SVP kritisiert Kinderbetreuung in Zug

Krippenplatz, damit Mama golfen kann?

Geben Expats-Gattinnen und andere Zuger Mamis ihre Kinder in subventionierten Kindertagesstätten ab, um im Ruhe ihrem Hobby frönen zu können? (Bild: Fotolia/Savino Paolella)

Geben Zuger Mamis oder Papis ihre Kinder in der Kinderkrippe ab, um in aller Ruhe Golf spielen zu können? SVP-Gemeinderat Gregor Bruhin behauptet dies in einem Vorstoss, den das Stadtparlament am 1. März überwiesen hat. Stadträtin Vroni Straub-Müller spricht von «seltenen Fällen». Der sogenannte Missbrauch sei an einem kleinen Ort. Aufbauschung oder Skandal?

Profitieren in Zug Personen von subventionierten Kinderbetreuungsplätzen der Stadt Zug, die das eigentlich nicht nötig hätten – auf Kosten der Steuerzahler?

«Man kann derzeit auch Plätze in Anspruch nehmen, von einer Subvention profitieren und sich beim Golfen erholen», behauptet Gregor Bruhin in seinem Vorstoss. Auf Anfrage von zentral+ gibt der kinderlose Jung-Gemeinderat zwar zu, dass das mit dem Golfen zugespitzt sei. Zugetragen worden seien ihm jedoch verschiedene Beispiele von Eltern, die nicht berufstätig seien und dennoch einen subventionierten Krippenplatz für ihren Nachwuchs bekommen hätten, sagt Bruhin.

Bedarfsgerechte Vergabe

Er verlangt deshalb in der Motion eine «bedarfsberechte Vergabe von Freizeit- und Kinderbetreuungsplätzen». Derzeit finde keine Abklärung statt, ob die subventionierten Krippenplätze und die Plätze in der Freizeitbetreuung nur an Eltern gingen, die einer Berufstätigkeit nachgingen. «Das finden wir nicht in Ordnung», sagt Bruhin. «Freizeit ohne Kinder auf Staatskosten» lehne die SVP klar ab. In anderen Kantonen gäbe es ebenfalls Vorstösse in diese Richtung, er nennt als Beispiel Graubünden.

«Freizeit ohne Kinder auf Staatskosten lehnen wir ab.»
Gregor Bruhin, SVP-Gemeinderat in Zug

Unfair gegenüber Berufstätigen?

Bruhin nennt als Grund für seinen Vorstoss einerseits die Finanzlage der Stadt und moniert ausserdem die «riesige Expansion» des Betreuungsangebots. An der Budgetdebatte 2015 seien die Mittel dafür um 300’000 Franken aufgestockt worden. «Trotzdem wird weiterhin Platznot beklagt», so der Gemeinderat. «Das Budget für die Dienststelle Kind Jugend Familie, das die ganzen Betreuungsbudgets unter sich hat, ist mit neun Millionen Franken mittlerweile halb so hoch wie das des Zuger Baudepartements.» Im Sinne der Fairness gehe es nicht auf, wenn nicht berufstätige Personen von subventionierten Plätzen profitierten. «Es geht schliesslich bei diesen Betreuungsplätzen um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.»

Anpassung des Reglements verlangt

Der SVP-Vertreter verlangt in seiner Motion, dass der Stadtrat das Reglement über die familienergänzende Kinderbetreuung anpasst: Eine Berufstätigkeit soll Grundvoraussetzung für die Vergabe von subventionierten Plätzen in den Kitas und der Freizeitbetreuung sein. Zudem soll das Betreuungspensum exakt dem Arbeitspensum entsprechen. Die Kosten, die über das Arbeitspensum hinausgehen, sollen zu den effektiven Kosten dazugerechnet werden. Die Eltern würden also mehr zur Kasse gebeten.

