Kolumne

Hoch die Gläser! Wenn die Hochzeit zum Spendenmarathon verkommt

Was wohl Isa jetzt wieder umtreibt? (Bild: Mike Bislin)

Traktandenliste und Wunschliste per Amazon: Da fragt sich unsere Gesellschafts-Redaktorin Isabelle Dahinden, ob es beim Heiraten wirklich um ein Fest der Liebe geht. Die neueste Kolumne.

Es beginnt auch in meinem Umfeld: Ultraschall-Bilder werden auf Instagram gepostet, kitschige Sonnenuntergangs-Bildli mit dem grössten Verlobungs-Klunker. Und natürlich flattern auch die Einladungen zu pompösesten und fettesten Hochzeiten ins Haus.

Gerade kürzlich habe ich wieder eine dieser Karten gekriegt. Fliederfarbenes Couvert, mit Wachssiegel und eingepressten farbigen Blüten darin. Als ich das parfümierte, gefaltete Herz öffnete, fielen getrocknete Rosenblätter heraus und die strahlenden Gesichter des Liebespaares blickte mir entgegen. Ein Wunder, ist nicht noch eine rosarote Herzen kackende Taube aus dem Hochzeitsschreiben geflogen.

Auch der Brautstrauss-Wurf gehört in den Zeitplan

«Ganz cute», dachte ich jedoch. Bis ich dann den Zeitplan der Feier sah. Eine Art Traktandenliste. Minutengenau wird da skizziert, wann man eintrifft, wann die Trauung startet, die Reiskörner geworfen, die Korken des Champagner geknallt, die Torte angeschnitten, Gruppenfotos geknipst, zum Essen geladen, für das Ankündigen der Festreden mit Gabeln an die Gläser geklopft, wann zum Walzer aufgefordert und wann der Brautstrauss geworfen wird. Natürlich gibt’s einen Dresscode in der hässlichsten und Isa-inkompatibelsten Farbe (babyblau). Natürlich wird irgendwo im Ausland geheiratet, zum Nächtigen ins teuerste Hotel «geladen», bezahlen muss man aber natürlich selbst.

Hochzeitsgeschenke: Wunschliste mit Amazon-Link

Selbstverständlich wird per WhatsApp der Link zur Liste mit allen gewünschten Hochzeitsgeschenken nachgereicht. Vom Luxus-Kochtopf und dem Gutschein für die Ballonfahrt bis zur Haartransplantation ist da so ziemlich alles dabei. Alles, was man eben benötigt, um die Liebe zu feiern. Um Missverständnissen vorzubeugen, wird die Ware samt Amazon-Links digital auf einer Liste aufgeführt. Da sind die Erwartungen gross, dass jeder Hochzeitsgast seinen Namen irgendwo druntersetzt.

Mich verwirrt das Ganze. Es war wohl eine dieser Hochzeiten, von denen ich nicht so genau weiss, ob ich beim Ja-Wort geheult habe, weil's soo romantisch war. Oder weil man von lauter Tüll, Rüschen und Weiss benebelt realisierte, dass man 500 Franken für einen Kochtopf hat springen lassen.

Um was geht's da eigentlich?

Das soll’s also sein? Das Fest der Liebe? Um was geht’s denn dabei eigentlich wirklich? Es gibt Menschen, die aus steuerrechtlichen Gründen nicht heiraten. Menschen, die einander zwar sehr lieben, das Konzept der Ehe aber infrage stellen. Andere lieben im Moment, wollen sich aber kein Siegel für die Ewigkeit aufzwingen. Und nochmals andere klammern sich auch Jahre nach dem Ja-Wort, in Zeiten, in denen die Liebe längst verflogen ist, der Alternativlosigkeit halber aneinander fest. Und es gibt Menschen, die ihre Liebe eben mit diesem Gang zum Altar untermauern möchten. Die einen mit weniger Tamtam, im kleinen Kreis, andere prunkvoller, im grossen Stil.

Alles ist ja gut und recht. Jedem Paar, wie es will. Die Liebe ist das Grösste. Die, welche alles besiegt. Und sie soll gefeiert werden. Ich freu mich ja auch, wenn sich zwei gefunden haben.

Luft und Liebe

Doch was soll dieses Wetteifern? Das Wetteifern um die krasseste und unvergesslichste Hochzeitsfeier? Das Ersehnen von Hochzeits-Festtischen, die vom vielen Geld erdrückt werden? Das Hungern für das pompöseste Brautkleid, in welchem die Frau in Tüll, Rüschen und purer Reinheit untergeht? Und die ausgefallenste und mehrstöckigste Hochzeitstorte, die ein ganzes Kaff einen Tag ernähren könnte? Es geht um Prunk, Wunschlisten für Geschenke, die einem Spendenmarathon in nichts nachstehen.

Ich wünsche mir Hochzeiten, an denen wieder mehr die Liebe gefeiert wird. An denen getanzt und gefeiert wird, das frisch vermählte Hochzeitspaar, auf den Stühlen sitzend und Händchen haltend, über die Köpfe der Hochzeitsgäste getragen wird.

Denn wenn man die Liebe gefunden hat, was will man dann noch mehr?

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 13.08.2022, 13:19 Uhr

    Dreffender könnt ich das nicht beschreiben den Einzahlungschein hast Du vergessen,Die Europäischen Hochzeiten
    driften Richtung Indien/Türkei.
    Viel Glück auf deiner Suche zum Seelenverwandten.

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  • Profilfoto von Heimwehberner
    Heimwehberner, 13.08.2022, 12:21 Uhr

    So frei nach dem Motto; wir feiern ein Fest, ihr könnt auch kommen, bezahlt aber mehr als wenn ihr sonst kommt….

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