Seerose: Knatsch zum III.

«Canaille du Jour» wehren sich gegen Seitenhiebe

Ein Pressebild von «Canaille du Jour», welches den eigensinnigen Stil der Künstler etwas antönt. (Bild: zvg)

Ein Eklat mit dem Sponsoren-Publikum, eine Ausladung von der eigenen Vorstellung und nun ein herablassender Vergleich in einem Artikel. Canaille du Jour machte mit dem Gästival bisher keine guten Erfahrungen. Nun setzen sich die Künstler zur Wehr.

«Langsam sollten wir uns fragen, wer der ‹Neuen Luzerner Zeitung› denn wieviel dafür bezahlt, um wiederholt solche Keile zwischen die Musiker, das Gästival, die Kulturförderungen und das Publikum zu treiben …», so steht es auf der Facebook-Seite von Canaille du Jour.

Auslöser des Ärgers ist der Lead eines kurzen Artikels  mit folgendem Lead:

Ausschnitt aus dem betreffenden Artikel von Julia Stephan.

Ausschnitt aus dem betreffenden Artikel von Julia Stephan.

Canaille du Jour veröffentlicht nun einen Brief, den sie an die Autorin des Artikels geschickt haben. Darin wird Klartext gesprochen. Nach den Ereignissen der letzten Wochen (zentral+ berichtete) scheint es den Künstlern nun zu reichen.

Der Brief vom Theatermusiker und Komponisten Christov Rolla an die Autorin der Artikels, Julia Stephan («Neue Luzerner Zeitung» NLZ):

«Grüezi, Frau Stephan.

Mit Interesse habe ich Ihren Bericht über die Urner Carte Blanche in der heutigen Ausgabe der NLZ (Samstag, 4. Juli 2015) gelesen. Und da ich der Komponist der Luzerner Carte Blanche bin, können Sie sich vermutlich vorstellen, warum ich Ihnen schreibe. Es geht, ganz konkret, um den Lead und um den ersten Abschnitt in Ihrer Rezension. In nur gerade 6 Sätzen schaffen Sie es, gravierende Missverständnisse, fehlgeleitete Metaphern und tendenziöse Anspielungen unterzubringen. Respekt!

Ich weiss nicht, ob das Ihrer Vorstellung von journalistischer Arbeit entspricht. Meiner jedenfalls nicht. Lassen Sie es mich Ihnen sanft und geduldig erklären, was alles schief und/oder infam ist an diesen sechs Sätzen.

«Wir haben bei Arno Renggli ‹verspielt›, weil es ihm halt nicht gefallen hat.»
Christov Rolla, Theatermusiker und Mitglied von Canaille du Jour

Erstens sind die Carte-Blanche-Projekte keineswegs ‹mutig›. Mutig ist es, durch die libysche Wüste zu fliehen, einen IS-Kämpfer zu beschimpfen, ein Kind aus einem reissenden Fluss zu retten. Aber Musik? Worin soll sich da ‹Mut› zeigen? Indem man absichtlich etwas macht, das keinem gefällt? Erstens wäre das nicht Mut, sondern Doofheit, und zweitens kann ich das guten Gewissens sämtlichen Carte-Blanche-Produktionen absprechen. Unserer ganz besonders. Wir sind nämlich liebesbedürftige Feiglinge und wollen, dass unsere Musik gefällt.

[…] Was haben wir verspielt? Bei wem? Und verstehe ich das richtig: Das beurteilen Sie, Frau Stephan, mal eben einfach so, freihändig und selbständig?

Ich würde sagen: Wir haben bei Arno Renggli ‹verspielt›, weil es ihm halt nicht gefallen hat. Das ist aus seiner furios geschriebenen, aber vor Auslassungen und tendenziösen Gemeinheiten (die er in einem etwas kleinlauteren zweiten Artikel dann nachgeliefert bzw. präzisiert hat) strotzenden Rezension klar hervor gegangen. […]

Und wir haben bei den Sponsoren verspielt. Jenen, die am ersten Konzert zuhören mussten, aber nicht wollten, und denen es ebenfalls nicht gefallen hat. Und bei jenen Sponsoren, welche die zweite Aufführung gekauft haben und aufgrund von Rengglis Kritik interveniert haben, ohne uns gehört zu haben, worauf wir von dieser konkreten Veranstaltung ausgeladen wurden (oder ‹verschoben›, wie die offizielle Gästival-Wortwahl lautet). Und offenbar haben wir auch bei Ihnen, Frau Stephan, verspielt und keine Chance mehr auf Wiedergutmachtung. […]