194 subventionierte Kitag-Plätze

Die Stadt Zug bietet laut Auskunft von Stadträtin Vroni Straub 194 subventionierte Kindertagesstätten-Plätze an. Derzeit nutzten 291 Kinder der Stadt Zug einen subventionierten Kita-Platz und 342 Kinder hätten einen nicht subventionierten Platz. Die Erklärung der Diskrepanz zwischen Kindern und Plätzen: Ein subventionierter Platz könne von mehreren Kindern genutzt werden, betont Straub. Die Gesamtzahl betreuter Kinder sei von 615  im Jahr 2014 auf 633 im vergangenen Jahr angestiegen.
Für die schulergänzende Betreuung bietet die Stadt Zug 355 Plätze am Mittag und 280 Plätze am Nachmittag an. Dazu kommen 70 Plätze an der Tagesschule. Derzeit nutzen 731 Kinder die schulergänzende Betreuung. Diese Zahl ist laut der CSP-Stadträtin gegenüber 2014 konstant geblieben, «dies auch, weil wir das Angebot nicht ausbauen konnten».

Im Stadtparlament wurde der Vorstoss an der Sitzung vom 1. März bloss vorgestellt, es fand noch keine Diskussion statt, denn es ging nur um die Überweisung. Vertreter von ALG, SP, FDP und GLP sprachen sich in Voten gegen die Überweisung aus. Mit 23 Stimmen kam aber keine Zweidrittelmehrheit für die Nichtüberweisung zustande. Die Motion wurde danach überwiesen. So muss sich nun der Stadtrat mit dem Vorstoss beschäftigen.

Soziale Gründe ebenfalls ein Kriterium

Die Kinderbetreuung gehört zum Bildungsdepartement von Vroni Straub. Die CSP-Stadträtin hält wenig von der Forderung Bruhins. «Der Erhebungsaufwand für das Arbeitspensum scheint sehr gross zu sein», sagt Straub auf Anfrage. «Weil auch subventionierte Plätze doch immer noch relativ teuer sind, werden sie in den seltensten Fällen einfach so fürs Tennisspielen oder Golfen verwendet. Der sogenannte Missbrauch ist an einem ganz kleinen Ort», sagt die Stadträtin.

«Die allermeisten Eltern arbeiten.»
Stadträtin Vroni Straub-Müller

Gemäss der Stadträtin ist die Berufstätigkeit tatsächlich heute nicht zwingend Grundvoraussetzung für den Erhalt eines subventionierten Krippenplatzes oder eines Platzes in der Freizeitbetreuung. Die allermeisten Eltern suchten zwar wegen ihrer Berufstätigkeit eine Betreuungsmöglichkeit, so Straub. «Es gibt jedoch viele andere Gründe – soziale Indikationen –, warum eine Betreuung nötig oder erforderlich sein kann», sagt die Stadträtin.

Ein solcher Grund kann zum Beispiel sein, dass sich Eltern um pflegebedürftige Angehörige kümmern. «Oder es können getrennt lebende Eltern sein, die von Sozialhilfe leben, und man will ihrem Kind oder ihren Kindern eine Struktur geben.» Eine Mutter, die Deutsch lerne oder in Ausbildung sei, könne mit einem Kita-Platz ebenfalls entlastet werden. «Manchmal ist das Vorweisen eines Betreuungsplatzes beim Kibiz sogar Voraussetzung, dass eine Mutter eine Arbeitsstelle erhält», erklärt die Stadträtin. Nicht alle Eltern, die einen Krippenplatz beanspruchen, arbeiteten. Doch die allermeisten.

FDP war gegen Überweisung

Für FDP-Gemeinderätin Karen Umbach schiesst der Vorstoss der SVP ebenfalls «weit übers Ziel hinaus». Die Gemeinderätin ist Präsidentin des Vereins Kibiz, der Kindertagesstätten in Zug betreibt. «Die Aussage, dass Frauen Golf spielen gehen und ihre Kinder während dieser Zeit abgeben, ist schlicht nicht wahr», sagt Umbach gegenüber zentral+.

