Konzert der Zuger Sinfonietta im Chamer Lorzensaal

Cello-Virtuose sorgt für den besonderen festlichen Glanz

Hingebungsvoll und leidenschaftlich: Cellist Julian Steckel zog das Publikum mit seinem virtuosen Spiel in seinen Bann .

(Bild: Christian Krebs/Zuger Sinfonietta)

«Haydn zu Weihnachten» – unter diesem Motto bot das Profiensemble der Zuger Sinfonietta einen beeindruckenden Gala-Abend in Sachen Klassik. Speziell Solist Julian Steckel begeisterte das Publikum am Violoncello. Doch erstmal standen Stücke eines anderes Genies auf dem Programm.

Würde Wolfgang Amadeus Mozart heute noch leben – er würde womöglich in sämtlichen Charts an erster Stelle stehen. Denn die Genialität des «Rokoko-Rockers» ist immer wieder bestechend. Vor allem im Auffinden eines musikalischen Motivs. In seiner stürmischen und leidenschaftlichen Art, wie er Musik zu einem Erlebnis macht, das unsere Synapsen ans Äusserste ihres emotionalen Fassungsvermögens treibt.

Mozarts Superklasse

Als Beweis für diese mozartsche Klangdominanz mag dienen, dass einem nach so einem wunderbaren und abwechslungsreichen Konzert der Zuger Sinfonietta im Chamer Lorzensaal mit Werken von Mozart, Haydn und Ravel am Ende tatsächlich nur das Leitmotiv («nanananananana-nana») aus dem ersten Satz von Mozarts Sinfonie Nr. 29 A-Dur KV anno 1774 wie ein Ohrwurm im Gehör haften bleibt.

Dieser erste Satz der bekannten Sinfonie enthält alles, was Mozarts Superklasse ausmacht. Ein ständig anschwellendes Leitmotiv, das in verschiedenen Facetten ertönt und sich immer wieder auf orgiastische Weise schmerzlindernd und glücksverheissend auflöst. Wogende Dynamikwechsel. Eine Schnelligkeit, deren innerer Drang und Zielstrebigkeit unaufhaltsam wirken und die sich in einem furiosen Schlussakkord schliesslich entlädt.

Dynamisch und versonnen in die Musik: Zuger Sinfonietta-Dirigent Daniel Huppert.

Dynamisch und versonnen in die Musik: Zuger Sinfonietta-Dirigent Daniel Huppert.

(Bild: Christian Krebs/Zuger Sinfonietta)

Die Zuger Sinfonietta unter der Leitung von Daniel Huppert bewältigte Mozarts Temperament mit souveräner Klangreinheit und innerer Leidenschaft, so dass kaum ein Zuhörer nicht von der Musik mitgerissen wurde. Es gab sogar den einen im Publikum, der spontan anfing mitzupfeifen, angesichts der eingängigen Klänge.

«Plätschermodus» mit manierierenden Tonfolgen

Die folgenden Sätze der Mozart-Sinfonie, mit welcher der erst 17-jährige (!) Salzburger sich noch an der italienischen Opernsinfonie orientiert hatte, liessen es dann ruhiger angehen. Und zeigten ein anderes Talent, das wohl nur Mozart besitzt: Nämlich auch bei geringem Aufwand – sprich: musikalischer Schlichtheit – die Tonalität so zu verwalten, um den Zuhörer bei der Stange zu halten.

Wobei selbst Mozart nicht immer gefeit dagegen ist, in eine Art «Plätschermodus» mit sich manierierenden Tonfolgen zu verfallen. Erst im Schlusssatz, dank anziehender Schnelligkeit, zieht er seine Zuhörer wieder in den Bann, bevor er grandios abschliesst.

