«Satz & Pfeffer» muss schliessen

Aus für Lesebühne: Zuger Künstlerinnen sind empört

Erinnerungen aus «guten Tagen». Judith Stadlin bei einer Veranstaltung im neuen Elfensaal in der Stadt Zug. (Bild: Satz&Pfeffer)

Nach 15 Jahren ist Schluss – die Zuger Lesebühne im «Oswalds Eleven» in der Altstadt muss die Türen für immer schliessen. Der Grund: für pandemiebedingte Umbauarbeiten will der Regierungsrat trotz anfänglichem Versprechen nichts bezahlen. Wir machen eine Einschätzung, was mit dem Aus von «Satz & Pfeffer» verloren geht.

Die Pandemie hat auch in der Kulturszene einiges verändert. Das Publikum möchte heutzutage mehr Platz in einem Saal – die Bedürfnisse sind anders. Das spürte auch die «Satz & Pfeffer»-Lesebühne in Zug. Die engen Verhältnisse im Elfensaal im Zuger Kulturhaus Oswalds Eleven waren nicht mehr zeitgemäss und wurden für 130'000 Franken umgebaut. Ein Betrag, den sich die kleine Bühne selbst nicht leisten konnte. Und so klopften die Verantwortlichen beim Amt für Kultur an.

Das Amt erklärte den Verantwortlichen, dass solche Umbauten als sogenannte Transformationsprojekte auch mitfinanziert werden können. 97'000 Franken sollte es geben. 50 Prozent des Betrages aus dem kantonalen Lotteriefonds, die restlichen 50 Prozent vom Bund. «Nachdem uns das Amt für Kultur und die Kulturkommission positive Zeichen zu diesem Antrag gesendet haben, gingen bei uns die Umbauarbeiten los», erklärt Michael van Orsouw, Vorstandsmitglied des Betreibervereins Liveliteratur (zentralplus berichtete).

Regierungsrat lehnt Antrag ab – «Satz & Pfeffer» muss schliessen

Doch der Regierungsrat stellte sich danach gegen diesen Antrag quer, das Geld fliesst nun doch nicht. Und so bleibt jetzt das Betreiber-Ehepaar Judith Stadlin und Michael van Orsouw auf 97'000 Franken Schulden sitzen. Das hat per sofort Auswirkungen auf die Bühne. «Öffentliche Lesebühnenshows können wir im ‹Oswalds Eleven› leider keine mehr durchführen», sagt Judith Stadlin gegenüber zentralplus.

«Kein Rappen Zuger Steuergeld wäre geflossen!»

Judith Stadlin, «Satz & Pfeffer»

Die Scheinwerfer werden aber trotzdem noch einmal eingeschaltet. «Um wenigstens etwas Geld in die Vereinskasse zu bekommen, veranstalten wir ab dem 24. November Adventshows unter dem Titel ‹Glitzer, Gläser und Geschichten›.» Diese seien geschlossene Vorstellungen. Private können das «Oswalds Eleven» für eine Vorstellung inklusive Apéro buchen.

«Es ist krass!» – Kunstszene versteht die Welt nicht mehr

zentralplus hat sich in der Kunstszene umgehört. Dass die Lesebühne tatsächlich für immer schliesst, ist für alle Angefragten unverständlich. So sagt beispielsweise die Baarer Geschichtenerzählerin Maria Greco: «Es ist krass! Das ist ein riesiger Verlust für Zug.» Für sie verschwindet mit dem Elfensaal eine echte Perle der Szene. «Auf der Kleinbühne hatten nationale aber auch internationale Gäste ihre Auftritte.» Die Bühne habe perfekt in das Zuger Kulturangebot gepasst. «Die Bühne legte den Fokus nicht auf den Mainstream. Dadurch wurden die verschiedenen Facetten sichtbar.» Greco vergleicht die kleine Lesebühne mit einer Lupe, welche die kleinere Kunst sichtbar macht.

Gerne erinnert sie sich auch an ihre eigenen Auftritte im Elfensaal zurück. «Die Arbeit der Betreiber habe ich immer ausserordentlich geschätzt.» Vor allem stellt sich für Greco die Frage, warum es im reichen Kanton Zug nicht möglich war, 97'000 Franken aufzutreiben. «Es hat doch so viele reiche Zuger. Warum hat wohl keiner sein Portemonnaie aufgemacht?»

