Kampf um Bypass nimmt Fahrt auf

Kriens auf den Spuren von Asterix› Galliern

Der Bund will nur gut 200 Meter überdachen – Kriens verlangt mehr. (Visualisierung: zvg)

Im Schatten des Spange-Nord-Widerstands wappnet sich Kriens gegen den Bypass. Es gehe um die Reparatur der Stadt, sagt der Krienser Stadtpräsident. Hoffnung schöpft er aus dem erfolgreichen Widerstand eines Zürcher Winzerdorfs und frischem Wind bei Bund und Kanton.

Was der Stadt Luzern die Spange Nord, ist der Stadt Kriens der Bypass: Hüben wie drüben wehrt sich die Exekutive gegen die geplanten Strassenprojekte.

In der Stadt Luzern hatte das bekanntlich Folgen: Der Kanton hat die Spange Nord zurechtgestutzt, den alten Projekt-Namen über Bord geworfen und letzten Herbst mit der Reussportbrücke eine neue Version in die Vernehmlassung geschickt (zentralplus berichtete).

Ob auch der Widerstand der Krienser von Erfolg gekrönt wird, ist noch offen. Die Stadt wehrt sich ebenfalls gegen Lärm und für ihre Lebensqualität.

Städtebauliche Vision wird aufgegleist

Konkret verlangt die Stadt Kriens einen längeren Tunnel. Derzeit ist am Bypass-Südportal beim Sonnenbergtunnel ein rund 250 Meter langer Deckel geplant. Der Rest der Autobahn soll offen geführt werden.

Die ursprüngliche Idee der Krienser, dass sich Gemeinde, Kanton und Bund je zu einem Drittel an den Kosten der längeren Einhausung beteiligen, stiess nicht auf Gegenliebe. Oder anders gesagt: Will die Stadt einen längeren Tunnel, muss sie in die eigene Tasche greifen. Zwar gab es zuletzt Signale, dass der Kanton doch noch Geld sprechen könnte, doch für die Planungskosten müsste die Stadt selber aufkommen – ohne Garantie, dass sich das am Ende auszahlt (zentralplus berichtete).

«Es geht darum, eine städtebauliche Sünde der 60er-Jahre zu reparieren.»

Cyrill Wiget, Stadtpräsident

Das wollen die Krienser nicht akzeptieren. «Es geht darum, eine städtebauliche Sünde der 60er-Jahre zu reparieren», sagt Stadtpräsident Cyrill Wiget (Grüne). Er meint die bereits heute offen geführte Autobahn A2, die seine Gemeinde prägt und zerschneidet. Eine Wunde, die nur mit einer Überdachung geheilt werden könne.

Blick auf die geplante Überdachung vor dem Sonnenberg. (Visualisierung: zvg)

Am 20. April wird das Astra der Stadt Kriens das Auflageprojekt präsentieren. «Wir wissen bereits jetzt, dass wir mit dem Projekt nicht zufrieden sein werden, weil die Überdachung des Bypass im Planwerk fehlt und nicht mitfinanziert wird», sagt Wiget.

Der Bypass in Kürze

Wer mit dem Auto unterwegs ist, kennt die Situation: Vor Luzern trifft bei der Verzweigung Rotsee der Verkehr der nationalen Nord-Süd-Achse A2 sowie der A14 von Zürich–Zug zusammen – oft kommt es zu Staus und Überlastungen. Weil der Verkehr in Zukunft gemäss Einschätzungen des Bundes noch zunehmen dürfte, will man mit dem Gesamtsystem Bypass Abhilfe schaffen.

Geplant ist ein neuer Tunnel auf 3,5 Kilometern Länge, das Kernelement des Bypass, mit zwei Röhren à je zwei Spuren. Die heutige A2 zwischen der Verzweigung Rotsee und dem Anschluss Luzern-Kriens wird anschliessend zur Stadtautobahn: Sie soll künftig vor allem den regionalen Verkehr der engeren Agglomeration schlucken, während der Bypass-Tunnel für den Durchgangsverkehr vorgesehen ist.

Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 1,8 Milliarden Franken. Frühester Baustart ist 2023 – die Bauzeit beträgt rund 12 Jahre.

Bereits in der Vergangenheit haben alle Krienser Parteien klargemacht, dass sie am selben Strick ziehen, wenn es um den Bypass geht. Letzten Herbst hat das Parlament einen 220'000-Franken-Kredit gesprochen – der explizit dazu dient, den rechtlichen Hosenlupf mit dem Bundesamt für Strassen (Astra) vorzubereiten.

Inzwischen nimmt der Widerstand professionelle Form an: Kriens hat eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe auf die Beine gestellt. Juristen sind darin vertreten, Experten für städtebauliche Fragen, Politmarketing und Medienarbeit. Noch vor dem Start der Auflage im April will die Stadt Kriens eine städtebauliche Vision präsentieren, die aufzeigt, wie die «Stadtreparatur» aussehen soll und welche Forderungen damit verbunden sind. Für den Stadtpräsidenten ist klar: «Wir wollen frühzeitig parat sein.»