«Was, bitteschön, wäre eine ‹kluge› künstlerische Nutzung?»
Christov Rolla

Drittens: Boykott? […] Warum fordern Sie die Leserschaft auf, die Urner Carte Blanche nicht zu boykottieren? Es dürfte Ihnen doch bewusst sein, was da alles mitschwingt, ohne dass Sie es explizit formulieren. Ich kann’s ihnen schon sagen, was da mitschwingt. Die unterschwellige Aufforderung, uns gescheiter zu boykottieren. Die unterschwellige Andeutung, dass wir bereits boykottiert werden. […] Sie benutzen das vermeintliche Scheitern der einen Band als Einstieg zum Lobpreis der anderen und tun dies mittels eines Vergleiches (‹Bei den Urner hat’s geklappt.›). Wir sind’s uns ja unterdessen gewohnt, die Obwaldner Carte Blanche wurde ebenfalls mittels Vergleich mit uns gelobt. Aber eine Nummer kleiner haben Sie’s nicht? Bei uns hat es nicht geklappt? Was denn, wenn ich fragen darf?

Viertens: ‹Nicht alle Kantone nutzen ihre Carte Blanche klug.› […] Was, bitteschön, wäre eine ‹kluge› künstlerische Nutzung? Ich bin da wirklich sehr gespannt auf Ihre Antwort.

Und fünftens: Haben Sie uns gesehen? Waren Sie da am Abend der Erstaufführung? Wenn nein, dann kann ich mich nur wiederholen: Ist das jetzt die offizielle Sprachregelung bei der NLZ, uns per se als gescheitert zu bezeichnen? […]»

Angemerkt wird von Seiten von Canaille du Jour: «Den Kollegen aus Uri beste Wünsche; unser Erstaunen über den Artikel richtet sich natürlich keinesfalls gegen sie.»

 Die Reaktionen auf den Brief sind erneut sarkastisch. Ein Beispiel von Facebook:

Keine philosophischen Diskussionen

Arno Renggli, Leiter der Kulturredaktion der NLZ nimmt zum Brief Stellung. Man werde den Brief von Christov Rolla natürlich beantworten, wobei man nun nicht zu jedem Begriff, wie «mutig» oder «Spielraum», philosophische Diskussionen führen wolle.

Bei der Formulierung «Boykott» sei es darum gegangen, dass sich die Kulturinteressierten nun von der öffentlichen Diskussion, namentlich auch zum Thema Sponsorenkontingente, ja nicht vom Besuch abhalten lassen, sondern sich eine eigene Meinung bilden sollten.

«Ich habe versucht, meine Kritik plausibel zu begründen.»
Arno Renggli, Leiter Kulturredaktion

«Tatsächlich war Julia Stephan nicht selber an der Luzerner Carte blanche. Bei Veranstaltungsreihen ist es fast immer so, dass nicht alle Abende vom gleichen Journalisten besucht werden können», so Renggli. Man stütze sich daher auf die Eindrücke des jeweiligen Berichterstatters, der vor Ort war.

Interesse und Aufmerksamkeit sind positiv

Die NLZ habe alle fünf kantonalen CB-Produktionen besucht und darüber geschrieben. «Dreimal waren die Bewertungen sehr positiv, einmal positiv mit wenigen kritischen Anmerkungen, einmal eher negativ (Luzern). Dass diese Betroffenen nun darauf reagieren, etwa über soziale Medien, ist nicht ungewöhnlich und auch legitim», sagt Renggli und ergänzt zu seinem eigenen Artikel: «Ich habe versucht, meine Kritik plausibel zu begründen und dabei explizit zugestanden, dass an einen anderen Abend das Publikum vielleicht anders auf das Gebotene reagieren wird.»

Renggli sieht es aber auch positiv: «Insgesamt finden wir es positiv, dass unsere Berichterstattung und auch das ganze Gästival auf grosses Interesse in der kulturinteressierten Bevölkerung gestossen ist. Gerade Kultur lebt ja davon, dass man darüber diskutiert, manchmal auch kontrovers.»

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