«So wenig Engagement für die eigene Kultur, unglaublich.»

Die Betreiber selbst erhielten eindeutige Feedbacks aus der Kulturszene. So habe beispielsweise Autor Charles Lewinsky kurz und knapp auf die Schliessung reagiert: «Sauerei!» Wie Judith Stadlin gegenüber zentralplus erzählt, gab es gar aus dem Ausland Reaktionen. «Uns ist gar niemand bekannt, die oder der den Entscheid der Regierungsräte nachvollziehen kann. So ein reicher Kanton, so wenig Engagement für die eigene Kultur, unglaublich.»

«Leider fühlen wir uns zurzeit als Opfer der Behördenwillkür, anders können wir uns dieses Desaster nicht erklären.»

Judith Stadlin, «Satz & Pfeffer»

Bei den Worten alleine blieb es nicht. Einige Elfensaal-Fans gingen auch zu Taten über. So berichtet Stadlin: «Sehr viele Menschen haben dem Verein Liveliteratur spontan Geld gespendet, teils kleine, teils namhafte Beträge, die wir zur Schuldentilgung einsetzen. Das tut gut und zeugt von sehr grosser Solidarität. Und es beweist, wie beliebt die ‹Satz & Pfeffer›-Lesebühne war.»

So geht es mit dem Haus nun weiter

Die Lesebühne ist Geschichte. Was passiert nun mit dem Kulturhaus Oswalds Eleven? Stadlin beteuert, dass dieses ein Ort bleiben wird, an dem Kultur entsteht. «Wir bieten halt nur noch Privatshows an. Und wir vermieten den Elfensalon und den Elfensaal auch extern. Weiterhin dient uns das ‹Oswalds Eleven› als Probebühne für unsere diversen Programme, die wir in der ganzen Schweiz spielen», meint Stadlin.

Bei unserem letzten Bericht betonte Regierungsrat Stephan Schleiss noch die Bedeutung der Lesebühne: «Sie ist ein geschätzter Teil der Zuger Kulturszene und wird deshalb von der öffentlichen Hand auch regelmässig unterstützt.» Zu einer möglichen Schliessung von «Satz & Pfeffer» sagte Schleiss: «Das wäre ein Verlust.»

Gemacht hat der Regierungsrat trotzdem nichts, damit die Bühne bestehen bleibt. Dies sorgt bei den Betreibern für Unmut. Trotzdem sagt Stadlin: «Ein Urteil über die Politik möchten wir uns nicht erlauben. Wir sind ja Kulturschaffende, keine Politiker. Wir versuchen, unseren Job gut zu machen. Leider fühlen wir uns zurzeit als Opfer der Behördenwillkür, anders können wir uns dieses Desaster nicht erklären.»

Warum hat der Regierungsrat nicht geholfen?

Normalerweise wird die Kultur im Kanton Zug gut unterstützt. Warum hat die kleine Lesebühne (trotz offensichtlicher Sympathie unter anderem von Stephan Schleiss) keine Hilfe erhalten? Diese Frage kann auch vom Betreiber-Ehepaar nicht schlüssig beantwortet werden. «Das müssen Sie nicht uns, sondern die Regierungsräte fragen. Eine einleuchtende Antwort auf diese Frage haben wir selber nämlich nie erhalten, bloss die Meinung, unser coronabedingte Umbau sei kein Transformationsprojekt.»

Dies stösst auf umso mehr Unverständnis, da der Kanton Zug selbst nicht einmal die eigene Kasse hätte öffnen müssen. Denn: Das Geld wäre nicht aus der Kantonskasse genommen worden. Sondern aus der Bundeskasse und aus dem Lotteriefonds. «Kein Rappen Zuger Steuergeld wäre geflossen», sagt Stadlin. Eine Anfrage von zentralplus bei der Zuger Regierung blieb bisher unbeantwortet. Gegenüber der «Zuger Zeitung» wollte sich der Regierungsrat zum Entscheid ebenfalls nicht äussern.

Verwendete Quellen

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