bisherigen Form kein Teil mehr davon. «Ich will noch ein paar Jahre leben, also muss ich aufhören.»

Blue Balls steht für Musik der Spitzenklasse – so soll es bleiben

Der Entscheid ist das Ergebnis eines monatelangen Prozesses, in dem verschiedene Alternativen geprüft worden seien. «Aber bei allen Ideen, denen ich zugestimmt hätte, wäre ich wieder im Fokus gewesen – und das ertrage ich nicht mehr.» Ohne Urs Leierer geht es nicht, ist Urs Leierer überzeugt: Bei so einem Musikfestival müsse einer vorne hinstehen, findet er. Auch wenn es Hunderte von Festivals gibt, bei denen es auch anders geht.

Nun gebe es Raum für Neues. «Ich wünsche Luzern, dass es wieder ein Sommerfestival gibt.» Es gäbe schon andere, die etwas machen wollen, deutet Urs Leierer an. Es sei nun an der Stadt, zu entscheiden, wie es weitergeht. «Wir haben immer nach dem Motto gelebt: Art First, Money Second. Mir ging es um die Kunst, dafür haben wir alles gegeben. Ich hoffe, dass das beibehalten wird und nicht einfach eine Openair-Beiz das Blue Balls ersetzt.»

«Diesen Namen habe ich dem Festival gegeben, er ist meine Identität, mein Leben. Ich kann ihn nicht für etwas hergeben, wo nicht drin ist, was draufsteht.»

Er sei bereit, junge Kräfte zu beraten und von seiner Erfahrung profitieren zu lassen. Dass das Blue Balls Festival unter diesem Namen nicht mehr stattfinden wird, hat mit den hohen Ansprüchen zu tun, die Urs Leierer an ein kulturelles Festival stellt. «Den Namen Blue Balls habe ich dem Festival gegeben, er ist meine Identität, mein Leben. Ich kann ihn nicht für etwas hergeben, wo nicht drin ist, was draufsteht.» Scheinbar hat sich aus seiner Sicht keiner als würdig erwiesen, sein Werk fortzuführen.

Passion für Kunst hat dem Festival seine Seele gegeben

Aus seiner Sicht muss ein solches Festival von Menschen organisiert werden, die etwas von Kultur verstehen. Und eine solche Person existiert für Urs Leierer aktuell offensichtlich nicht. Bei der zentralplus-Leserschaft sorgt das für Bedauern, aber auch für Irrritation und Ärger.

«Schade, muss das Festival nun mit seinem Leiter untergehen. Mit einem neuen Konzept und einer solideren Finanzierung wäre es vielleicht erhalten geblieben», heisst es in einem Leserkommentar. «Da hängt ein ganzes Festival an einem Mann? Unglaublich», schreibt ein anderer auf Facebook. «Personen-Kult war noch nie nachhaltig», findet ein Dritter.

Welche Zukunftspläne hat der Verein hinter dem Blue Balls?

Diese Kritik ist nicht neu (zentralplus berichtete). Klar: Urs Leierer hat in den letzten dreissig Jahren herausragende Künstler und grosse Namen ins KKL geholt. Aber es ist nicht nur ihm zu verdanken, dass das Blue Balls Jahr für Jahr stattgefunden hat, wie er im Gespräch mit zentralplus sagt. Deshalb ärgert er sich, wenn ihm vorgeworfen wird, das Festival sei eine One-Man-Show gewesen. «Veranstalter ist der Luzerner Verein Blues Session, deren Mitglieder Jahr für Jahr Tausende Stunden von Freiwilligenarbeit geleistet haben, um das Blue Balls möglich zu machen», so der Direktor.

Beim Verein Luzerner Blues Session hat Urs Leierer bereits seit März nicht mehr das Sagen. Thomas Gisler, ehemaliger Programmchef des Blue Balls, hat das Präsidium übernommen (zentralplus berichtete).

