Kultur
Zuger Archivtag präsentiert kuriose Werbung

Als Ägeri dafür warb, die eigene Bevölkerung loszuwerden

Wer pfuust denn hier im Zugersee? Man weiss es nicht. Aber sie tut es auf einem Victoria-Bett. Alte Werbungen wie diese gibt es am Archivtag zu sehen. (Bild: zvg)

Werbung ist längst keine Erfindung von Gillette und Peugeot. Dass in Zug schon im Spätmittelalter Werbung gemacht wurde, beweist der Archivtag, der am Samstag von Staats- und Stadtarchiv durchgeführt wird. Dabei wird mitunter eine Zuger Pionierin besonders beleuchtet.

Der Mann, der auf der Aussentreppe steht, hält einen Feldstecher in den Händen. Mit diesem beobachtet er eine Frau in ihrer Wohnung. Igitt, denkt man, bis es sich herausstellt, dass der Mann nicht an der Frau, sondern an den Möbeln in der Wohnung interessiert ist. «Warum denn so kompliziert?», fragt die Off-Stimme, während ein weiterer Mann unserem Spanner einen Katalog von Victoria Möbel in die Hand drückt.

Der witzige, kurze Schwarzweiss-Werbespot der Baarer Firma stammt aus den 60ern und widerspiegelt die Seele der ehemaligen Möbelfabrik ziemlich gut, die gerne auch unkonventionell auftrat (zentralplus berichtete).

Ein Blick auf historische Zuger Werbung lohnt sich jedoch auch abgesehen von besagter Firma, ist Philippe Bart vom Zuger Staatsarchiv überzeugt. Mit dem Blick auf frühere Reklamen erhält man nämlich einen prima Einblick ins damalige Leben, insbesondere in gesellschaftliche Gepflogenheiten, aber auch vorherrschende Probleme. Aus diesem Grund wird die Werbung am kommenden Archivtag zur Königin gekrönt.

Ein solcher Tag der offenen Archivtüren findet nur alle fünf Jahre statt und ermöglicht es der Bevölkerung, einen Blick in die sonst verschlossenen Magazine des Zuger Stadtarchivs und des Staatsarchivs Zug zu werfen. Bart sagt dazu: «Archive gehören der Bevölkerung. Gemeinsam mit Museen und Bibliotheken bilden sie unser kollektives Zuger Gedächtnis.»

«Kommet und kämpfet für uns!»

«Das Motto Werbung eignet sich für einen Archivtag besonders. Denn bewerben kann man schliesslich alles. Und das nicht erst seit dem 20. Jahrhundert. So bieten wir diesen Samstag mehrere Führungen an. Darunter eine, welche sich mit dem Anwerben von Söldnern im Spätmittelalter und der Neuzeit befasst.» Dabei nämlich habe die Werbung eine wichtige Rolle gespielt. «Kommt dazu: Mit dem Krieg in der Ukraine ist das Anwerben von Söldnern nach wie vor ein sehr aktuelles Thema», so der Archivar.

Zuger Archivtag

Der Zuger Archivtag 2022 zum Thema «Werbung!» findet am 19. November an zwei Standorten statt.

Im Staatsarchiv Zug an der Aabachstrasse 5 gibt es Führungen, Workshops, ein Archivkino und ein Archivbistro. Dies zwischen 9 Uhr und 17 Uhr. Am Standort im Stadtarchiv an der St.-Oswalds-Gasse 21, also in der Bibliothek Zug, werden Reklamen live illustriert, und es werden Sonderführungen und Slideshows zu Reklamen gezeigt. Dieser Standort ist von 9 Uhr bis 13 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist an beiden Orten gratis.

Ebenfalls beleuchtet wird ein Thema, das man sich heute kaum mehr vorstellen kann. «Im 19. Jahrhundert ging es dem noch weitgehend von der Landwirtschaft geprägten Kanton Zug wirtschaftlich nicht sonderlich gut. Entsprechend gab es Agenturen, welche Geld mit Auswanderungsreisen nach Amerika verdienten.» Die Behörden versuchten nicht, die Bürger zurückzuhalten. Im Gegenteil.

Die Gemeinden im Ägerital warben selber für den Wegzug aus der Berggemeinde und stellten Auswanderungswilligen sogar ein Reisegeld zur Verfügung. «Das hatte zum einen ernährungstechnische Gründe. Doch konnten die Gemeinden so auch die Sozialausgaben senken.» Erst mit der Industrialisierung besserte sich die Situation, die Armut nahm ab.

Mit der Sänfte auf die Rigi

Davor diente Zug höchstens der Durchreise und galt nicht als Ort, wo es sich zu verweilen lohnte. «Ein schönes Tourismuspanorama, das wir präsentieren, stammt von 1822 und zeigt das Panorama der Rigi.» Bart erzählt: «Von der Kutsche wechselten gutbetuchte Reisende in Zug aufs Schiff, reisten damit nach Arth, um dann mit der Sänfte auf die Rigi zu gelangen», erzählt der Historiker. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts blühte der Tourismus in Zug auf. Dies insbesondere als Kurort, wofür hiesige Vereine und Gemeinden warben.

Kommet, und kurieret euch im Bad Schönbrunn. (Bild: zvg/ Zuger Staatsarchiv)

In den letzten Jahren seien in den Archiven viele Film- und Tondokumente gesammelt worden, erklärt Philippe Bart. «Aus diesen können wir nun gut schöpfen. Neben den Filmen von Victoria Möbel Baar gibt es etwa auch Werbungen der Verzinkerei Zug, welche mitunter die Rollenbilder zu dieser Zeit sehr gut zeigen.»

Katharina Weiss: Eine Zuger Fotografiepionierin

Auch einzelne Protagonisten der Werbebranche werden am Archivtag hervorgehoben. So etwa der Grafiker Walter F. Haettenschweiler, welcher insbesondere aufgrund der von ihm erfundenen, gleichnamigen Schrift bekannt wurde.

Oder aber die Fotografin Katharina Weiss, die in Zug ihr Atelier hatte. «Sie war eine Pionierin auf ihrem Gebiet», sagt Bart. «Zwar war sie insbesondere auf Porträtfotografie spezialisiert. Doch fotografierte sie auch im Stadtgebiet, etwa bei der Vorstadtkatastrophe von 1887.» Ihr Geschäft ging später an die Dynastie Grau über.

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