Neues Luzerner Theater? Nein, danke!

Im grössenwahnsinnigen Luzern fehlt ein Elon Musk

Was würde wohl Elon Musk zu den Ausgaben für das neue Luzerner Theater sagen? (Bild: Pascal Scherrer / Wikimedia Commons, Justin Pacheco)

Obwohl kaum mehr jemand ins Theater geht, versucht die Luzerner Elite einen Neubau durchzudrücken. Wie kann es sein, dass dieses potenzielle Millionengrab noch immer zur Debatte steht? Eine kritische Auseinandersetzung unserer Kolumnistin.

Alle sind sie dafür, die Bubble der Crème de la Crème, die sich in retrohöfischer Verblendung nach einem neuen Theater für ihre Selbstdarstellung sehnt. Darunter ein SVP-Regierungsrat, der sich davon erhofft, sich den Besuch einer Wagner-Oper im fernen Bayreuth zu ersparen, ein linker Stadtpräsident, der gerne in die viel zu grossen Schuhe von Alt-Stadtpräsident Franz Kurzmeyers-KKL-Erfolg schlüpfen möchte und eine Grüne/Linke, die aus den Augen verloren hat, mit welchen Nöten sich das theatermeidende Volk herumzuschlagen hat.

Richten solls die Stadt Luzern mit einem grössenwahnsinnigen Theaterumbau, der nicht nur die Jesuitenkirche in deren Aussenwahrnehmung beeinträchtigt, sondern auch die heutige Frei- und Grünfläche vor dem Theater zupflastert, als ob Luzern davon genug hätte.

Grössenwahnsinniges Bauprojekt

Allein die Baukosten für diesen städtebaulichen Schandfleck werden auf 130 Millionen geschätzt, plus minus 30 Prozent Abweichung, wobei wir dann bei 170 Millionen Franken Steuergelder zulasten der Stadt Luzern wären. Das jährliche Budget ist mit 33,5 Millionen Franken veranschlagt, davon 22 Millionen Steuergelder von Stadt und Kanton Luzern (65 Prozent). Die Rechnung geht gemäss Stadtratsbericht dann auf, wenn das Luzerner Theater es schafft, seine Zuschauerzahl von je 44'000 in den vergangenen zwei Spielzeiten, davon viele Schulklassen mit günstigen Eintritten, auf 100'000 zu erhöhen, also zu verdoppeln. Ansonsten verbleibt der Stadt ein desaströses Finanzloch.

Absehbares Finanzdesaster für Stadt Luzern

Im Gefälligkeitsgutachten der deutschen Metrum Managementberatung wird zu diesem Punkt hervorgehoben, dass die Zahl der Besuchenden am ehesten um 100 Prozent gesteigert werden könne, wenn der Werbeaufwand dauerhaft um beinahe eine halbe Million höher budgetiert werde, also mit 1,2 Millionen Franken. Mit diesen Marketinganstrengungen soll auch dem Rest der Schweiz und ein paar asiatischen Touristen eingebläut werden, dass sich ein Besuch einer mittelmässigen Provinzproduktion à la «Fledermaus», mit einem Repertoire an Geschlechterklischees, die an die gute alte Zeit vor Einführung des Frauenstimmrechts erinnern, im Luzerner Theater lohne.

Bereits heute ist absehbar, dass die Stadt Luzern bei einer allfälligen Realisierung in ein Finanzdesaster läuft. Sämtliche deutschsprachigen Theater weisen für die Zeit nach Corona einen massiven Rückgang der Besucherzahlen aus. Sogar das berühmteste Sprechtheater der Schweiz mit internationaler Ausstrahlung, das Zürcher Schauspielhaus, verbuchte in seiner letzten Rechnung massive Rückgänge. Hier liesse sich anmerken, dass das zeitgemässe Zürcher Woke-Theater zwar vermehrt Junge ins Theater lockte. Damit hat man mussmasslich die älteren, zahlenmässig sich in der Mehrheit befindenden Wohlhabenden vergrault. Jene also, für die ein Theaterbesuch Teil ihrer Identität als «mir send öpper» ist.

Theater neu denken

Ein sich veränderndes Theaterkonsumverhalten, sei es aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung oder anderer Bedürfnisse und Nöte des Volkes, war bereits vor Corona ein Thema. Darauf wies auch der ehemalige freisinnige Kantonsrat Gaudenz Zemp in der Kantonsratsdebatte hin. Um so wichtiger wäre es, die Zeichen der Zeit rechtzeitig ernst zu nehmen und vor einem kostenträchtigen Umbau eine offene Diskussion über die Entwicklung der Theaterlandschaft zu führen.

