Literarische Grenzüberschreitung in Zug

Auf ein Glas Wein mit Endo Anaconda

Endo Anaconda kommt als Kolumenschreiber nach Zug – die Musik wird allerdings nicht fehlen. (Bild: Michael Schär)

Zug sucht die Weltoffenheit – und zwar literarisch. Bereits zum dritten Mal laden Zuger Literaturbegeisterte in den Burgbachkeller. Diesmal im Fokus: die Österreicher. Diese bringen nicht nur Bücher und Geschichten mit, sondern auch Provinzielles, Promille und Sinnlichkeit.

«Österreich!» In grossen Lettern und mit Ausrufezeichen versehen prangt das diesjährige Gastland des Zuger Literaturfestivals «Literatur kompakt» auf Flyern und Plakaten. Natürlich ist damit nicht das Land an sich gemeint, sondern Autorinnen und Autoren aus unserem östlichen Nachbarland. «Es ist erstaunlich, wie viele grossartige Stimmen in der deutschsprachigen Literatur dieses kleine Land immer wieder hervorbringt», nennt Armin Oswald, Vorstandsmitglied des Vereins «Literarische Gesellschaft Zug», einen der Gründe für die Gästewahl.

Da tun sich natürlich Gemeinsamkeiten mit der hiesigen Szene auf. «In unserer Wahrnehmung», sagt Oswald, «stehen die österreichische und die schweizerische Literatur immer etwas im Schatten der starken deutschen Präsenz.» Bei berühmten Schriftstellern aus Österreich denken die Leute schnell, dass diese Deutsche seien. Mit dem Lesefestival Literatur kompakt, das am 22. und 23. April 2016 im Burgbachkeller über die Bühne gehen wird, möchte man diesen Umstand korrigieren. «Grüezi» und «Servus» sollen aus dem Schatten des übermächtigen «Guten Tag» treten, sozusagen.

Bringen österreichische Kultur nach Zug: Armin Oswald (links) und Adrian Hürlimann von der Literarischen Gesellschaft Zug.

Bringen österreichische Kultur nach Zug: Armin Oswald (links) und Adrian Hürlimann von der Literarischen Gesellschaft Zug.

(Bild: pbu)

Aufbruch nach Osten

Standen in den beiden früheren Ausgaben von Literatur kompakt thematische Schwerpunkte im Vordergrund, so geht es diesmal also um einen geografisch bestimmten Raum. «Dieser sieht uns politisch recht ähnlich», meint Vereinspräsident Adrian Hürlimann. «In diesem Sinne suchen wir zusammen mit den Autoren den Austausch mit Gleichgesinnten in der Sprache, die uns in ihren Texten das Gemeinsame, Grenzüberschreitende wie auch das Unterschiedliche der beiden neutralen Sprachverwandten bewusst machen können und sollen.»

«Die österreichischen Topshots haben leider etwas andere Honorarvorstellungen als wir.»

Armin Oswald, Initiant Literatur kompakt

Trotz Ähnlichkeiten gibt es auch Unterschiede zwischen den Literaturszenen der beiden Länder. Bei der Lektüre der eingeladenen Autoren sei Oswald aufgefallen, dass man bei den Österreichern ganz klar die Nähe zum Osten spüre. «Diese Orientierung ist viel stärker ausgeprägt. Ausserdem kommt viel eindeutiger zu tragen, dass Österreich ein bäuerisches Land ist. Das Provinzielle, aber auch das damit zusammenhängende Düstere nimmt mehr Platz ein als in unserer aktuellen Literatur.»

Eine geballte Ladung Literatur übers Wochenende

Die «Literarische Gesellschaft» gibt es seit 1910. Der stadtzugerische Verein veranstaltet ungefähr fünf Lesungen jährlich, stets mit Autoren aus dem deutschsprachigen Raum. Diese finden in der Bibliothek oder im Burgbachkeller statt. Seit der Gründungszeit ist die Mitgliederzahl von zirka 200 relativ konstant.

