Deutscher Liedermacher im vollen Luzerner KKL

Konstantin Wecker, Anwalt der Träumer und Versager

Münchner Urgestein mit enormer Bühnenpräsenz: Konstantin Wecker.

(Bild: Marco Masiello)

70 Jahre alt, seit einem halben Jahrhundert auf der Bühne und noch kein bisschen müde: Konstantin Wecker sang am Montag engagiert und eindringlich gegen Intoleranz und Dogmatismus. Es war dies einer der politischsten Auftritte des bekennenden 68ers in Luzern.

Konstantin Wecker, der rebellische deutsche Liedermacher, feiert dieses Jahr einen runden Geburtstag. Auch mit 70 Jahren ist das grosse Leuchtgestirn des poetischen Widerstands noch lange nicht müde, gegen Ignoranz, Neofaschismus und das Grosskapital anzusingen.

«Meine Texte sind besser, als ich selber es bin.»

Konstantin Wecker

Seine Jubiläumstournee «Poesie und Widerstand», mit der er seit Mai durch die Lande zieht, ist eine neu aufgenommene «Best of» aus seinem riesigen Lebenswerk. Mit seinem ersten Lied «Sage Nein!» räumt er gleich zu Beginn jeden Zweifel beiseite, er könnte im fortgeschrittenen Alter etwas von seinem Kampfgeist eingebüsst haben. Später stellt er aber etwas klar: «Meine Texte sind besser, als ich selber es bin.»

Begnadeter Geschichtenerzähler

Wecker ist Sänger, Pianist, Poet und überdies ein begnadeter Geschichtenerzähler. Denn zwischen den Songs ist viel aus seinem bewegten Leben zu erfahren. Seine Lieder sind immer persönlich, hochpolitisch und voller Reminiszenzen an Dichter, Musiker, Gelehrte, Wissenschaftler und Freunde: Mit dem vertonten Gedicht «Der Krieg» von Georg Heym, einem expressionistischen Dichter, der um 1900 gelebt hat, singt er gegen Krieg und Gewalt.

70-jähriger Sänger, Pianist und Poet: Konstantin Wecker.

70-jähriger Sänger, Pianist und Poet: Konstantin Wecker.

(Bild: Marco Masiello)

Die grosse feministische Theologin Dorothee Sölle zitiert Wecker mit dem eindringlichen Satz: «Die Welt erstickt an einem gnadenlosen Funktionalismus.» Mit dem Lied «Die weisse Rose» erinnert er an den Widerstand von Sophie und Hans Scholl während des Zweiten Weltkriegs.

Der Sänger setzt sich gerne in Szene als «Anwalt der Träumer und Versager». Wecker erinnert sich aber auch gerne an seine Eltern, denen er eine glückliche Jugend mit viel Musik verdankt. Sein Vater sei zwar ein erfolgloser, unbekannt gebliebener Opernsänger gewesen, aber einer, der den Kriegsdienst während der Nazizeit verweigert habe und nur durch eine glückliche Fügung mit dem Leben davongekommen sei.

Vom Applaus überschüttet

Diesem Vater fühlt Wecker sich dankbar verbunden, und ihm widmet er das zärtliche Lied «Niemals Applaus». Vom Applaus, der seinem Vater vorenthalten war, wird der Sohn – auch an diesem Abend in Luzern – nun überschüttet.

Hat eine Band von «fünf lustigen Musikanten» an seiner Seite: Konstantin Wecker.

Hat eine Band von «fünf lustigen Musikanten» an seiner Seite: Konstantin Wecker.

(Bild: Marco Masiello)

Vor der Pause stellt Wecker seine «fünf lustigen Musikanten» vor und umarmt diese dabei innig: Es sind dies der «bei Bruckner geschulte» Violinist Marcus Wall, der die Geige auch mal zupft, Fany Kammerlander am Cello, die schon bei Deep Purple mit auf Tour war, Jens Fischer Rodrian am Schlagzeug, Severin Trogbacher, der seinem Idol Jimi Hendrix die Ehre erweist, und Kapellmeister Johannes Barnikel, der seit über 20 Jahren an der Seite von Wecker in die Tasten greift und derzeit mit Trompeter Till Brönner auf Welttour ist.

Auch diese nonkonformistischen Multiinstrumentalisten und Freigeister ernten vom Publikum begeisterten Applaus. Nach der Pause wird die Musik rockiger, die Stimmung dichter und Wecker immer ausgelassener. Er haut stehend in die Tasten seines Flügels, und wenn er vom entzündeten Weltenbrand singt, ist die Flamme endgültig auf das Publikum übergesprungen.

«Sage nein!», «Empört euch!», «Wo alles geizt, wagt zu schenken!»

Weckersche Animationen

Aber sind denn diese Weckerschen Imperative wie «Sage nein!», «Empört euch!» oder «Wo alles geizt, wagt zu schenken!», nicht etwas gar simpel, zuweilen naiv und hoffnungslos von gestern? Könnte man meinen, hätte man ihn nicht live gesehen. Denn dieser Mann, der auf den Trümmern des Nachkriegsdeutschlands aufgewachsen ist, der die Kriegsversehrten, die Krüppel und Traumatisierten in Erinnerung hat, weiss, wovon er spricht. Der wache Geist fasste in der Sendung «Sternstunde» von SRF sein Postulat folgendermassen zusammen: «Ich möchte die Politik poetisieren und nicht die Poesie politisieren.»

Ein deutscher Leonard Cohen

Nach zwei Stunden widerständigem Gedankengut setzt Wecker einen ersten Schlusspunkt, das Publikum jedoch verlangt begeistert nach mehr, worauf die Musiker noch eine volle Stunde zufügen. Zwischendurch gibt es Standing Ovations, dann kommt ein witzig improvisiertes Klavierduett von Wecker und Barnikel.

Irgendwann steigt der Poet von der Bühne und läuft singend durch die Reihen, sucht die Nähe zum Publikum und umarmt die Menschen. Die Magie, mit der Konstantin Wecker die Seelen verzaubert, Grenzen sprengt und verschlossene Herzen öffnet, erinnert an den kürzlich verstorbenen grossen Kanadier Leonard Cohen.

Wecker jedoch schliesst sein Konzert mit zwei Sätzen des von ihm hochverehrten Dichters Rainer Maria Rilke ab: «Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt obdachlos die Vergänglichkeit.»

Sensibel und rebellisch: Konstantin Wecker bekam Standing Ovations.

Sensibel und rebellisch: Konstantin Wecker bekam Standing Ovations.

(Bild: Marco Masiello)

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