Extreme Virtuosität

Dann kam Haydn an die Reihe. Normalerweise vermag dieser nicht die gleichen genialen Spannungsbögen aufzubauen, wie Zeitgenosse Mozart. Doch das Konzert für Violoncello und Orchester C-Dur von 1783 ist ein Juwel des Komponisten, der seit 1762 als Kapellmeister in gesicherten finanziellen Verhältnissen am Hof des Fürsten Esterhazy wirkte. Zum einen, weil der Cello-Part extrem virtous ist und dem Solisten alles abverlangt. Zum anderen, weil das Werk eine sehr tiefgründige und vielseitige Tonalität erzeugt – die an manchen Stellen schon fast haydn-untypisch wirkt.

Klangsymbiose: Julian Steckel und sein Cello.

Klangsymbiose: Julian Steckel und sein Cello.

(Bild: Christian Krebs/Zuger Sinfonietta)

Solist Julian Steckel löste seine Aufgabe mit Bravour. Bestens gelaunt und voll innerer Spannung führte er dem Publikum vor, was in einem Cello klanglich zu stecken vermag. Mal entlockte er dem «kleinen Bass» zarte, fast violinenhaft leichte Töne. Mal schrammte er dramatisch mit dem Bogen auf den Saiten wie in den Tiefen eines Basses, der viel Seele heraufbeschwor.

Viel Applaus für Julian Steckel

Wobei er ähnlich verstanden hat wie eine Vanessa Mae auf der Violine, wie man Klassik publikumswirksam inszenieren kann – vermag doch seine wogende Haartracht seine musikalische Beseeltheit prima zu unterstreichen. Steckel strahlt auf seinem Cello eine derart unglaubliche Leichtigkeit aus, dass man sich gar nicht vorstellen kann, wie viel Talent und Mühe es braucht, bis man so perfekt Cello spielen kann. Als Zugabe gab Steckel dann noch den «Marsch der Kinder» von Sergej Prokofjew. Die Zuhörer dankten es ihm mit viel Applaus.

Nach der Pause entführten Daniel Huppert und die Zuger Sinfonietta ihr Publikum dann in ganz andere musikalische Welten – in jene von Maurice Ravel. In seinem Streichquartett F-Dur, dargeboten in orchestraler Fassung, überschreitet der französische Komponist, dessen «Bolero» ja als Klassiker der leidenschaftlichen dynamischen Steigerung gilt, die Grenzen der Tonalität.

Ravels Klanglaboratorium

Lyrische Klangwelten, die beim Zuhörer hin und herwogende, gemütsspaltende Emotionen auslösen. Mentale Bilder generieren. Man glaubt, an manchen Stellen in einem Hitchcock-Thriller im Kino zu sitzen. Die Musik Ravels versetzt einen aber auch in Sphären, die geradezu überirdisch wirken. Eine Art Klanglaboratorium, in dem der Komponist mit schrägen Tönen experimentiert. Zweifellos keine ausnahmslos eingängige musikalische Kost – deren Klänge die Zuger Sinfonietta aber souverän meisterte.

Festlicher Rahmen: Die Zuger Sinfonietta im Chamer Lorzensaal.

Festlicher Rahmen: Die Zuger Sinfonietta im Chamer Lorzensaal.

(Bild: Christian Krebs/Zuger Sinfonietta)

Und doch ist es zu bedauern, das so mancher Konzertbesucher diesen akustischen Parforce-Ritt scheute und sich Ravel nach der Pause gar nicht mehr anhörte. Beziehungsweise während der Aufführung einfach den Lorzensaal verliess. Im 20. Jahrhundert kann Musik einfach nicht mehr wie Mozart klingen. Wir bewegen uns ja auch nicht mehr in Pferdekutschen fort.

Zum Schluss gabs ein Weihnachtslied

Mit ganz harmonischen Klängen verabschiedeten sich Daniel Huppert und die Zuger Sinfonietta dann von ihren treuen Zuhörern. Mit «Es ist ein Ros entsprungen» läutete das Orchester quasi zum Abschied schon mal die weihnachtlichen Festtage ein.

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