Auf Initiative von Armin Oswald findet seit 2013 alle zwei Jahre das Literaturfestival «Literatur kompakt» statt, sofern man sich nicht mit dem Festival des Innerschweizer Schriftstellervereins (SIV) quert. Im Gegensatz zu den beiden vergangenen Ausgaben findet das diesjährige Festival nicht Samstag und Sonntag, sondern Freitag und Samstag statt. Beginn ist am 22. April 2016 um 18 Uhr. Das komplette Programm findet sich hier. Institutionen wie die Landis & Gyr-Stiftung, die Ernst Göhner-Stiftung oder das Österreichische Kulturforum unterstützen den Anlass ebenso wie Stadt und Kanton Zug.

Ein Doppelbürger als Spezialgast

Geplant war eigentlich, eine Mischung aus prominenten und weniger prominenten Schriftstellern zu finden. Was letztlich nicht ganz gelungen sei: «Die österreichischen Topshots haben leider etwas andere Honorarvorstellungen als wir», erzählt Initiant Armin Oswald schmunzelnd. «Das beisst sich mit unserem Prinzip, wonach alle gleich viel bekommen.» Das Resultat lässt sich dennoch sehen: Mit Erich Hackl, Anna Baar, Antonio Fian oder Gertraud Klemm stehen einige klingende Namen auf der Liste. Und mit Endo Anaconda, der dem Festival einen runden Abschluss bescheren soll, dürften selbst Literatur-Abstinentler auf ihre Kosten kommen.

«Endo hat sofort zugesagt. Er kommt aber nicht als Stiller Has, auch wenn es eine Kombination aus Lesung und Konzert wird», betont Oswald, um allfällige Missverständnisse sogleich auszuräumen. Der schweizerisch-österreichische Doppelbürger Endo Anaconda kommt als Kolumnenschreiber, als der er sich über die letzten Jahre ebenfalls einen Namen gemacht hat.

Nicht zuletzt dank ihm sei es gelungen, die gewollte Mischung anbieten zu können, um auch ein jüngeres Publikum abzuholen. Denn gerade die Literatur habe etwas Staub angesetzt, sei vom Virus der Überalterung befallen. «Es kommen Junge und Ältere, Arrivierte und noch wenig Bekannte, Männer und Frauen» – mit diesem Rezept wollen die Veranstalter etwas Gegensteuer geben.

«Die Flüchtlingsthematik wird sicher eine Rolle spielen, da wir mit Österreich ein Land einladen, das in dieser Hinsicht zurzeit nicht gerade die beste Falle macht.»

Adrian Hürlimann, Präsident Literarische Gesellschaft Zug

Ein sinnlicher Zugang zur Welt

Adrian Hürlimann macht indessen keinen Hehl daraus, dass heuer auch schwierige Bücher mit dabei sind. «Die Flüchtlingsthematik wird sicher eine Rolle spielen, da wir mit Österreich ein Land einladen, das in dieser Hinsicht zurzeit nicht gerade die beste Falle macht», meint er. Das schmälere aber keinesfalls die Attraktivität eines solchen Anlasses. Im Gegenteil: «Man kann miteinander diskutieren, den Autor kennenlernen, mit ihm ins Gespräch kommen – das macht den Reiz einer Lesung aus. Literatur ist mehr als die einsame Lektüre zurückgezogen im eigenen Zimmer.»

Der literarische Zugang im Burgbachkeller verspreche jedenfalls ein niederschwelliger zu sein. «Die Österreicher gehen ganz unverkrampft an die Sache», erläutert Armin Oswald. «Sie werden ein paar Flaschen österreichischen Wein mitnehmen und mit Sicherheit für eine gute Stimmung sorgen.» Unser östlicher Nachbar habe einen sinnlicheren Zugang zur Literatur als wir, meint er weiter.

Die Ambitionen der beiden Zuger Literaturliebhaber bleiben gross. Man wolle eine Nische besetzen und Autorinnen und Autoren in Zug eine Plattform bieten. «Es braucht letztlich immer Leute, die mit Leidenschaft etwas auf die Beine stellen, sonst passiert nichts», ist Oswald überzeugt. Hürlimann spricht von Zug als dem Standort globaler Unternehmen, der auf der Suche nach Weltoffenheit sei. Was wirtschaftlich bereits recht gut klappt, soll auch kulturell verwirklicht werden. Dazu müsse man allerdings nicht allzu weit suchen: «Denn die Offenheit beginnt gleich hinter den Landesgrenzen.»

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