Theaterneubau: Alternative Kultur will ihr Stück vom Kuchen
Eine anonyme Gruppe Kulturschaffender kurbelt die Diskussionen zum neuen Luzerner Theater an. Die Hauptforderung: die Neuaushandlung des Kulturkompromisses.
«Die Förderung von Alternativkultur ist vollumfänglich um denselben Beitrag wie die Steigerung der Betriebskosten für das neue Luzerner Theater zu erhöhen.» Das und mehr fordert die Gruppe «Kulturausgleich jetzt» in einem offenen Brief. Unterzeichnet wurde das Schreiben bislang von Personen, die mehrheitlich der alternativen Kulturszene in Luzern angehören. Sie haben Bezug zum Neubad, zum B-Sides oder zum Radio 3Fach; sie spielen in Bands, organisieren Veranstaltungen oder sind in der Spoken-Word-Szene unterwegs.
Es seien rund um die Konzeption des Theaters wichtige Punkte zu klären und strukturelle sowie kulturpolitische Diskussionen ehrlich zu führen, heisst es im offenen Brief. Das neue Theater habe zwar Potenzial, die kulturelle Vielfalt zu fördern. Doch der finanzielle Druck und die vielfältigen Nutzungskonzepte führten ins Abseits. Statt abgehobener Hightechsäle brauche die Kulturszene niederschwellige Räume und finanzielle Unterstützung für bestehende Produktionen und Festivals.
Das Theater dürfe nicht primär touristische Bedürfnisse befriedigen und Steuergelder sowie Kultursubventionen dafür verschwenden. «Luzern leidet bereits genug unter dem Massentourismus», heisst es im offenen Brief.
Vertrauen in Projektverantwortliche «erschüttert»
Dabei äussert sich die Gruppe einerseits zum Betrieb und der Finanzierung des Theaters. Der Dialogprozess zur künstlerischen und inhaltlichen Ausrichtung des neuen Luzerner Theaters im Jahr 2020 sei unzureichend gewesen und habe das Vertrauen in die Verantwortlichen des neuen Theaterprojekts erschüttert.
Anderseits fordert die Gruppe, dass die alternative Kulturszene – genauso wie das Theater – künftig mehr öffentliche Unterstützung erhält. «Ohne einen neuen Kulturkompromiss rückt ein neues Luzerner Theater in weite Ferne», stellte die Gruppe klar.
Es wird um jeden Rappen gekämpft
Denn Luzern lebe von kultureller Vielfalt, die aber durch eine einseitige Subventionspolitik gefährdet werde. Viele kleine, mittelgrosse und grosse Projekte sowie alternative Kulturinitiativen würden um jeden Rappen kämpfen.
Weiter soll der Theaterneubau an eine Bedingung geknüpft werden. Für den kulturellen Mittelbau und die Alternativkultur möchte die Gruppe eine langfristige und rechtlich verankerte Lösung erarbeiten lassen. Konkret dürfte dies bedeuten: Nicht nur die oft als «etabliert» bezeichnete Kultur, sondern auch Slam-Poetry, experimentelle Musik oder die Clubkultur sollen stärker gefördert werden. Dabei will sich die Gruppe nicht auf Lippenbekenntnisse verlassen – sondern möchte die Versprechen auf dem Gesetzesweg verabschiedet sehen.
Steht das Mehrspartenhaus vor dem Aus?
Die Gruppe «Kulturausgleich jetzt» stellt auch den Weiterbetrieb des Luzerner Theaters als Mehrspartenhaus infrage. Wie in Basel, Bern oder St. Gallen setzt ebenfalls das Theater in Luzern auf Opern, Schauspiel und Tanz. Dieses Konzept sei öffentlich kritisch zu diskutieren – und ein Betrieb ohne alle drei Sparten zu prüfen. Ob es die in der alternativen Kulturszene eher wenig beachtete Oper ist, ob der sich die Gruppe stört, bleibt offen.
Denn den Fragen von zentralplus wollte sich die Gruppe nicht stellen. Es gehe momentan nur um das Verteilen des offenen Briefs und darum, Unterzeichner zu finden, heisst es auf Anfrage. Auch wer den offenen Brief verfasst hat, gibt die Gruppe derzeit nicht preis.
Dem Schreiben weiter zu entnehmen, ist der Wunsch der Gruppe, dass sich das neue Luzerner Theater dereinst auch gegenüber lokalen Vereinen und Veranstalterinnen öffnet. Einerseits solle das Betriebskonzept deutlich mehr lokale Produktionen vorsehen. Anderseits sollen Luzerner Kulturinstitutionen zu stark vergünstigten Konditionen im Theater veranstalten können.
Neues Luzerner Theater soll Bedürfnissen der Stadt entsprechen
Für ebensolche Produktionen solle ein explizit dafür vorgesehenes Budget gesprochen werden. Die Gelder seien dem Betriebsbudget des Luzerner Theaters zu entnehmen.
Und über die Vermietung der Räumlichkeiten solle eine breit abgestützte Nutzungsrechtskommission bestimmen. Dasselbe gilt für die strategische Ausrichtung des Theaters: Ein externes Gremium solle sicherstellen, dass sich das Theater entsprechend der Bedürfnisse der Stadt Luzern ausrichte, so die Gruppe «Kulturausgleich jetzt» in ihrem offenen Brief.
Debatte erinnert an Proteste gegen KKL
Die Diskussionen, die den Bau des neuen Luzerner Theaters prägen, ähneln denen, die einst rund um den Bau des vor 26 Jahren eröffneten KKL geführt wurden. So sagte Thomas Held, damals Projektleiter, vor einem Jahr gegenüber zentralplus, dass er heute einiges neu andenken würde. «Ist ein Konzertsaal für 1800 Personen nötig?», laute eine der Fragen, die er sich stellen würde, könnte er das KKL neu bauen (zentralplus berichtete).
Auch die alternative Kulturszene meldete sich damals zu Wort. Auf Kritik stiessen die öffentlichen Gelder, die dem KKL zugutekamen, während die Alternativkultur leer auszugehen drohte. Die Proteste zeigten Wirkung: Der erste Luzerner Kulturkompromiss führte zur Eröffnung des Konzerthauses Schüür und dem Kulturzentrum Boa.
Doch als vor bald zehn Jahren die Idee der Salle Modulable diskutiert wurde, entbrannte eine Debatte um die Neuaushandlung des Kulturkompromisses (zentralplus berichtete). Bekanntlich hat der Kantonsrat das Projekt versenkt (zentralplus berichtete) – und den bestehenden Kulturkompromiss beibehalten.
- Offener Brief der Gruppe «Kulturausgleich jetzt»
- Forderungen der Gruppe «Kulturausgleich jetzt»