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Bewertungsportale für Restaurants wären eigentlich eine gute Sache. Wenn die Leute denn immer sachlich bewerten würden.
Es ist der Alptraum aller Gastronomen: Ein Stern, der deinen Namen trägt. Nicht vier oder fünf, sondern eben einer. Auf einem Online-Bewertungsportal, natürlich.
Zuerst gilt es zu sagen: Bewertungsportale wie Google, Tripadvisor oder Happy Cow sind eigentlich eine feine Sache. So können sich Gäste ein genaueres Bild von einem Lokal machen. Mit Informationen von Gästen für Gäste. Denn für alle Beteiligten ist es angenehmer, wenn sich der U4-Eltern-Stammtisch nicht in eine Kunstbar voller teurer Unikate verirrt. Zudem können gerade kleine, unabhängige Lokale mit einem begrenzten (oder inexistenten) Werbebudget viel von guten Bewertungen profitieren. Und es gibt wohl kaum etwas Motivierenderes, als eine neue Vier- oder Fünf-Sterne-Bewertung mit seinem Team zu teilen. Also eigentlich alles paletti, könnte man meinen. Doch weit gefehlt.
Kleiner Kommentar, grosse Wirkung
Was als nützliches Hilfsmittel für Restaurantbesuche gedacht war, verkommt immer häufiger zur Selbstdarstellung der Bewertenden. Ich spreche aus Erfahrung, habe ich doch auch solche Bewertungen beantwortet während unserer Zeit als Mairübe – zusammen mit ganz vielen positiven Kommentaren. Die Goldmedaille ging dabei an eine Französin, die ihre Bewertung damit begann, dass wir am Bundesplatz schon schaurig weit weg seien von der Stadt.
Und in diesem Ton ging es auch weiter bis zur Behauptung, dass wir nur ein Menü im Angebot hätten: grünen Salat. Und das, obwohl sowohl Mitarbeitende als auch das Kassensystem klar gesagt haben, dass sie und ihre Begleitung den Tagesteller und das Wochenmenü assen – mit einem Salat als Vorspeise. Aber egal: zack, ein Stern. Und es blieb der fahle Nachgeschmack, dass zukünftige Gäste uns vielleicht als Rohkostladen abstempelten, wenn wir in Wahrheit Burger, Spätzlipfannen und Co. aufgetischt haben.
Die Würze liegt in der Antwort
An der netten Antwort für die Kritik der Französin habe ich einen ganzen Abend gefeilt, irgendwo zwischen amüsiert lächelnd und rotzsauer wegen solchen Behauptungen. Ähnlich erging es mir mit dem Herrn, der mehreren veganen Restaurants am selben Tag eine kommentarlose Ein-Stern-Bewertung austeilte. Auch jenen, die es schon lange nicht mehr gab. Hier scheint wohl eher anhand einer Lebensanschauung als eine gastronomischer Leistung bewertet worden zu sein. Aber wieder egal: zack, ein Stern.
Was man darauf antworten kann? Nicht viel, ausser der Aufforderung, eine ehrliche Kritik per Mail nachzureichen, damit wir aus einem (vermeintlich) schlechten Erlebnis eines Gastes lernen können. Ob die Bewertenden die Antworten der Restaurantbesitzerinnen auch lesen? Das bleibt zu hoffen. Ebenso, dass die Kritik zumindest intern besprochen wird in den Restaurants, damit sich auch das Personal dazu äussern kann. Oder sich darüber amüsieren, je nach Gast und Kritik. Und die ganz tollen Ein-Stern-Bewertungen vielleicht sogar auf Postkarten druckt und im Restaurant auflegt, wie das ein Top-Lokal in Luzern mit einem Augenzwinkern tut. Wohl die coolste Antwort auf unsachliche Kritik.
Die Sache mit dem Durchschnitt
Eigentlich wäre ja auch eine solche Ein-Stern-Bewertung kein Problem, wenn sie einem nicht den Durchschnitt runterziehen würde wie Ananas die Freude an der Pizza. Denn die meisten Gäste orientieren sich wohl eher am Durchschnitt und der Anzahl Ein- respektive Fünf-Sterne-Bewertungen, als die Kommentare durchzulesen. Darum ist es wichtig, als Gast nicht nur Katastrophen und Topleistungen online zu honorieren, sondern auch mal drei oder vier Sterne vergeben bei einem «War schon ganz ok»-Erlebnis.
Zusammen mit einer ehrlichen Auskunft, was toll war und was eben nicht. Damit nicht nur immer die mit einem Gordon-Ramsay-Komplex in den Bewertungsspalten erscheinen. Und ich? Ich denke mit einem Schmunzeln daran zurück, wie es war, solche Bewertungen zu beantworten. Wohl wissend, dass am Ende die Erinnerung an die guten Kommentare überwiegt und die meisten Gäste in der Tat sachliche und faire Kritik abgeben. Und ich amüsiere mich an einem regnerischen Sonntag manchmal über die Fülle von Antworten auf Ein-Stern-Bewertungen, die zeigen: Die Gastronomie hat ihren Humor noch nicht verloren.
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