Fall Malters: Wird das Urteil weitergezogen?

Kommandant und Kripo-Chef der Luzerner Polizei freigesprochen

Der ausserordentliche Staatsanwalt Christoph Rüedi nimmt zum Freispruch von Achermann und Bussmann Stellung.

(Bild: pze)

Das Gericht unter der Leitung von Kilian Emmenegger hat im Fall Malters sein Urteil gesprochen: Polizeikommandant Adi Achermann und Kripo-Chef Daniel Bussmann wurden am Dienstagvormittag vom Verdacht der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Die Klägerschaft prüft, das Verfahren an die nächste Instanz weiterzuziehen.

Nach der Verhandlung vor dem Luzerner Bezirksgericht am vergangenen Montag erfolgte am Dienstagvormittag die mündliche Urteilsverkündung (zentralplus berichtete). Sie gab der Verteidigung Recht und sprach die beiden Angeklagten frei. Polizeikommandant Adi Achermann erhält als Entschädigung rund 30’000 Franken, Daniel Bussmann rund 50’000 Franken Anwaltsentschädigung.

Gericht: Realistische Chancen auf Erfolg

Die Frau habe sich das Leben genommen. Suizid und Beihilfe zum Suizid seien aber nicht strafbar, begründet das Gericht den Freispruch. Ob weiteres Verhandeln tatsächlich zum Erfolg geführt hätte, wird bezweifelt. Beim Polizeizugriff hätten zwar Risiken, aber auch realistische Erfolgschancen bestanden. Es hätte nicht damit gerechnet werden müssen, dass sich die Türe schon vor dem Zugriff öffnen würde.

 

Die beiden Optionen des Zugriffes und Weiterverhandelns seien mit ähnlichen Chancen und Risiken verbunden gewesen, erklärte das Gericht den Freispruch. Die Polizei habe aber auf die Gefahr reagieren müssen und habe den dafür zulässigen Handlungsspielraum genutzt.

René K. Merz, Anwalt von Adi Achermann, gibt gegenüber den Medien Auskunft.

René K. Merz, Anwalt von Adi Achermann, gibt gegenüber den Medien Auskunft.

(Bild: pze)

Staatsanwalt verlangte Busse und Geldstrafe

Der Staatsanwalt verlangte eine auf zwei Jahre bedingte Geldstrafe für beide Angeklagten. Diese hätte im Fall von Bussmann 240 Tagessätze à 280 Franken und bei Achermann 240 à 210 Franken betragen. Dazu wäre eine Busse von 1’000 Franken gekommen. Der Anwalt des Sohnes verlangte eine Entschädigung für seinen Mandanten in der Höhe von rund 55’000 Franken für die Unkosten des Verfahrens.

Während der Verhandlung gab insbesondere die Rolle des Polizeipsychologen zu reden, der Bussmann vor Ort vom Zugriff auf die psychisch angeschlagene Frau abriet. Der Kripo-Chef und Einsatzleiter am Vormittag des 9. März 2016 entschied sich dennoch dazu, einzugreifen. Er plante, die Frau per Spezialhund zu fixieren, während gleichzeitig verschiedene Ablenkungsmanöver geplant waren.

Rolle des Polizeipsychologen gab zu reden

Doch der Plan schlug fehl, die Frau wurde frühzeitig durch eine nicht geplante Türöffnung alarmiert. Sie konnte sich in das Badezimmer zurückziehen und erschoss sich anschliessend, wie gegenüber der Verhandlungsgruppe angedroht, mit ihrem Revolver. Die Verteidiger von Bussmann und Achermann argumentierten, dass ihre Mandanten alle Schritte sorgfältig geplant und die Risiken vernünftig abgewogen haben. Das sahen offenbar auch die Richter so.

Anwalt des Privatklägers erwägt Urteil weiterzuziehen

Der Anwalt des Privatklägers, Oskar Gysler, sagte im Anschluss an die Urteilsverkündung gegenüber den Medien, er könne das Urteil nicht nachvollziehen. «Meiner Meinung nach hat die Polizei nicht alle Optionen geprüft.» Er kann sich gut vorstellen, das Urteil weiterzuziehen.

Der ausserordentliche Aargauer Staatsanwalt Christoph Rüedi wartet die schriftliche Urteilsverkündung ab und wird dann entscheiden. «Die Verhandlung hat gezeigt, dass es auf jeden Fall sinnvoll war, diesen Prozess zu führen.» Privatkläger und Staatsanwaltschaft bleiben zehn Tage Zeit, Berufung einzulegen.

Beat Hess, Anwalt von Daniel Bussmann, im Interview nach der Urteilsverkündung.

Beat Hess, Anwalt von Daniel Bussmann, im Interview nach der Urteilsverkündung.

(Bild: pze)

Wichtiges Signal für Polizeiarbeit

Der Anwälte der freigesprochenen Beat Hess und René K. Merz zeigten sich zufrieden. Hess: «Das Urteil ist ein wichtiges Signal für die Polizeiarbeit im generellen Sinne.» Wären die Freigesprochenen stattdessen schuldig gesprochen worden, hätte dies zur Folge, dass die Polizei ihre Arbeit gar nicht mehr machen könne. Die Begründung des Gerichts zeige, dass sein Mandant professionelle und gut kalkulierte Arbeit geleistet habe.

Aufgrund der laufenden Untersuchung waren die beiden höchsten Luzerner Polizisten von heiklen Einsätzen suspendiert. Im Fall des Kommandanten Achermann hatte dies keinen Einfluss auf seinen beruflichen Alltag, der bereits vor dem tragischen Vorfall keine Einsätze leitete.

Nun wird sich zeigen, ob der Luzerner Sicherheitsdirektor Paul Winiker seinen Entscheid unmittelbar rückgängig macht. Er wird am späteren Vormittag eine Pressekonferenz geben, zentralplus wird vor Ort sein.

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