Auch die Stadt Zürich ist aktuell daran, ihr Schauspielhaus mit ähnlichen Millionenbeträgen aufzumotzen. Im Vergleich zur Provinzstadt Luzern mit ihren 85'500 Einwohnern verfügt Zürich über mehr als das Fünffache an Bevölkerung. Das schlägt auch bei den Steuereinnahmen um ein Mehrfaches zu Buche. Dies erlaubt die Ausgaben in der geplanten Grössenordnung für eine Theatersanierung, vorausgesetzt, das Volk sieht es auch so.    

Fehlender Diskurs

Zwangsläufig drängt sich die Überlegung auf, ob wir unser Kulturgut in der Zukunft nicht profitabler bewirtschaften können, wenn wir uns städteübergreifend für ein machbares sinnvolles Angebot zusammenschliessen. In dessen Vielschichtigkeit könnten sich alle Volksschichten wiederfinden, statt sich mittels exorbitanter Ausgaben für Standortmarketing in Städtekonkurrenz zu üben.

Um nur einmal laut zu sinnieren: In 50 Fahrminuten sind die Luzerner in Zürich in einem Theater mit Ausstrahlung über die Landesgrenzen hinaus. Auch steht in Zürich ein Opernhaus zur Verfügung, dessen Eigenfinanzierungsgrad höher liegt als derjenige des Luzerner Theaters mit rund 16 Prozent. Den Kulturbeflissenen wäre das Reisli genauso zuzumuten, wie sie ihrerseits in ihrer Planung den Urnern, Schwyzern und Obwaldnern den teilweise mühsameren Weg ins Luzerner Theater beliebt machen wollen. 

Wach auf, alternative Kulturszene

Luzern mit seinem internationalen Ruf als Musikstadt (Eigenfinanzierungsgrad Lucerne Festival über 90 Prozent) könnte sich in einem zweiten Standbein zu einem Ort der experimentellen Kleinkunst- und Theaterszene mausern. Wer meint, die Kulturelite verfolge mit ihrem Umbau genau das, nur weil sie aus taktischen Überlegungen vorgibt, es tun zu wollen, der irrt gewaltig.

Baukosten von 170 Millionen Franken oder gar höher lassen keine zahlbaren Mieten für experimentelle Theaterformen zu. Das Gegenteil wird die Akteure ereilen, nachdem sie sich gutgläubig, eingelullt mit Zitaten von Hannah Arendt bis Sloterdijk, der Elite angedient haben, in der Hoffnung auf den endlichen Durchbruch ihrer Anliegen.

Und bist du nicht willig, dann erst recht

Das Dreigespann von Stiftung Luzerner Theater, Projektierungsgesellschaft und Stadtrat zeigt sich angesichts der sich abzeichnenden rückläufigen Besucherzahlen hingegen überzeugt davon, dass eine Investition in die Zukunft des Luzerner Theaters um so notwendiger und sinnvoller sei. Man muss sich diese Absichtserklärung, sinngemäss – «wenn ihr nicht wollt, dann erst recht» – einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Es gab eine Zeit im alten Griechenland, wo sich auch rückläufige Besuchertendenzen abzeichneten und die Polis dieser entgegenwirkte, indem sie die Besucher mit Arbeitsausfallsentschädigungen wieder ins Theater lockte. Doch das ist wohl eher nicht gemeint damit.

Planung aus der Zeit gefallen

Die Sturheit dieses Dreiergespanns erinnert an Elon Musks Kritik – die auch die Schweizer Landesregierung betrifft – in einer Zeit, in der man Kriege mit Drohnen führt, weiterhin an der Anschaffung von millionenschweren Kampflugzeugen festzuhalten.

Wie sehr fehlt Luzern ein Elon Musk, der mit einem Gespür für gesellschaftliche Trends und vor allem, nicht am Tropf der Subventionsgeber hängend, dem erratischen Luzerner Block aus Politik, Kulturfilz und Medien – dessen Funktionsweise sich in Noam Chomskys Werk «Konsensfabrik» nachlesen lässt – beibringt, dass deren Theaterplanung aus der Zeit gefallen ist. Es ist verantwortungslos, daran festzuhalten, auch wenn es vorerst an der Urne nur um den Projektkredit von 13,8 Millionen geht.

Fragile Zukunft verkraftet kein Finanzdesaster

Die Zukunft zeigt sich in jeder Hinsicht fragil. Das Gebot der Stunde erfordert einen sorgsamen Umgang mit Steuergeldern. Liebe Stadtluzernerinnen und -luzerner, am 9. Februar 2025 habt ihr die Möglichkeit, die Verblendung der Politik, die euer Steuergeld einem goldenen Provinztheaterkalb opfern will, zu stoppen. Umgerechnet subventioniert Ihr bereits heute jeden Theaterbesuchenden mit einem Beitrag von 420 Franken. Bei einem Besucherflopp wird es weit mehr sein.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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