Niedrige Steuern und ihre Auswirkungen

Wohnungsnot: Luzern könnte es wie Zug ergehen

Was in Zug bereits Realität ist, könnte in Luzern durch Steuersenkungen auch passieren. (Bild: Adobe Stock/zentralplus)

Wer in Zug eine bezahlbare Wohnung sucht, wird heutzutage kaum mehr fündig. Mit Steuersenkungen könnte das auch in Luzern bald Tatsache sein.

Kürzlich hörte ich im Bus einer Debatte eines Pärchens um die 30 zu. Adrett gekleidet kamen sie von der Wohnungsbesichtigung. Doch sie hatten anscheinend keine Chance gegen die 100 Mitbewerber. Und sie liessen den Frust über die wenigen Angebote, den kurzen Fristen und der generellen Wohnungsnot freien Lauf und schlossen mit der Erkenntnis: «Es wollen halt einfach zu viele Leute hier wohnen.»

Die Debatte um die Steuerattraktivität hat in der Zentralschweiz in den vergangenen Monaten Fahrt aufgenommen. Luzern und Zug präsentieren beide ambitionierte Konzepte, um trotz der OECD-Mindeststeuer weiterhin als wirtschaftliche Magnete zu glänzen – und das mit Millionensubventionen für Grosskonzerne, die jährlich über 750 Millionen Euro umsetzen. Das soll als Ausgleich dafür dienen, dass die internationalen Konzerne künftig weltweit 15 Prozent Steuern zahlen sollen.

Doch jede Wirtschaftsförderungsmassnahme hat auch Nebenwirkungen. Und so wird eben auch ein anderes Thema immer lauter: der Wohnungsmarkt. Im Kanton Zug sind die Mietpreise in den vergangenen acht Jahren um rund 30 Prozent gestiegen – Eigentumspreise kletterten sogar um 41 Prozent. Nicht nur in Genf, Zürich oder an der Goldküste, sondern auch in Zug wird es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Kein Wunder also, dass in den vergangenen Jahren rund 36’000 Zuger gezwungen waren, den Kanton zu verlassen.

Luzern befürchtet eine «Zugisierung»

Auch in Luzern schürt die Diskussion um Steuersenkungen Befürchtungen einer «Zugisierung». Einige Mitglieder des Stadtparlaments warnen davor, dass niedrigere Steuersätze wohlhabende Menschen und Unternehmen anziehen – mit der Folge einer gesteigerten Wohnraumnachfrage und weiter steigenden Mietpreisen. In Zug hat diese Problematik bereits zu hitzigen Auseinandersetzungen geführt. Das Argument von links lautete: Steuergeschenke für Grosskonzerne verknappen bezahlbaren Wohnraum.

Dieser Kritik entgegnen der Luzerner Stadtrat und die Zuger Regierung, dass in Städten wie Zürich oder Genf die Mieten vergleichbar sind. Die Steuern können also gar nicht den entscheidenden Faktor darstellen. Dabei sieht die ökonomische Studienlage anders aus: Bereits 1969 wies der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Wallace E. Oates auf einen direkten Zusammenhang zwischen Steuerattraktivität und Wohnkosten hin.

Zahlreiche Studien – darunter eine umfassende Untersuchung der eidgenössischen Finanzverwaltung aus dem Jahr 2014 und Analysen der ehemaligen Grossbank Credit Suisse – belegen, dass eine Senkung des Steuersatzes um 1 Prozent mit Preissteigerungen von rund 7,1  Prozent bei Eigentumswohnungen und etwa 3,1  Prozent bei Mietwohnungen einhergeht. Diese Zahlen zeigen, dass trotz niedriger Steuern am Monatsende für Mittelstandsfamilien oft weniger übrig bleibt als anderswo. Die Kaufkraft des Mittelstands sinkt.

Es braucht neue Diskussionsansätze

Natürlich gibt es auch andere Gründe, weshalb eine Stadt wie Zürich oder Genf trotz relativ höherer Steuern gleichzeitig hohe Mieten haben kann. Neben steuerlichen Faktoren spielen nämlich der starke Wirtschaftsstandort, die hohe Dichte an Hochschulen und die unvergleichliche Lebensqualität eine wichtige Rolle. Denn nicht nur der Zugersee, sondern auch der Lac Léman verfügt über eine traumhafte Aussicht. 

Fakt ist: Praktisch jede Steuersenkung zieht Vermögende und Grosskonzerne an. Die Debatte über die Zentralschweizer Entwicklung sollte endlich faktenbasiert geführt werden. Wir brauchen den Mut, ideologische Paradigmen zu hinterfragen. In der nächsten Steuerdebatte sollten nicht nur die direkten finanziellen Auswirkungen diskutiert werden, sondern eben auch die indirekten gesellschaftlichen Auswirkungen. Dann machen auch Wohnungsbesichtigungen wieder mehr Spass. 

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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