Sie habe selber bei der Stadt angefragt, aus welchen Gründen Eltern ihre Kinder in den verschiedenen Institutionen betreuen lassen. Danach seien 70 Prozent der Eltern beide berufstätig. 15 Prozent seien alleinerziehende Mütter oder Väter. Bleiben noch die restlichen 15 Prozent. «Rund 0,3 Prozent der Frauen sind auf Stellensuche. Sie haben also momentan keine Arbeit. Wenn sie zum Beispiel den Job wechseln, sollte es trotzdem möglich sein, ein Kind in der Krippe zu haben.» Dazu kämen die von Stadträtin Vroni Straub thematisierten sozialen Gründe, dass jemand sein Kind ausserfamiliär betreuen lassen muss.

«Die Aussage, dass Frauen Golf spielen gehen und ihre Kinder abgeben, ist schlicht nicht wahr.»
Karen Umbach, FDP-Gemeinderätin

Karen Umbach: «Aufwand übersteigt den Nutzen»

Die Mehrheit der FDP sei gegen den Vorstoss, sagt Umbach. «Weil die Kosten für diese Abklärung den Nutzen übersteigen würden.» Als Präsidentin von Kibiz sei sie nicht aus Eigennutz gegen das Anliegen, die Berufstätigkeit abzuklären, sagt die Gemeinderätin. «Aber wir hätten bei Kibiz gar keine Kapazität für die Abklärung. Das müsste die Stadt übernehmen.» Schon für die aktuell nötigen Abklärungen des Einkommens, nach denen die Pauschalbeträge berechnet werden, sei ein 50-Prozent-Pensum nötig.

ALG strikt dagegen, SP sieht politischen Handlungsbedarf

Und was meinen die Linken? ALG-Gemeinderätin Tabea Zimmermann sagte im GGR, diese Motion sei «völlig überflüssig» und deshalb keine Diskussion wert.

SP-Gemeinderätin Barbara Gysel bezweifelt, dass viele Zuger Eltern die subventionierten Angebote von Kinderbetreuung nutzen, um ausschliesslich einer Freizeitbeschäftigung nachzugehen. «Meine Annahme ist vielmehr, dass Eltern ihre Kinder aus beruflichen oder triftigen anderen Gründen betreuen lassen. Auch alleinerziehende Mütter müssen irgendwann zum Zahnarzt oder andere Verpflichtungen wahrnehmen.» Als weitere Gründe neben der Berufstätigkeit nennt Gysel die Pflege von Angehörigen, Freiwilligenarbeit oder ein politisches Engagement im Parlament.

Vermögens- und Einkommenssituation berücksichtigen

Der Titel der SVP-Motion, «Bedarfsgerechte Vergabe von Freizeit- und Kinderbetreuungsangeboten», sei verdächtig bestechend, so Gysel. «Ja, selbstverständlich sollen Krippenplätze bedürfnisorientiert angeboten werden», fügt sie hinzu. Barbara Gysel: «Aus linker Perspektive ergäbe sich auch Diskussionsbedarf, wenn sich herausstellen sollte, dass Eltern von staatlichen Subventionen übermässig profitieren, die eigentlich gar nicht darauf angewiesen sind. Wir setzen uns grundsätzlich für staatliche Unterstützungen ein, die die individuelle Vermögens- und Einkommenssituation berücksichtigen.»

Die SP-Fraktion teile sogar die Ansicht der Motionäre, dass es in der Stadt Zug in der Frage der Kinderbetreuung politischen Handlungsbedarf gebe. Doch sie findet – im Gegensatz zur SVP –, dass es nicht zu viel Betreuung gibt, sondern viel zu wenig Plätze. Das lasse sich anhand der GGR-Debatten der letzten Monate belegen, so Gysel. Gemäss einem Bericht und Antrag des Stadtrats von 2015 sei der Bedarf an Betreuungsplätzen bei 62 Kindern im Vorschulalter gerade einmal in 50 Prozent der Fälle gedeckt. «Bei 91 Babys sind es mickrige elf Prozent des Bedarfs, der gedeckt ist», sagt die SP-Parlamentarierin.  