Wird der Verein ein neues Sommer-Musikfestival mit einem neuen Namen ins Leben rufen? Denkbar wäre das. Die Stadt Luzern hat in einer Medienmitteilung angedeutet, dass bereits Ersatzkonzepte ab 2023 eingegangen sind, die von der Stadt Luzern geprüft werden (zentralplus berichtete). Der Verein selber hatte Anfang September eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen (zentralplus berichtete). Allerdings verweigert der Vorstand weiterhin jede Aussage zu möglichen Zukunftsplänen.

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14 Kommentare
  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 22.09.2022, 02:49 Uhr

    Herr Leier gibt ja selber zu das er Krank durch die Überforderung wurde.
    Ein Guter Chef kann gut Delegieren und gibt gewisse Verantwortung ab,oder ist er ein Autokrat der meint nur er kann so ein Klub führen.
    Jede Firma braucht irgendwann ein Manager Nachfolger der zugleich auch frischen Wind oder Charaktere bringt.
    Sonst wäre unsere Wirtschaft schon längst am Boden.

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    Hanspeter Flueckiger, 21.09.2022, 09:15 Uhr

    Eine Krankheit, ein massives gesundheitliches Problem kann der berühmte Schlag vor den Bug sein. Urs Leierer musste diese Erfahrung – wie andere Menschen auch – machen und zieht daraus die entsprechenden Konsequenzen. Was bleibt ist die Tatsache, dass es Urs Leierer gelungen ist, absolute Weltstars (Iggy Pop, Joe Bonamassa, Marcy Gray, Peter Doherty, Keb› Mo, Mando Diao, B.B. King, Ben Harper etc.) nach Luzern zu holen. Das ist eine hervorragende Leistung und gehört entsprechend gewürdigt, denn Luzern ist eine langweilige Provinzstadt mit dörflichem Charakter. Kein Ort für Weltstars! Urs Leierer hat grossen Anteil daran, dass sich das Festival seit 1992 konstant weiterentwickelt hat. Die vielen Plauderis und Besserwisser sollen es zuerst einmal besser machen.

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      Kommentarschreiber, 21.09.2022, 17:52 Uhr

      @Herr Flückiger
      «Das ist eine hervorragende Leistung und gehört entsprechend gewürdigt, denn Luzern ist eine langweilige Provinzstadt mit dörflichem Charakter. Kein Ort für Weltstars!»
      Diese Aussage provoziert bei mir ernsthaft die Frage, wer jetzt hier der «Plauderi» und «Besserwisser» ist. Ihr kultureller Horizont scheint auf das Blue Balls Festival und ihren «Weltstars» beschränkt zu sein. Informieren Sie sich doch vorher, was Luzern kulturell zu bieten hat, bevor Sie solchen Quatsch «plaudern».

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    Black Pearl, 21.09.2022, 08:07 Uhr

    Der Fokus lag bei diesem Festival viel zu sehr auf seinem Patron. Als Aussenstehender hatte man das Gefühl, er konnte nichts abgeben und das Festival war von Beginn weg zu wenig breit abgestützt.

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    • Profilfoto von M. Moser
      M. Moser, 21.09.2022, 09:18 Uhr

      Die Problematik dieses Festivals war, die Fokussierung, da führt kein Weg dran vorbei. Im Prinzip wollte Herr Leierer zu viel und gab zu wenig. Nur ein Festival organisieren das nach Prinzip Leierer funktioniert, ist und war zu wenig um die Stadt um Geld anzugehen. Zudem führten immer wieder selbstherrliche Entscheidungen des Herrn Leierer zu Unverständnis. Will man aus einem Festival eine Institution machen, dann sollte man sich in der Gegend vernetzen und nicht aus dem fernen Zürich die Fäden ziehen. Dann die marketingstrategische «Meisterleistung» einen Weltkonzern wie Heineken/Eichhof eine Premiummarke in der Zentralschweiz vor den Kopf zu stossen. Dann als wäre es noch nicht genug, jahrelang ansässigen Betrieben wie dem Seerestaurant Willhelm Tell, versuchen gerichtlich das Aufstellen von «Eichhof-Sonnenschirmen» zu verbieten nur weil sie zufällig auf dem Weg zum Eingang an das Festivalgelände standen… Solche «Spässe» können sehr schnell zum Ende der Toleranz führen. Möchte man dann irgendwann mal einen finanziellen Zustupf können solche Ereignisse zu einem riesigen Stolperstein werden.

