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Immer mehr Menschen haben die Nase voll und treten aus der Kirche aus. In der neuesten «Isa, garantiert kompliziert»-Kolumne gehts ums Bleiben.
Den Kirchen rennen die Mitglieder davon. Kirchenaustritte boomen (zentralplus berichtete). Und auch um mich herum treten immer mehr Menschen aus der Kirche aus. Ich verstehe sie alle. Aber ich bleibe. Klar, ich bin mies im Schlussstrichziehen. Das ist aber nicht der Grund.
Heiraten – aber richtig
Zugegeben, bei mir war es anfänglich ein naiver Grund, der mich zum Bleiben bewog. Taufen, Heiraten, Beerdigtwerden – alles spielt sich in der Kirche ab. Irgendwann, das wusste ich schon als Kind, will ich auch heiraten. Und «richtig» heiraten, das ging nur in Tüll und Schleier. Mit vor der Kutsche eingespannten Lipizzanern und weissen Tauben, die über unsere Köpfe fliegen. Und meinem Vater, der mich vor den Altar führt. «Denn ‹richtig› wird nur in der Kirche geheiratet», dachte ich einst.
Heute sehe ich das anders. Ich brauche keine Rüschen an meinem Hochzeitskleid, ich brauche nicht mal unbedingt einen Mann in meinem Leben. Und falls ich den doch heiraten will, dann eher barfuss im Freien.
Zur Kirche gehen
Die Kirchensteuer zahle ich auch als 29-jährige, nicht heiratswillige Frau noch. Natürlich hoffe auch ich, dass wirklich kein Franken der Kirchensteuer nach Rom fliesst. Sondern in Projekte vor Ort, die in meinen Augen enorm Wichtiges leisten – wie etwa die Gassenarbeit in Luzern.
Die Kirche gibt mir aber noch ganz etwas anderes. Denn ich mag es, sie zu besuchen. Ganz alleine für mich. Ich habe in Kirchen geweint oder sass still hin, wenn Worte einfach gerade nicht reichten. Ich habe in Kirchen geflucht, vielleicht mache ich auch so etwas wie Beten. Ich mag es, in eine Kirche zu gehen, ein paar Kerzen anzuzünden und an Menschen zu denken, denen es gerade nicht gut geht. Klar, könnte ich das auch beim Spazieren oder bei mir zu Hause auf der Couch tun – unter den Gipfeln einer Kirche habe ich aber das Gefühl, meine Sorgen wirklich deponieren zu können.
Vieles ist nicht entschuldbar
Ich verstehe den Unmut gegen die Kirche. Vieles, was passiert und gesagt wurde und noch immer wird, ist kaum zu entschuldigen. Die Kirche hat unzähliges Leid angerichtet, Kinder wurden von Geistlichen missbraucht. Geschehenes wurde vertuscht, man hat darüber geschwiegen, Täter geschützt. Minderheiten werden ausgegrenzt, statt eingebunden. Für viele ist der Kirchenaustritt der konsequente Schritt, das Ganze nicht mehr länger zu unterstützen.
Die offizielle Linie der katholischen Kirche beruht nicht nur auf total verstaubten Wertvorstellungen. Sie diskriminiert Menschen, in dem sie ihnen sagt, wen sie zu lieben haben und wen nicht.
An sich arbeiten
Die Kirche müsste in meinen Augen offener für alle werden, im 21. Jahrhundert ankommen. Ich brauch keinen Techno in der Kirche und keine Party, doch sie sollte mehr zu ihrem Kern zurückfinden und Menschen zusammenbringen. Dass die oberen Etagen der Kirchen von alten, weissen Männern besetzt sind, spielt ihr da sicher nicht in die Karten.
Doch ich habe Hoffnung, dass sich da etwas tut. Dass sich immer mehr Menschen innerhalb der Kirche sprichwörtlich querstellen und beispielsweise auch queere Menschen segnen (zentralplus berichtete).
Schluss machen kann ich mit der Kirche nicht. Vorerst jedenfalls nicht. Vielleicht habe ich ihr auch so etwas wie ein Ultimatum gestellt. In Beziehungen ist es ja so: Sie werden besser, wenn alle involvierten Personen an sich arbeiten.
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