Kolumne

Voll Hygge oder Sozi: Was deine Wohnung über dich verrät

Was wohl Isa jetzt wieder umtreibt? (Bild: Mike Bislin)

Zeig mir, wie du wohnst – und ich sag dir, wie du tickst. Was die Wohnungseinrichtung über den Charakter verrät? Das liest du in der neuesten Kolumne «Isa, garantiert kompliziert».

Die Matratze liegt auf dem Boden. Einfach so. Nackt, kahl. Kein Holz, keine Paletten, kein Karton. Nichts, was die Matratze etwas in die Höhe heben würde. Denn Büchern geht’s nicht besser. Ebenfalls nackig, ohne Gestell, sind sie auf den Boden gestapelt. In der Ecke steht eine halbwüchsige Yucca-Palme. Auf einem Teller.

Ich seufze. Ich bin gerade zu Besuch bei einem alten Kumpel. Einer dieser Menschen, bei denen man denkt, er sei grade eben eingezogen. Ist er nicht. Für ein Bettgestell hat’s immer noch nicht gereicht. Den Kapitalismus wolle er ja nicht füttern. Und das sei sowieso «zu erwachsen» für ihn. Dabei ist er einfach nur pleite.

Ich lieb’s, die Wohnungen anderer zu inspizieren. Vielleicht nicht dann, wenn man in einer semi-eingerichteten und müffelnden Wohnung steht. Aber: Man lernt das Vis-à-vis richtig gut kennen.

Das Velo in der Küche – voll Öko

Die erwähnte Wohnung meines Kumpels gehört zur Kategorie «Öko/Sozi». Möbel oder all das, was nützlich sein könnte wie Pfannen, Korkenzieher oder Teller, die nicht als Pflanzenuntersetzer gedacht sind, sucht man in diesen Wohnungen vergebens. Garantiert aber irgendeine Hipster-Kaffeemaschine.

Am immerleeren Kühlschrank thronen in der Regel irgendwelche Postkarten, die auf die politische Gesinnung hinweisen. Minze für den Tee wird vom eigenen Hochbeet gezupft. Balkongängerinnen sind diese Menschen weniger, für das Feierabendbier wird aufs Dach geklettert.

Diese Kategorie Mensch ist selten zu Hause, eher an Klimademos oder beim Pilzlisammeln anzutreffen. Ach ja, irgendwo steht in der Küche – oder an die Wand gehängt, jawohl – ein Velo. Könnte draussen schliesslich geklaut werden. Diese Menschen denken also ans Morgen und wappnen sich dagegen – sei’s beim Klima oder einem allfälligen Veloklau.

Die Ikea-Wohnung: bloss nicht krümeln oder haaren

Am ungemütlichsten finde ich Wohnungen, die so gar nichts über den Wohnenden darin aussagen. Ausser, dass sie Ordnungsfanatiker sind. Büsis kann’s hier geben, Büsihaare auf dem Sofa sicherlich nicht.

In der ganzen Wohnung gibt’s maximal zwei Farbnuancen – grau und schwarz. Bilder und Pflanzen gehören hier zum «Schnickschnack». Alles, was der Wohnung ein Seelenleben geben könnte, wird hier verbannt.

Holzstäbchen in Duftgläsern – Sandelholz, Vanille oder Jasmin fürs Wohnzimmer, Zitronengras, Eukalyptus oder Lavendel fürs Bad und die geballte Ladung an allem Betörenden fürs Schlafzimmer – sind Pflicht.

Irritiert fragst du dich in diesen Wohnungen, ob du in der IKEA stehst oder ob die Wohnung als Film-Location für eine durchschnittlich langweilige Komödie fungiert, in der eine unabhängige, karrieregetriebene und Katzen-besitzende Ü40-Frau alles auf die Reihe kriegt, sich aber eigentlich im Film alles darum dreht, den einen zu finden.

Boho – it’s a Hippie-Lifestyle

Einiges wohler fühle ich mich in den Boho-Pinterest-Wohnungen. Pflanzen gibt’s hier in allen möglichen Grössen und Variationen, ob auf dem Kochherd, wild wuchernde Efeutute über dem Fernsehbildschirm – nichts bleibt von den wuchernden Geästen verschont.

Makramee, Rattan-Möbel, Yoga-Matte und versteckte Tarot-Karten in den Bücherregalen sind die letzten Hinweise darauf, dass du dich in einer Eso-angehauchten Wohnung aufhältst. Oder Kristalle auf dem Fensterbrett.

Die Hausenden solcher Wohnungen tun meist so, als ob sie in ihrem Leben alles auf die Reihe kriegen, dahinter steckt aber guter Prösi-Fluss.

Hyggelig wohnen

Der skandinavische Einrichtungsstil darf natürlich nicht fehlen: Die Wohnung ist charmant, offen, macht einen aufgeräumten, aber kuschligen Eindruck. Ganz so, wie man sich auch den Traummann wünscht.

Must-haves sind eingerahmte Plakate von Kunstausstellungen die bis zu 20 Jahre zurückliegen, wellenförmige und pastellfarbene Kerzen, die für Laien auf den ersten Blick wie gut getarnte Sextoys aussehen und ein gut gefüllter Barwagen. All das ist eben da, was für den Hygge-Lifestyle – das Gute am Leben geniessen – essenziell ist.

Wer hyggelig wohnt, bietet die optimale Location für hochstehenden Insta-Content. Bewohnende haben tendenziell auch irgendwas mit Influencen am Hut.

Freunde, ich sag’s euch wie’s ist: Die Wohnungen anderer zu analysieren, ist die Charakteranalyse der besonderen Art. Zeig mir, wie du wohnst – ich sag dir, wer du bist.

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4 Kommentare
  • Profilfoto von Rolf Gisler
    Rolf Gisler, 10.09.2022, 21:04 Uhr

    Ich habe eine grosse Bibliothek; ein kleines Dorf würde neidisch werden. Bertold Brecht, Karl Marx, Dürrenmatt und Klassiker wie Mobby Dick. Nicht vergessen die bisherigen Werke von Donna Leon und alle Bücher von Friedrich Glauser. Als Hobbyhistoriker mit Spezialgebiet Militär kommen dutzende Bände einschlägiger Werke dazu. Clausewitz über den Krieg oder Rommels „die Infanterie marschiert“. Die Geschichten meines franz. Lieblingsgenerals Marcel Bigeard und andere unzählige Seiten in französischer Sprache, Houellebecq, Dumas, Zola. Alles in Ikeas Billy. Pflegeleicht und relativ leicht im Raum. Ein grosser Druck von Che Guevarra hängt an der Wand. Die ehemalige Fahne der ebensolchen DDR hängt schön drapiert über die Ecke eines Billy. Zwei ganze Tablare sind befüllt mit Wein und Gourmetbüchern. Also; wer bin ich?

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    • Profilfoto von Hanswurst
      Hanswurst, 10.09.2022, 23:21 Uhr

      Einer, der wohl vergeblich auf Isa wartet? 😉

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    • Profilfoto von Armando
      Armando, 11.09.2022, 19:45 Uhr

      Ich tippe mal auf enttäuschten Alt-68iger (Che Guevara) und Alt-Stalinist (DDR-Fahne).

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  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 10.09.2022, 18:31 Uhr

    Zeig uns wie du wohnst und wir sagen dir wie du tickst. Deal?

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