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    Sepp Lötscher, 20.09.2022, 20:21 Uhr

    Warum gibt es kein Blues Balls mehr? Den Nachfolger sucht man nicht erst wenn man krank ist. Ein Nachfolger muss aufgebaut/eingeführt werden. Siehe Niklaus Troxler!!

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  • Profilfoto von P. Nigg
    P. Nigg, 20.09.2022, 20:13 Uhr

    Was ein Musikfestival mit blauen Hoden – Blue Balls steht im übertragenen Sinn auch für Kavaliersschmerzen – zu tun hatte, hat sich mir nie erschlossen.

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    • Profilfoto von Thomas
      Thomas, 20.09.2022, 22:35 Uhr

      Der Name ist mit ein Grund, warum ich dieses Festival nie wirklich ernst nehmen konnte.

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    Toni, 20.09.2022, 18:22 Uhr

    Beim Festival ging es zuletzt gar nicht mehr um die Musik sondern um einen Biertreff von nah und fern, Das zeigt sich auch darin, dass die wenigsten einen Pin kauften
    Ein Festival kleinerer Art ist sicher wünschenswert

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  • Profilfoto von Kommentarschreiber
    Kommentarschreiber, 20.09.2022, 16:37 Uhr

    «Knox» Niklaus Troxler hat das Jazz Festival Willisau nach 35 Jahren (1975-2010) seinem Neffen Arno Troxler ohne grosses Gejammer und Geschluchze übergeben, der jetzt halt logischerweise ein anderes, neues, aber auch gutes Jazz Festival macht. Herr Leierer leidet unter akutem Pioniersyndrom: Aus massloser, persönlicher Selbstüberschätzung nicht loslassen und nichts Neues zulassen können.

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    • Profilfoto von Warauchdabei
      Warauchdabei, 20.09.2022, 21:40 Uhr

      @sowas
      Ich weiss nicht, ob Sie Herr Leierer kennen und so beurteilen können, was er unternommen hat um die Leitung übergeben zu können.
      Wenn nicht, ist der untere Teil Ihres Kommentar sehr bedenklich.

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      • Profilfoto von Kommentarschreiber
        Kommentarschreiber, 21.09.2022, 06:34 Uhr

        @Warauchdabei
        Korrekt, ich kenne Herrn Leierer nicht persönlich. Mein Kommentar bezieht sich auf den Artikel von Zentralplus und dieser lässt die Aussage im zweiten Teil meines Kommentars absolut zu. Oder haben Sie den Beitrag gar nicht gelesen?

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        • Profilfoto von Warauchdabei
          Warauchdabei, 21.09.2022, 13:31 Uhr

          @sowas
          Auch ich habe den Artikel gelesen, sehr genau sogar.
          Finde jedoch noch immer bedauerlich, dass anhand von Artikeln ein Mensch so betitelt wird als ob Sie ihn persönlich kennen würden. Da ist ja auch noch ein Verein als Veranstalter, über diesen sollte man sich vielleicht auch seine Gedanken machen. Eventuell waren dort ja auch die falschen Leute am Ruder.

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    • Profilfoto von Ram Dass
      Ram Dass, 21.09.2022, 10:27 Uhr

      Teile sowassens Meinung. A mon avis: Herr Leierer hat ein sehr grosses Profilierungsbedürfnis, ausgesprochenen Geltungsdrang im Sinne eines Louis XlV., einen nicht zu unterschätzenden Egozentrismus und den Hang dazu, nur mit öffentlichem Geld funktionieren zu wollen.

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