Kriens – die neuen Gallier?

Sich breit aufzustellen und nicht nur Juristen, sondern auch Städtebauer ins Boot zu holen, ist eine der Empfehlungen von Koordinator Thomas Kieliger. Ihn hat die Stadt Kriens als Berater hinzugezogen (zentralpus berichtete).

Aus gutem Grund: Der Bauingenieur hat Erfahrungen mit dem Widerstand gegen Autobahnprojekte des Bundes. Kieliger hat die Zürcher Gemeinde Weiningen im Zusammenhang mit der dritten Röhre des Gubristtunnels beraten – und ihr 2014 zum Erfolg vor Bundesgericht verholfen. Der Bund wurde gezwungen, das Projekt zu überarbeiten und Weiningen entgegenzukommen. Das Dorf erreichte eine 100 Meter lange Überdeckelung und eine Verschiebung des Halbanschlusses.

In den Medien wurde das Winzerdorf mit den Galliern und sein Gemeindepräsident mit Asterix verglichen. Die Stadt Kriens mit Präsident Cyrill Wiget möchte nur zu gerne in diese Fussstapfen treten und den «Römern» beim Astra ihre Durchschlagkraft beweisen.

In Kriens geht es um einen Kilometer

Die Projekte in Kriens und Weiningen haben viele Parallelen: Auch am Gubrist ging es um eine Überdachung, um den Schutz der Landschaft. Auch da war die Rede von einer Planungssünde, die geheilt werden müsse. «Das Urteil im Fall von Weiningen zeigt, dass man beim Autobahnbau im urbanen Gebiet nicht einfach machen kann, was man will», sagt Cyrill Wiget.

Ein wichtiger Unterschied sind aber die Dimensionen. In Zürich ging es nur um wenige hundert Metern. «In Kriens geht es hingegen um beinahe einen Kilometer offen geführte Autobahn», so Wiget, «aber taktisch ist die Situation vergleichbar.»

Beim Anschluss Luzern-Kriens wird die Autobahn «versorgt». (Visualisierung: zvg)

Beim Bundesamt für Strassen indes dämpfte man in der Vergangenheit die Krienser Erwartungen. «Der Fall Weiningen ist eins zu eins in die Planungen für Kriens eingeflossen», sagte Astra-Direktor Jürg Röthlisberger 2018 in einem Interview mit der «Luzerner Zeitung». «So konnten wir die Überdachung des Bypass-Südportals verlängern, was uns zusätzliche 90 Millionen Franken kostet. Was darüber hinausgeht, müssen hingegen Gemeinde, Kanton oder Liegenschaftseigentümer bezahlen.»

Neues Personal, neues Glück?

Doch die Krienser geben nicht so schnell auf. Im Gegenteil: Der neue Schwung stimmt den Stadtpräsidenten Cyrill Wiget zuversichtlich. «Ein solches Grossprojekt, das die ganze Stadt trennt, ist sehr aussergewöhnlich. Wir mussten uns wirklich zuerst herantasten – aber jetzt sind wir sehr gut aufgestellt.» 

«Ich bezweifle, dass Simonetta Sommaruga gewillt ist, eine Autobahn gegen den Willen der Bevölkerung zu bauen.»

Cyrill Wiget, Stadtpräsident

Der zweite Grund zur Hoffnung ortet Wiget bei den neuen Köpfen an den wichtigen Schalthebeln. «Ich bezweifle, dass Simonetta Sommaruga gewillt ist, eine Autobahn gegen den Willen der Bevölkerung zu bauen. Sie verfolgt einen ganz anderen Ansatz als ihre Vorgängerin, das spüren wir.» Mit der grünen Welle in Bundesbern verspricht er sich zudem auch in der Verkehrskommission des Parlament mehr Gehör.

Ebenso hat mit dem Wechsel im Regierungsrat laut Wiget der Wind gedreht. «Es ist eine höhere Sensibilität vorhanden.» Ähnlich äussert sich der Krienser Stadtrat in seiner aktuellen Antwort auf ein dringliches Postulat von Anita Burkhardt (CVP): «Mit dem neuen Regierungsrat Fabian Peter bestehen gute Chancen, dass neue Bewegung entsteht.» Ein Gespräch zur Autobahnüberdachung mit dem kantonalen Baudirektor im Januar sei konstruktiv gewesen, lässt Wiget durchblicken. Im März ist ein weiterer Austausch mit dem Luzerner FDP-Regierungsrat angesagt.

Auch das ist ein Rat des Experten: auf allen politischen Ebenen Verbündete zu suchen. Sei es bei den Nachbargemeinden, sei es beim Kanton, sei es im Parlament in Bern. «Der Bundesrat muss hören: Hier ist eine ganze Region unzufrieden mit seinem Projekt», sagt Wiget.

Der neue Bypass-Tunnel (rot) und die bisherige A2, die zur Stadtautobahn wird (violett).
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