Luzerner Entscheid mit weitreichenden Folgen

Kriegsgeschäft der Pensionskasse bleibt heisse Munition

Vertreter der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) und der Jungsozialisten haben die Unterschriften für das Verbot von Kriegsgeschäften der Stadtkanzlei übergeben.

 

(Bild: zvg)

Eine Initiative verlangt, dass die städtische Pensionskasse nicht mehr in Kriegsgeschäfte investiert. Ob die Politik überhaupt solche Vorschriften machen kann, ist aber umstritten. Ein Rechtsgutachten tendiert zwar zu einem Ja, aber der Stadtrat will nun weitere Abklärungen treffen. 

Geld der Stadt soll nicht mehr in Unternehmen fliessen, die verbotenes Kriegsmaterial herstellen oder entwickeln. Das fordert die Initiative «Für ein Verbot von Luzerner Kriegsgeschäften», die im September 2016 eingereicht worden ist.

Das Anliegen wurde von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee GSoA, gemeinsam mit SP, Juso und Grünen lanciert (zentralplus berichtete). Besonders im Fokus steht dabei die städtische Pensionskasse mit einem verwalteten Vermögen von über einer Milliarde Franken.

Gültig oder nicht?

Der Stadtrat müsste eigentlich innert eines Jahres Stellung beziehen – und dem Parlament einen Bericht und Antrag unterbreiten. Doch nun verlangt er weitere sechs Monate Zeit, wie der Stadtrat mitteilt. Denn noch ist offen, ob die Initiative überhaupt gültig ist – oder vom Stadtrat für ungültig erklärt wird. «Die Pensionskasse ist eine selbständige Anstalt und da stellt sich die Frage, wie weit die Politik in deren operatives Geschäft eingreifen darf», erklärt Stadtschreiber Urs Achermann. Dass das Parlament Vorschriften erlässt, wie die Pensionskasse zu ihrem Gewinn kommt, gehe relativ weit.

Um die Frage der Gültigkeit zu klären, hat Luzern bei einem Staatsrechtler ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Das liegt nun vor – und tendiert dazu, dass das geforderte Anlageverbot zulässig sei, wie Achermann auf Anfrage sagt. Nähere Angaben zum Inhalt macht er indes nicht, weil der Stadtrat noch «gewisse Bedenken» hegt. Es bedürfe «nach eingehender Diskussion im Stadtrat noch vertiefender Ergänzungen», heisst es im Bericht.

«Die städtische Pensionskasse will sich freiwillig an diese Vorgaben halten.» 

Urs Achermann, Luzerner Stadtschreiber

So will der Stadtrat unter anderem abklären, ob es zulässig ist, einer Pensionskasse Vorschriften zu machen, der mehrere Arbeitgeber angeschlossen sind. Die Pensionskasse der Stadt Luzern PKSL zählt 2205 Versicherten und 2058 Pensionsberechtigte – sowohl aus der Stadtverwaltung als auch von 21 angeschlossenen Unternehmungen beispielsweise Energie Wasser Luzern. «Diese würden auch diesem Diktat unterstellt», sagt Achermann. 

Der Luzerner Stadtschreiber Urs Achermann.

Der Luzerner Stadtschreiber Urs Achermann.

(Bild: jwy)

Ebenfalls noch offen sei die Frage, wie stark die Versicherten selber mitwirken dürfen. Der Stadtrat will deshalb nun nochmals einen Experten beiziehen, der die Situation weniger aus staatsrechtlicher und mehr aus «pensionskassenspezifischer» Sicht beurteilt. Obwohl das erste Gutachten zur Gültigkeit tendiert, ist es denkbar, dass die beiden Gutachten sich letztlich widersprechen. «Dann müssen wir schauen, wie gewichtet wird», sagt Achermann. Der Stadtrat will deshalb erst am 21. März Stellung beziehen und beantragt beim Grossen Stadtrat eine Fristverlängerung.

Präjudiz für andere Verbote

Die Debatte geht über die aktuelle Initiative hinaus – könnte der Entscheid doch auch für künftige Forderungen ein Präjudiz schaffen. So geht der Stadtrat davon aus, dass allfällige Debatten über Anlageverbote in den Bereichen Tabak, Alkohol, Glücksspiel oder Gentechnologie auf denselben Grundlagen fussen würden. Sprich: Wird die Initiative über das Verbot von Kriegsgeschäften für gültig erklärt, müsste das bei späteren Forderungen über Anlageverbote in anderen Bereichen gleich gehandhabt werden.

Im Hintergrund der ganzen Debatte ist das Rad bereits am Drehen. Und so ist unklar, ob die Initiative gegen Anlagen in Kriegsgeschäfte tatsächlich nötig sein wird. Wie der Stadtrat festhält, strebt die städtische Pensionskasse sowieso in diese Richtung. Konkret geht es um einen Kriterienkatalog, den die Stiftung Ethos erlassen hat, und der genau solche Anlagen in Kriegsgeschäfte untersagt. «Die städtische Pensionskasse will sich dem anschliessen», sagt Stadtschreiber Urs Achermann. «Das heisst, sie will sich freiwillig an diese Vorgaben halten und ihre entsprechenden Beteiligungen aus dem Portfolio streichen.» 

Abkehr von Rüstungsfirmen am Pranger

Bei der Gruppe Schweiz ohne Armee bedauert den Aufschub, wie sie in einer Medienmitteilung festhält. Was die praktischen Folgen für die Pensionskassen angeht, glaubt die GSoA nicht an weitreichende Folgen. Wenn Pensionskassen ihr Geld nicht mehr in geächtetes Kriegsmaterial investieren, sei nicht mit tieferen Erträgen zu rechnen, sagt GSoA-Sekretärin Magdalena Küng und verweist auf eine Studie aus Genf, die kürzlich zu diesem Schluss kam. In der Tat wenden sich immer mehr Pensionskassen und nun auch Versicherungen von international geächteten Waffen ab. So hat mit Swiss Re der erste Rückversicherer angekündigt, nur noch in soziale und ökologische Anlagen zu investieren, wie die «Aargauer Zeitung» diesen Dienstag berichtet.

«Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es jemand gut findet, wenn sein Pensionskassengeld in Streumunition investiert wird.» 

Magdalena Küng, Sekretärin Gruppe Schweiz ohne Armee

Auch zahlreiche Pensionskassen, darunter jene des Bundes und der Post, haben sich von mehreren angeprangerten Rüstungsfirmen verabschiedet. Sie sind damit die Empfehlungen des Schweizer Vereins für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen gefolgt, der im Frühling eine schwarze Liste mit entsprechenden Unternehmen veröffentlichte.

Gsoa-Sekretärin Magdalena Küng ist aber überzeugt, dass es trotz der anlaufenden Kehrtwende die Initiative braucht – auch in Luzern, wo die städtische Pensionskasse offenbar in dieselbe Richtung geht. «Das ist grundsätzlich sehr begrüssenswert. Die Frage ist aber immer, ob das auch tatsächlich umgesetzt wird», so Küng. Würden die Vorgaben von der Politik festgeschrieben, seien sie besser kontrollierbar.

Dass die Stadt prüfen will, wie die Versicherten selber stärker eingebunden werden könnten, begrüsst GSoA-Sekretärin Magdalena Küng. «Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es jemand gut findet, wenn sein Pensionskassengeld in Streumunition investiert wird.» 

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