«Rückschrittsdenken der SVP»

Die SVP wolle nun den ausgewiesenen Bedarf senken, indem sie die Plätze künstlich verknappt. Das sei das falsche Mittel, so Gysel. Doch es brauche eine politische Diskussion über die ausserfamiliäre Betreuung. Die SP Zug wäre daher an Informationen vom Stadtrat zum Verhältnis der Betreuungszeit zur beruflichen Anstellung interessiert. Barbara Gysel: «Nicht nur die SVP, auch die SP wäre grundsätzlich an solchen statistischen Angaben interessiert. Allerdings kämen wir sicher zu anderen Schlussfolgerungen als Rechtsaussen. Wir haben zum Ziel, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht leere Worte bleiben.» Das «Rückschrittsdenken der SVP» übergehe die Bedürfnisse von Wirtschaft und Gesellschaft im Jahr 2016.

 

Die Kitag-Angebote in der Stadt und wer berechtigt ist

Zuständig für die ausserfamiliäre Kinderbetreuung ist die Dienststelle «Kind Jugend und Familie» im Zuger Bildungsdepartement. Auf ihrer Webseite findet man alle von der Stadt Zug unterstützten Institutionen, die von der Stadt Zug subventionierte Betreuungsplätze anbieten.

Folgende Kindertagesstätten bieten subventionierte Plätze an: die drei «Chinderhus»-Kitas Frauensteinmatt, Fuchsloch und Zugerbergstrasse; die Kibiz-Kitas Eichwald, Guthirt, Hofmatt und Stampfi; die Kitas Ameisiland, Chäferli, Little Butterfly und die Little Star Day School. Betreuungsplätze bieten auch die «globegarden»-Kitas Industriestrasse, Metalli und Uptown an, diese werden aber nicht von der Stadt subventioniert. Dazu kommen Tagesfamilien-Plätze, welche der Verein Kibiz vermittelt, sowie fünf Spielgruppen (Kinderhütte, Oberwil, Regenbogen, St. Johannes und Fliegenpilz).

Die Stadt Zug unterstützt die ausserfamiliäre Kinderbetreuung seit 1975. Es ist heute keine Bedingung, dass die Eltern berufstätig sein müssen. Allerdings ist das der häufigste Grund für die Anmeldung von Kindern. Bei Mangel an Plätzen gilt laut dem städtischen Reglement die Regel, dass zuerst Kinder mit gesundheitlichen Problemen aufgenommen werden, sodann Kinder von alleinerziehenden Eltern und sodann Kinder berufstätiger Personen. An die Kosten der von der Stadt Zug anerkannten oder von ihr geführten Kitas leisten die Eltern Beiträge. Ebenfalls an die Mittagstische, welche von Vereinen geführt werden. Die Elternbeiträge für Spielgruppen werden von deren Trägerschaft festgelegt.

Einkommenshöhe reduziert

Die Höhe der Elternbeiträge richtet sich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Stadtrat legt die Einzelheiten fest. 2015 hat der Stadtrat beschlossen, das Tarifmodell anzupassen. «Damit wollen wir sicherstellen, dass wirklich jene Familien von Subventionen profitieren, die darauf angewiesen sind», sagt die Zuger Stadträtin Vroni Straub-Müller. Seit der Änderung profitieren nur noch Familien mit einem massgebenden Einkommen von bis zu 150’000 Franken von Subventionen; vorher lag die Obergrenze bei 175’000 Franken (zentral+ berichtete).

Das massgebende Einkommen basiert auf dem Gesamteinkommen und liege deutlich höher als das steuerbare Einkommen. Ausserdem wird neu auch das Vermögen der Familien bei der Tarifberechnung berücksichtigt. Vroni Straub-Müller: «Dadurch bekommen rund fünf Prozent der bisher berechtigten Familien keinen subventionierten Platz mehr. Es handelt sich dabei um Familien mit einem guten Einkommen, die unserer Ansicht nach den Wegfall der Subventionen finanziell verkraften können.»

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